November 2022 |
221113 |
ENERGIE-CHRONIK |
Das Bundesverfassungsgericht hat einen Passus des Thüringer Waldgesetzes für nichtig erklärt, der den Bau von Windkraftanlagen in Waldgebieten ausnahmslos verbietet. Die seit 2021 geltende Regelung war von mehreren Waldbesitzern angegriffen worden, die sich in ihrem Eigentumsrechten aus Artikel 14 des Grundgesetzes verletzt fühlten. Das Gericht gab ihrer Verfassungsbeschwerde deshalb statt, weil dem Land Thüringen die Gesetzgebungskompetenz zu einem solchen Eingriff in die Eigentumsrechte gefehlt habe und dieser Eingriff deshalb bereits formell verfassungswidrig sei. Rechtlich sei die angegriffene Vorschrift nämlich nicht dem Bereich von Naturschutz und Landschaftspflege zuzuordnen, in dem die Länder grundsätzlich auch vom Bundesrecht abweichende Regelungen treffen dürfen, sondern dem Bodenrecht. In diesem Bereich habe aber der Bund bereits von seiner Zuständigkeit abschließend Gebrauch gemacht. Insbesondere sei dies durch die bauplanungsrechtliche Privilegierung von Windenergieanlagen im Außenbereich geschehen.
Der am 27. September gefasste Beschluss, der am 10. November veröffentlicht wurde (1 BvR 2661/21), beanstandet den zweiten Satz in § 10 Absatz 1des Thüringer Waldgesetzes, der bisher folgendermaßen lautet:
§ 10 Änderung der Nutzungsart
(1) Wald darf nur nach vorheriger Genehmigung der unteren Forstbehörde in eine andere Nutzungsart umgewandelt werden (Änderung der Nutzungsart). Eine Änderung der Nutzungsart zur Errichtung von Windenergieanlagen ist nicht zulässig. Die Genehmigung erfolgt im Einvernehmen mit der unteren Naturschutzbehörde und nach Anhörung der oberen Landesplanungsbehörde. Soll die Fläche nachfolgend landwirtschaftlich genutzt werden, ergeht die Genehmigung darüber hinaus im Einvernehmen mit der oberen Landwirtschaftsbehörde.
Die Vorschriften zur bauplanungsrechtlichen Privilegierung in § 35 Abs. 1 Nr. 5 des Baugesetzbuchs ermöglichen nach Feststellung des Gerichts keine pauschalen landesrechtlichen Verbote von Windenergieanlagen im Wald. Schon eine äußerliche Betrachtung widerlege eine solche Auslegung. Inhaltlich spreche gegen eine derartige Interpretation auch – so heißt es im Leitsatz des Urteils – "dass der Ausbau der Nutzung der Windkraft einen faktisch unverzichtbaren Beitrag zu der verfassungsrechtlich durch Art. 20a GG und durch grundrechtliche Schutzpflichten gebotenen Begrenzung des Klimawandels leistet und zugleich die Sicherung der Energieversorgung unterstützt".
Das Urteil macht ferner darauf aufmerksam, dass ein nennenswerter Teil des Waldes, der in Thüringen rund 34 Prozent der Landesfläche bedeckt, aus sogenannten Kalamitätsflächen besteht, bei denen eine forstwirtschaftliche Nutzung wegen Waldschäden, etwa aufgrund von Sturmfolgen oder Schädlingen, nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich ist. Auch für diese geschädigten Waldbestände und Kahlflächen gilt das nunmehr für nichtig erklärte Verbot. Etliche der Kläger sind Eigentümer solcher Grundstücke und wollen die Neubepflanzung mit der Errichtung von Windkraftanlagen verbinden.
r?