Februar 2024 |
240203 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der von Wissing entlassene Klaus Bonhoff (ganz rechts) fungierte bis 2009 als Sprecher der Nationalen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NOW), für die er auch auf diesem Foto noch posierte, obwohl er bereits ins Verkehrsministerium gewechselt war. Um den Daimler-Chef Dieter Zetsche (Mitte) gruppieren sich als weitere Vertreter der Initiative "H2-Mobility" v.l.n.r. Peter Blauwhoff (Shell), Michel Mallet (Total), Udo Bekker (Vattenfall Europe), Wolfgang Reitzle (Linde), Wolfgang Tiefensee (Bundesverkehrsminister), Hans-Peter Villis (EnBW) und Dieter Tuppinger (OMV). (Siehe 090905) Pressefoto Daimler |
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hat am 15. Februar den Leiter der Abteilung Grundsatzangelegenheiten, Klaus Bonhoff, fristlos entlassen. "Das nötige Vertrauensverhältnis besteht nicht mehr fort", hieß es zur Begründung. Zugleich hat er den Leiter des Referats "Wasserstoff und Brennstoffzellen in der Mobilität" mit sofortiger Wirkung abgelöst und in die Eisenbahnabteilung versetzt. Die Bewilligung neuer Fördergelder für Wasserstoffprojekte wurde vorerst gestoppt.
Wissing reagierte damit auf Vorwürfe, die seit mehr als einem halben Jahr bekannt waren, aber von der Innenrevision seines Hauses nur unzureichend aufgeklärt bzw. von Mitarbeitern vertuscht worden sind. Und zwar geht es um den Verdacht, dass Gelder für die Wasserstoff-Förderung unter Wissings Amtsvorgänger Andreas Scheuer aufgrund von persönlichen Beziehungen in sachfremder Weise verausgabt und dadurch veruntreut wurden. Der CSU-Politiker Scheuer, der in der letzten schwarz-roten Koalition seit 2018 das Verkehrsministerium leitete, war während seiner Amtszeit wiederholt durch besondere Unfähigkeit und Geldverschwendung aufgefallen. Er gilt seitdem als Musterfall einer politisch erzwungenen Fehlbesetzung (211210).
Aber auch für Wissing wurde die nachträglich aufgedeckte Affäre riskant, nachdem sie unter seiner Verantwortung fast vertuscht statt aufgeklärt worden wäre. "Minister Wissing hat sein Haus nicht im Griff", erkärte nun der CSU-Bundestagsabgeordnete Ulrich Lange. "Klar ist: die FDP-Hausleitung ist völlig überfordert, und im Verkehrsministerium herrscht Chaos."
In ihrem Abschlussbericht vom 7. Dezember 2023 war die Innenrevision des Ministeriums nach monatelangen Ermittlungen zu dem Ergebnis gelangt, dass die erhobenen Vorwürfe nicht zuträfen. Anfang Februar stellte sich indessen heraus, dass die Aufklärer etliche belastende Dokumente und eine große Menge von anderem, noch ungesichtetem Material erst gar nicht zu Gesicht bekommen hatten. Der düpierte Minister und der von ihm mit der Aufklärung beauftragte Staatssekretär Stefan Schnorr widerriefen deshalb den entlastenden Befund und kündigten die Wiederaufnahme der Untersuchung an. Zugleich feuerte Wissing den Abteilungsleiter Bonhoff, der seit August 2019 die Grundsatzabteilung des Ministeriums leitete, nachdem er zuvor über elf Jahre lang als Sprecher der Nationalen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NOW) fungiert hatte. Bonhoff wurde seinerzeit von Andreas Scheuer als politischer Beamter berufen und kann deshalb jederzeit entlassen werden.
Die Affäre fing damit an, dass das "Handelsblatt" im Juli vorigen Jahres über mutmaßliche persönliche Beziehungen des Leiters der Grundsatzabteilung im Verkehrsministerium zum Vorstandsvorsitzenden des Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellenverbands (DWV) sowie zu einem bayerischen Unternehmer berichtete. Namen wurden zunächst nicht genannt. Es war indessen unschwer feststellen, dass es sich beim Leiter der Grundsatzabteilung um Klaus Bonhoff und beim DWV-Vorstandsvorsitzenden um Werner Diewald handelte. Mit dem bayerischen Unternehmer war der ehrenamtliche DWV-Präsident Oliver Weinmann gemeint, der bis Juli 2022 Geschäftsführer der Vattenfall Innovation GmbH war und über eine ihm gehörende Firma an der Errichtung des Technologie-Anwenderzentrums Wasserstoff (WTAZ) im bayerischen Pfeffenhausen beteiligt ist.
Nach den damaligen Angaben des "Handelsblatts" hatten der Lobbyverband DWV sowie Firmen des Unternehmers Weinmann insgesamt rund 28 Millionen Euro an Subventionen bekommen, die aus dem von Bonhoff verantworteten "Nationalen Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie" stammten. Diese fragwürdigen Zuwendungen könnten auch damit zu tun haben – so der Verdacht – , dass der Subventions-Verteiler und die Subventions-Empfänger miteinander befreundet und gemeinsam in Skiurlaub gefahren seien.
In einem weiteren Artikel, der im September erschien, glaubte das "Handelsblatt" außerdem feststellen zu können, dass Bonhoff den schmückenden Titel eines Honorarprofessors in verdächtig kurzer Zeit von der Technischen Universität Hamburg verliehen bekommen habe: Die Hochschule erhalte ihrerseits Aufträge vom Ministerium und von der bundeseigenen Projektgesellschaft NOW, deren Sprecher Bonhoff einst war. Diese Darstellung zog das Blatt allerdings zurück, nachdem die TU Hamburg versichert hatte, bei der Verleihung des dekorativen Titels die üblichen Fristen und andere Regularien eingehalten zu haben.
Nicht belegbar war außerdem die Behauptung, dass Bonhoff auch mit Oliver Weinmann eng befreundet und mit diesem in Skiurlaub gefahren sei. Hier handelte es sich wohl um einen voreiligen Schluss des Rechercheurs, weil Bonhoff auf eine Anfrage zu möglichen Freundschaften nicht reagierte und Weinmann auf Nachfrage nur erklärt hatte, dass er grundsätzlich keine Auskunft zu seinen persönlichen Bekanntschaften gebe. Das "Handelsblatt" musste deshalb seinen bisherigen Berichten nachträglich eine weitere Korrektur hinzufügen: "Herr Prof. Dr.-Ing. Bonhoff ist nach uns nunmehr vorliegenden Erkenntnissen mit dem bayerischen Unternehmer weder befreundet noch mit diesem in einen gemeinsamen Urlaub gefahren. Auch den Verdacht, dass die Fördermittelvergabe an diesen bayerischen Unternehmer auf privaten Freundschaften von Herrn Prof. Dr.-Ing Bonhoff beruhte, halten wir vor diesem Hintergrund nicht weiter aufrecht."
Damit köchelte die Affäre nur noch auf kleiner Flamme und schien sich mit dem entlastenden Befund der Innenrevision ganz erledigt zu haben. Das änderte sich jedoch Anfang Februar, als der "Spiegel" vom Verkehrsministerium unverhofft etliche Dokumente erhielt, die er unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz schon vor Monaten angefordert hatte. Sie bestätigten die vom "Handelsblatt" erhobenen Vorwürfe zumindest hinsichtlich der Beziehung zwischen Bonhoff und dem DWV-Chef Diwald: Die beiden waren eben nicht nur Duz-Freunde und gemeinsam in Ski-Urlaub gefahren. Aus den neuen Belegen ging klar hervor, dass Bonhoff sich durchaus aktiv dafür eingesetzt hatte, die Fachkommission HyMobility des Lobbyverbands DWV mit 1,4 Millionen Euro zu fördern.
"Die vermeintlich neuen Dokumente sind dem BMDV bekannt", erklärte ein Sprecher des Verkehrsministeriums zunächst, bis man dort begriff, dass es sich tatsächlich um neues Material handelte. Da diese Dokumente zuvor der Innenrevision vorenthalten wurden, erfolgte ihre Herausgabe an die Presse durch das Referat Informationsfreiheitsgesetz offenbar ohne vorherige Abstimmung mit anderen Abteilungen. So erfuhr die Ministeriumsspitze erst durch die Veröffentlichung im "Spiegel" am 6. Februar, dass es noch rund 14 Gigabyte an ungesichtetem Datenmaterial zu den fraglichen Vorgängen in der Endphase der schwarz-roten Regierung gibt. Allein die Anzahl der E-Mails soll in die Tausende gehen.
Die Subventionierung des Lobbyverbands HySolar mit 1,4 Millionen Euro scheint dabei eher einer der kleinen Beträge zu sein. Wie der Staatssekretär Schnorr am 15. Februar mitteilte, sollen außerdem vier weitere Einzelförderungen in Höhe von insgesamt 25,9 Millionen Euro überprüft werden. Zu den suspekten Subventionen gehören 11,3 Millionen Euro, die dem bayerischen Autokonzern BMW gewährt wurden, um Verbrennungsmotoren so umzubauen, dass sie mit Wasserstoff betrieben werden können. Diese Subvention war auf Drängen des damaligen Verkehrsministers Scheuer bewilligt worden, obwohl seine Fachabteilung davon abgeraten hatte, da solche Motoren einen schlechteren Wirkungsgrad und höheren Wasserstoffverbrauch haben als Elektrofahrzeuge, die ihren Strom über Brennstoffzellen aus Wasserstoff beziehen.
Nochmals überprüft wird auch die Geldvergabe im Zusammenhang mit dem Technologie-Anwenderzentrum
Wasserstoff (WTAZ) in Pfeffenhausen in Niederbayern, an dessen Errichtung eine
Firma des DWV-Präsidenten Oliver Weinmann beteiligt ist. Dieses WTAZ gehört
zum sogenannten Innovations- und Technologiezentrum Wasserstoff (ITZ), das Scheuer
2021 initiierte und das an vier Standorten in Bayern, Sachsen, Rheinland und
Norddeutschland mit vorerst 400 Millionen Euro aus Bundesmitteln bezuschusst
werden sollte. Inzwischen hat Wissing den Förderungsrahmen auf 290 Millionen
Euro gekürzt. Der auf das Projekt in Pfeffenhausen entfallende Teilbetrag von
72,5 Millionen Euro wurde aber mit Bonhoffs Unterstützung bereits bewilligt.