Oktober 2020

201002

ENERGIE-CHRONIK


Gorleben scheidet als Endlager aus

Der Salzstock Gorleben kommt bei der Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle nicht länger in Betracht. Dies ergibt sich aus dem "Zwischenbericht Teilgebiete", den die Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE) am 28. September veröffentlichte (siehe PDF). Er enthält die Ergebnisse der ersten Auswertung von bereits existierenden geologischen Daten über den Untergrund Deutschlands. Das Ergebnis sind zum einen solche Gebiete, die eine günstige geologische Gesamtsituation erwarten lassen, und zum anderen solche Gebiete, die für die Endlagerung von hochradioaktiven Abfällen ungeeignet sind. Zur zweiten Kategorie gehört nun auch Gorleben, wo es faktisch bereits ein leerstehendes Endlager gibt, das bis 2012 unter Milliardenaufwand errichtet und formal als "Erkundungsbergwerk" deklariert wurde.

Der Salzstock Gorleben sei nach Anwendung der geowissenschaftlichen Abwägungskriterien gemäß § 24 des Standortauswahlgesetzes kein Teilgebiet geworden, heißt es in dem Zwischenbericht. Damit greife die Regelung des § 36 Abs. 1 S. 5 Nr.1, wonach er aus dem Verfahren ausgeschlossen wird. Gorleben werde daher bei den weiteren Arbeiten der BGE zu den Vorschlägen über die Standortregionen nicht betrachtet.

Der Salzstock würde sich zwar eignen, aber das Deckgebirge ist zu dünn

Der 444 Seiten umfassende Zwischenbericht enthält ansonsten keine näheren Ausführungen zu Gorleben. Die Begründung für den Ausschluss des Salzstocks bei der Endlagersuche findet man vielmehr in einem separaten Bericht, der auf 47 Seiten im Detail erläutert, weshalb der Ausschluss nach § 36 in korrekter Weise erfolgte (siehe PDF). Demnach sind zwar die Kriterien für das Steinsalz als Wirtsgestein überwiegend als günstig einzustufen. Die Bewertung von dessen Schutz durch das Deckgebirge fällt aber durchweg ungünstig aus, was zu der Gesamtbewertung "nicht günstig" und zum Ausschluss bei der weiteren Suche führt.

Der Umstand, dass unter dem unzureichenden Deckgebirge ein fast vollendetes Endlager existiert, wurde bei der Gesamtbewertung in keiner Weise berücksichtigt und darf nach dem Standortauswahlgesetz auch keine Rolle spielen, denn in dem erwähnten Paragraphen heißt es ausdrücklich: "Der Umstand, dass für den Standort Gorleben Erkenntnisse aus der bisherigen Erkundung vorliegen, darf ebenso wenig in die vergleichende Bewertung einfließen wie der Umstand, dass für den Standort Gorleben bereits Infrastruktur für die Erkundung geschaffen ist."

Gorleben wurde vor allem unter politischen Gesichtspunkten ausgewählt

Der Befund lässt sich als nachträgliche Bestätigung dafür werten, dass der Salzstock Gorleben keineswegs jener optimale Standort war, als der er gern präsentiert wurde. Entscheidend für die Auswahl war vielmehr, daß Gorleben sich in einem entlegenen Winkel der damaligen Bundesrepublik befand, im sogenannten Zonenrandgebiet an der Grenze zur damaligen DDR. In dieser dünnbesiedelten Region waren kaum Proteste zu erwarten. Man konnte das Großprojekt sogar als Wirtschaftsförderung für das Zonenrandgebiet darstellen. Proteste aus der DDR waren auch nicht zu erwarten, denn dort war man schon ein bißchen früher ebenfalls auf die Idee gekommen, die schwach- bis mittelaktiven Abfälle dicht an der Grenze zum Nachbarn unter die Erde zu verfrachten; und zwar im ehemaligen Kali- und Salzbergwerk "Bartensleben" bei Morsleben, das sich rund hundert Kilometer südlich von Gorleben befindet. Der niedersächsische Ministerpräsident Albrecht soll Gorleben sogar mit Blick auf Morsleben ausgewählt und als Retourkutsche betrachtet haben.

Das Endlager mit dem unsicheren Deckgebirge wäre inzwischen wohl auch längst in Betrieb genommen worden. Das politische Kalkül ging aber nicht auf, weil man den zunehmenden Widerstand gegen die Kernkraftwerke und ihr Zubehör unterschätzt hatte. Der Protest gegen das Endlager Gorleben begann mit der 1977 gegründeten "Bäuerlichen Notgemeinschaft Lüchow-Dannenberg" und hielt über vier Jahrzehnte an, bis er mit dem 2017 beschlossenen zweiten Standortauswahlgesetz am Ende doch erfolgreich war (siehe Hintergrund, März 2017).

 

Links (intern)

Links (extern, ohne Gewähr)