August 2024

240811

ENERGIE-CHRONIK




Der Gasversorger Entega hat inzwischen eingesehen, dass er einen schwachen juristischen Stand hat, wenn er seinem Erdgas eine hunderprozentige Unschädlichkeit für das Klima andichten will. Auf den schwammigen Begriff "Ökogas" will er aber keinesfalls verzichten.

Deutsche Umwelthilfe wirft 21 Gasversorgern Verbrauchertäuschung vor

Die "Deutsche Umwelthilfe" (DUH) ist inzwischen gegen insgesamt 21 Gasversorger vorgegangen, die mit ihrer Werbung für "klimaneutrales" oder "klimakompensiertes" Erdgas den irreführenden Eindruck erwecken, als ob der klimaschädliche Brennstoff durch irgendwelche Kompensationsprojekte zu hundert Prozent umweltfreundlich geworden sei. Bis Ende August hatten 17 dieser Unternehmen, die von der DUH wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens abgemahnt wurden, spätestens vor Gericht entsprechende Unterlassungserklärungen abgegeben.

Entega verspricht keine "100 % Kompensation" mehr, will aber auf das Etikett "Ökogas" nicht verzichten

Dazu gehörte beispielsweise die Darmstädter Entega GmbH, die ihren Erdgastarif mit der Zusicherung "100 % Kompensation von Klimagas (CO2)" bewarb. Diese Behauptung stützte sich auf Zertifikate für irgendwelche Waldprojekte, die angeblich die durch das Erdgas entstehenden Treibhausgas-Emissionen durch ihre CO2-Aufnahme kompensieren würden. Die Entega wollte von dieser Fiktion auch nicht lassen, als die DUH den Nutzen solcher Zertifikate entschieden bezweifelte. Deshalb kam es am 5. August zu einer Verhandlung vor der Kammer für Handelssachen am Landgericht Darmstadt, bei der die Entega dann aber doch einlenkte und sich zur Unterlassung dieses Spruchs verpflichtete. Auf das Etikett "Ökogas" will sie in ihrer Werbung allerdings nach wie vor nicht verzichten.

E.ON will weiterhin mit "klimakompensiertem Erdgas" werben dürfen


Weil der Begriff "Ökogas" schon ziemlich ausgelutscht ist, hat E.ON das "NeoErdgas" erfunden und verkauft unter dieser Tarifbezeichnung sein "klimakompensiertes Erdgas".

Noch anhängig war dagegen eine Unterlassungklage gegen die E.ON Energie Deutschland GmbH, die von der DUH am 14. August beim Landgericht München eingereicht wurde. Die Dachgesellschaft der größten deutschen Energievertriebe für Strom und Gas hatte ihre Werbung für den Tarif "NeoErdgas" nach der Abmahnung nur geringfügig modifiziert, indem sie anstelle von doppelt gemoppeltem "klimakompensierten Ökogas" nur noch "klimakompensiertes Erdgas" anbot. Aber auch das bleibt nach Meinung der DUH wettbewerbswidrig, weil der mit einer "Klimakompensation" versprochene Ausgleich der fossilen Erdgasemissionen durch die von E.ON gewählten Projekte nicht gewährleistet werden könne.

Die grundsätzliche Fragwürdigkeit solcher fiktiven Treibhausgas-Minderungen zeigte eine Untersuchung der Kompensationsaktivitäten und CO2-Gutschriften von 150 deutschen Gasversorgern, die das Journalisten-Kollektiv "Correctiv" mit Unterstützung von Experten des New Climate Institute, der Berkeley University, de Öko-Instituts und der Deutschen Umwelthilfe vorgenommen hat. Das Ergebnis war, dass mindestens 116 "weit weniger grün sind als versprochen" (240406).

"Fossile Energieträger in grünem Gewand sind keine Lösung, sondern Teil des Problems“

Der DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch spricht deshalb von einer "aktiven Verbrauchertäuschung" gerade bei umweltbewussten Kunden, indem man ihnen fossiles Erdgas verkaufe, das in Wirklichkeit mit untauglichen Klimakompensationsprojekten grün gewaschen werde:

"Die von uns untersuchten Wasserkraftprojekte im globalen Süden sind zur Kompensation von Treibhausgasemissionen in Deutschland ungeeignet und gaukeln effektiven Klimaschutz nur vor. Wir fordern die Gasversorger dazu auf, ihr Erdgas mit den tatsächlichen Informationen über den realen Klimagas-Fußabdruck zu bewerben und diesen nicht durch Verrechnung mit noch dazu ungeeigneten Kompensationsprojekten zu verstecken. Fossile Energieträger in grünem Gewand sind keine Lösung, sondern Teil des Problems.“

Angebliche Klimaschutzprojekte wären auch ohne CO2-Zertifikate gebaut worden

Im Wesentlichen verstoßen die untersuchten Kompensationsprojekte gegen das Kriterium der sogenannten Zusätzlichkeit. Das heißt, dass die Projekte ohne die zusätzliche Finanzierung über CO2-Zertifikate nicht realisiert worden wären. Wenn wie in den untersuchten Fällen die Wasserkraftwerksprojekte bereits Jahre vor Beginn des Verkaufs von Kompensationszertifikaten umgesetzt wurden, ist nach Ansicht der DUH dieses Kriterium inhaltlich wie formal nicht erfüllt. Durch den Erwerb von Zertifikaten aus bereits existierenden Wasserkraftwerken findet damit kein zusätzlicher Klimaschutz statt – weder beim Erdgas noch beim sogenannten Ökostrom, der üblicherweise mit Zertifikaten über die angebliche CO2-Vermeidung durch irgendwelche Wasserkraftwerke unterlegt wird, die entweder schon seit langem existieren oder ohnehin neu gebaut worden wären.

Den Anstoß gab eine Verbraucherbeschwerde über "Greenwashing"

Den Anstoß zu der Abmahn-Serie gab eine Verbraucherbeschwerde über das "Greenwashing" der Entega Plus GmbH, die Monate später zur Verhandlung vor dem Landgericht Darmstadt und zum Verzicht der Entega auf die Zusicherung "100 % Kompensation von Klimagas (CO2)" führte. Bei der näheren Befassung mit dem Thema stellte die DUH fest, dass viele andere Anbieter von "Ökogas" ebenso mit falschen Versprechungen werben. Im April ging sie deshalb exemplarisch zunächst gegen folgende 15 Gasversorger vor: Stadtwerke Landshut, Aschaffenburger Versorgungs-GmbH, evd Energieversorgung Dormagen GmbH, Teutoburger Energie Netzwerk eG, Stadtwerke Neu-Isenburg GmbH, LogoEnergie GmbH, Stadtwerke Fürstenfeldbruck GmbH, Stadtwerke Greifswald GmbH, Stadtwerke Bochum GmbH, EVM Energieversorgung Marienberg GmbH, Gas und Strom Mittelrhein GmbH, Stadtwerke Oberursel (Taunus) GmbH, Vereinigte Stadtwerke GmbH, E.ON Energie Deutschland GmbH und lekker Energie GmbH (Stadtwerke Krefeld). Im Juli folgten dann Abmahnungen gegen fünf weitere kommunale Gasversorger: Stadtwerk am See GmbH & Co KG in Überlingen, Stadtwerke Aalen GmbH in Aalen, Stadtwerke Bruchsal GmbH in Bruchsal, Stadtwerke Neustrelitz GmbH in Neustrelitz und Stadtwerke Speyer GmbH in Speyer.

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