August 2024

240805

ENERGIE-CHRONIK


"Suche nach Endlager für KKW-Abfälle wird mindestens bis 2074 dauern"

"Die Festlegung des Standortes wird für das Jahr 2031 angestrebt", heißt es in § 1 Abs. 5 des seit 2017 geltenden "Gesetzes zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle" (StandAG). Das war bereits sehr vage formuliert. Aber auch mit dieser unverbindlichen Absichtserklärung ist es nun vorbei. Am 7. August veröffentlichte das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) einen 311 Seiten starken Bericht, wonach es mindestens 43 Jahre länger dauern wird, bis ein Standort für das Endlager festgelegt werden kann (PDF). Das bedeutet, dass der größte Teil der heutigen Bundesbürger sich bereits im Rentenalter befindet oder bereits gestorben ist, bis die hochradioaktiven Hinterlassenschaften der einstigen deutschen Kernkraftwerke einigermaßen sicher unter der Erde verschwunden sind.

Es habe sich gezeigt, "dass die im StandAG angestrebte Zielmarke 2031 aufgrund der gesetzlich vorgegebenen Verfahrensschritte keinesfalls erreicht werden kann", heißt es in der Zusammenfassung des Berichts. "Selbst bei einem idealen Projektablauf muss damit gerechnet werden, dass das Verfahren erst im Jahr 2074 abgeschlossen werden kann." Im realen Verfahren sei jedoch ein weniger idealer Verlauf zu erwarten, wie die Risikoanalyse des Vorhabens erkennen lasse.

Das gegenwärtige Verfahren ist zu umständlich und zeitaufwendig

Der wesentliche Grund für die Verzögerung ergibt sich der Studie zufolge aus dem überaus umständlichen und zeitaufwendigen Verfahren bei der Standortsuche für das Endlager. Vor allem drohe die Gefahr, dass eine hohe Anzahl von Standortregionen vorgeschlagen wird, was wiederum verschiedene Folgerisiken nach sich ziehe:

"Zum einen müssen proportional zur Anzahl der Standortregionen Regionalkonferenzen (RK) eingerichtet werden. Mit der Erhöhung der Anzahl an RK wächst unter anderem die Wahrscheinlichkeit für Konflikte und Verzögerungen durch inhaltliche Rückfragen, wissenschaftliche Klärungsbedarfe und Verfahrensunklarheiten an. Mit steigender Anzahl der Standortregionen steigt auch der Aufwand für die Vorbereitung und Bearbeitung der Nachprüf- und Stellungnahmeverfahren sowie für die Erörterungstermine insgesamt, die pro Standortregionen durchgeführt werden müssen. Die Berücksichtigung aller Ergebnisse aus der höheren Anzahl dieser Termine ruft zusätzlich vermehrte Aufwände bei der Vorhabenträgerin und andererseits einen erhöhten Prüfaufwand bei der Regulierungs- und Aufsichtsbehörde hervor."

Das Bundesamt hatte im April 2020 das "Öko-Institut"mit der Erstellung der Studie zur "Unterstützung des BASE bei der Prozessanalyse des Standortauswahlverfahrens" beauftragt. Sechs der insgesamt neun Autoren sind Mitarbeiter des Öko-Instituts. Drei sind für die Kanzlei Becker-Büttner-Held tätig, die als Unterauftragnehmer hinzugezogen wurde.

Durch den nunmehr veröffentlichten Schlussbericht sieht der Auftraggeber wesentliche Aspekte seiner bereits im Februar 2023 veröffentlichten Stellungnahme "Ein Endlager für hochradioaktive Abfälle - generationenübergreifende Sicherheit" (PDF) bestätigt. Darin war das Bundesamt zu der Schlussfolgerung gekommen, dass eine Evaluierung des Standortauswahlverfahrens im Einklang mit der gesetzlich verankerten Forderung nach einem lernenden Verfahren notwendig sei. Auch mit Blick auf die hohe Komplexität des Verfahrens bleibe das BASE bei seiner Forderung, sich spätestens 2046 auf ein Endlager festzulegen und diese Jahreszahl als "Benchmark im Endlagersuchprozess zu setzen".

FAZ macht Antiatombewegung für Verzögerungen verantwortlich

Die noch immer um eine Neubelebung der Kernenergie in Deutschland bemühte "Frankfurter Allgemeine" (8.8.) nahm die Nachricht von der weiteren Verzögerung der Endlagersuche mit sichtlichem Unbehagen auf. Den Schuldigen entdeckte sie dann aber nicht in den Verursachern des hochradioaktiven Mülls, sondern in der "ganzen Widersprüchlichkeit der Antiatombewegung inner- und außerhalb der Regierung", die sich schon "beim künstlichen Totreden der Kernkrafterzeugung" gezeigt habe. In der Endlagerdebatte wiederhole sich diese "Bigotterie". Mit dem Vorwurf der Scheinheiligkeit will das Blatt anscheinend insinuieren, dass einflußreiche KKW-Gegner ein Interesse daran hätten, den hochradioaktiven Müll nicht schneller unter der Erde verschwinden zu lassen: "Die Verantwortlichen haben zwar Angst vor dem Weiterbetrieb von Kernkraftwerken und vor unzulänglichen Endlagern, aber nicht davor, den strahlenden Müll weitere Jahrzehnte lang auf der Erdoberfläche abzustellen. Dort ist er näher dran an der Bevölkerung und viel exponierter als unter Tage, übrigens auch für Flugzeugabstürze oder Terroranschläge." (zur "Atomkraft?Ja bitte!"-Agitation der FAZ siehe auch Hintergrund, Juni 2022, und Hintergrund, April 2023)

 

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