Juni 2024

240602

ENERGIE-CHRONIK


Verhandlungen über Kauf der deutschen TenneT durch den Bund sind gescheitert

Die Verhandlungen über einen Komplettverkauf des deutschen Übertragungsnetzbetreibers TenneT TSO an die bundeseigene KfW-Bank sind gescheitert. Dies teilte der niederländische Finanzminister Steven van Weyenberg am 20. Juni in einem Brief an das Parlament mit. Parallel dazu veröffentlichte der niederländische Staatskonzern TenneT eine entsprechende Pressemitteilung. Darin hieß es, dass die Bundesregierung die Beendigung der Verhandlungen am selben Tag der niederländischen Regierung mitgeteilt und damit begründet habe, "dass sie die geplante Transaktion aufgrund von Haushaltsproblemen nicht durchführen kann".

Lindner beharrte auf seiner restriktiven Haushaltspolitik

Für den Kauf von Tennet hätte die KfW mehr als 20 Milliarden Euro zahlen müssen. Der Bundeshaushalt wäre insoweit nicht direkt belastet worden, sondern nur mit den Finanzierungskosten. Dem Vernehmen nach hätte es sich um "dreistellige Millionenbeträge jährlich" gehandelt. Aber auch die wollte der Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) nicht akzeptieren, auf dessen überaus restriktive Haushaltspolitik das Scheitern der Verhandlungen offenbar zurückzuführen ist.

Laut van Weyenberg hatten die Verhandlungen vor gut eineinhalb Jahren auf Wunsch der Bundesregierung begonnen. Bundesregierung und KfW äußerten sich zu der Angelegenheit nicht. Als Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) während seiner Asienreise dazu angesprochen wurde, bedauerte er lediglich, dass es nicht gelungen sei, eine Lösung zu finden. Der niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) übte dagegen deutliche Kritik, indem er gegenüber dem "Handelsblatt" erklärte: "Der Netzausbau ist eine Aufgabe von nationaler Bedeutung und die Gespräche mit unseren niederländischen Nachbarn waren weit vorangeschritten. Hier droht eine große Chance zu zerplatzen."

Die "Deutsche Netz AG" ist wieder in weite Ferne gerückt

Mit der Beendigung der Verhandlungen über einen Komplettverkauf lässt sich die Bundesregierung in der Tat die Chance entgehen, den größten der vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber zu erwerben, dessen Netzgebiet von den Alpen bis in die Nordsee reicht. Zumindest perspektivisch hätte dieser dann den Kern einer "Deutschen Netz AG" bilden können, wie sie vom ersten Präsidenten der Bundesnetzagentur schon 2008 vorgeschlagen wurde (080710). In der EU ist Deutschland der einzige Staat, der keinen nationalen Übertragungsnetzbetreiber hat, sondern sich den Luxus von vier solchen Unternehmen leistet. Da deren Geschäft einschließlich des damit erzielten Gewinns sowieso reguliert werden muss, wäre es schon immer sinnvoll gewesen, das gesamte deutsche Übertragungsnetz durch ein einziges Unternehmen betreiben zu lassen, das der öffentlichen Hand gehört. Die Politik begnügte sich dann aber damit, die aus den früheren Verbundunternehmen hervorgegangenen Übertragungsnetzbetreiber zur unerläßlichen technischen Kooperation zu zwingen, damit die Netzkosten nicht unnötig hoch werden (081005, 100301,111116). Drei der vier Energiekonzerne, denen damals das Höchstspannungsnetz gehörte – nämlich E.ON, RWE und Vattenfall – verkauften dann ihre Netzbetreiber zu Schnäppchenpreisen, weil ihnen die regulierten Gewinnmargen zu gering waren und sie sich höhere Profite in den Bereichen Erzeugung und Stromhandel versprachen. Nur die EnBW verkaufte ihren Übertragungsnetzbetreiber TransnetBW nicht, und RWE behielt eine Minderheitsbeteiligung an Amprion (siehe Hintergrund, November 2023).

Eventuell kommt es zu einer weiteren Minderheitsbeteiligung des Bundes am Netzbetrieb

Allerdings wäre es noch immer möglich, dass der Bund bzw. die KfW im Rahmen einer anderen Lösung wenigstens eine Minderheitsbeteiligung an der deutschen TenneT-Tochter erwirbt, wie das bereits bei 50Hertz (180709) und TransnetBW (231108) geschehen ist. Laut Habecks Staatssekretär Philipp Nimmermann bleibt die Bundesregierung an einer strategischen Minderheitsbeteiligung interessiert, da die TenneT TSO eine wichtige Rolle für die Energiewende spiele. Man stehe weiterhin im engen Austausch mit der niederländischen Regierung. Die Tennet-Holding kündigte an, dass sie nun die Inanspruchnahme öffentlicher oder privater Kapitalmärkte vorbereite, um eine strukturelle Finanzierungslösung für ihre deutschen Aktivitäten zu finden. Die Bundesregierung sei bereit, solche "alternativen Lösungen" zu unterstützen.

 

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