April 2022

220409

ENERGIE-CHRONIK


 

Bei Windkraft an Land ist der Zubau seit 2018 stark rückläufig. Er müsste in diesem und den beiden folgenden Jahren insgesamt 13 Gigawatt betragen, um das im neuen EEG vorgesehene Ausbauziel von insgesamt 69 GW zu erreichen. Das entspräche pro Jahr etwa 4,3 MW und damit knapp dem 2016 erreichten Kapazitätszuwachs. Bis 2030 soll die installierte Gesamtleistung dann auf rund 115 GW steigen. Dies würde ab 2025 einen jährlichen Zubau von durchschnittlich 7,7 GW voraussetzen. Die dafür erforderliche Trendwende ist indessen bisher nicht in Sicht, wie der noch immer kümmerliche Zubau im Januar/Februar in dieser Grafik zeigt. Auch im gesamten ersten Quartal 2022 wurde er mit 381 MW nicht viel besser und blieb sogar um 29 Prozent hinter dem Vorjahresergebnis zurück.

Ausbau der Erneuerbaren ist künftig von "überragendem öffentlichen Interesse"

Das Bundeskabinett verabschiedete am 6. April ein umfangreiches "Osterpaket" zur Novellierung des Energierechts, mit dem sich nun der Bundestag befassen wird. Es besteht aus drei Artikelgesetzen zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), des Wind-auf-See-Gesetzes (WindSeeG) und des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG). Einschließlich der Begründungen umfassen die drei Novellierungen 553 Seiten mit insgesamt 28 Artikeln, wobei außer den drei genannten Gesetzen zahlreiche weitere Vorschriften geändert werden. Zu den wichtigsten Punkten gehört eine Neuformulierung in § 2 EEG, wonach künftig der Ausbau der Erneuerbaren "im überragenden öffentlichen Interesse" liegt, der "öffentlichen Sicherheit" dient und "als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden" muss.

Wind-an-Land-Gesetz wird später vorgelegt

Diese gesetzliche Priorisierung der Erneuerbaren soll es künftig erleichtern, unnötige Hindernisse und Verzögerungen beim Zubau von Grünstrom-Anlagen zu vermeiden. Allerdings wird das noch nicht ausreichen, um dem seit 2018 stark rückläufigen Zubau von Windkraftanlagen an Land zu neuem Schwung zu verhelfen (siehe Hintergrund, November 2019). Speziell zu dieser Problematik will das Kabinett bis zum Sommer noch ein "Wind-an-Land-Gesetz" beschließen. Es soll zwei Prozent der Landesfläche für Windenergie reservieren, den Windenergieausbau mit dem Artenschutz vereinbaren und die Voraussetzungen für zügigere Planungs- und Genehmigungsverfahren schaffen (220104). Am 4. April hat die Regierung in einem Eckpunktepapier schon mal dargelegt, wie sie den "naturverträglichen Ausbau der Windenergie an Land beschleunigen" will (siehe PDF). Außerdem kam es zu einer Vereinbarung über die im Koalitionsvertrag vorgesehene Verkürzung der Abstände, die Windkraftanlagen zu Drehfunkfeuern und Wetterradaren einzuhalten haben (220412).

"Energiesouveränität ist zu einer Frage der nationalen Sicherheit geworden"

Die Dringlichkeit eines Umbaues der Energiewirtschaft wird nun noch stärker betont als in der "Eröffnungsbilanz Klimaschutz", die Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck im Januar vorgelegt hat (220104). Der Grund dafür ist die neue Situation, die sich durch den russischen Überfall auf die Ukraine ergeben hat: "Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine markiert eine Zeitenwende für die Energieversorgung in Deutschland", heißt es in der Begründung für die EEG-Novellierung. "Energiesouveränität ist zu einer Frage der nationalen und europäischen Sicherheit geworden. Die mit diesem Gesetz forcierte Beschleunigung des Ausbaus der erneuerbaren Energien ist daher auch in Anbetracht der aktuellen Krise in Europa geopolitisch und ökonomisch geboten."

Bis 2030 sollen mindestens 80 Prozent des deutschen Stroms aus erneuerbaren Quellen stammen

SPD, Grüne und FDP wollen mit dem Gesetzespaket die energiepolitischen Ziele umsetzen, die sie im Koalitionsvertrag vom November 2021 vereinbart haben (211101). Demzufolge soll der Anteil der Erneuerbaren an der Stromerzeugung, der 2021 bei 42 Prozent lag, bis 2030 auf mindestens 80 Prozent steigen. Da zugleich ein erheblicher Anstieg des Stromverbrauchs zu erwarten ist, müsste die regenerativ erzeugte Strommenge dann ungefähr 600 Terawattstunden betragen. Das wären zwanzig Terawattstunden mehr als die gesamte deutsche Bruttostromerzeugung im Jahr 2021 betrug. Bei der Windenergie an Land soll deshalb der jährliche Zubau an Nennleistung ab 2025 bis auf 10 Gigawatt erhöht werden, und bei der Solarenergie ab 2026 bis auf 22 Gigawatt. Bis 2030 würde so bei eine installierte Kapazität von rund 115 Gigawatt Windstrom und 215 Gigawatt Solarstrom erreicht.

Der "atmende Solardeckel" wird endlich beseitigt

Die Rahmenbedingungen für die Solarenergie werden durch ein Bündel an Einzelmaßnahmen verbessert. Der sogenannte "atmende Solardeckel", der bisher die Festvergütungen schneller sinken lässt als die Stromgestehungskosten (210802), wird endlich beseitigt. Neue Dachanlagen außerhalb der Ausschreibungen erhalten künftig eine höhere Förderung, wenn sie ihren Strom vollständig ins Netz einspeisen, . Der Bundesverband Solarwirtschaft sieht darin freilich eine Benachteiligung von "Prosumern", die den Strom teilweise selbst verbrauchen und für die es bei der alten Regelung bleibt. Die Degression der gesetzlich festgelegten Vergütungssätze wird bis Anfang 2024 ausgesetzt und dann auf eine halbjährliche Degression umgestellt. Bei Freiflächenanlagen kommen als neue Kategorien Agri-PV, Floating-PV und Moor-PV hinzu.

Windparks auf See werden nur noch für Differenzverträge oder PPAs vergeben

Die Ausbauziele für Windenergie auf See werden auf Basis der Koalitionsvereinbarungen ebenfalls angehoben: Auf mindestens 30 Gigawatt bis 2030, mindestens 40 Gigawatt bis 2035 und mindestens 70 Gigawatt bis 2045. Zugleich werden die Ausschreibungsmengen entsprechend vergrößert. Für zentral voruntersuchte Flächen bekommt den Zuschlag künftig derjenige Bieter mit dem geringsten anzulegenden Wert für einen Differenzvertrag mit zwanzigjähriger Laufzeit (200605). Außerdem werden nun auch nicht zentral voruntersuchte Flächen ausgeschrieben. In diesem Fall muss der Bieter bestimmte qualitative Kriterien erfüllen und ergänzend ein Zahlungsgebot machen, um den Zuschlag zu erhalten. Die qualitativen Kriterien sind der Abschluss eines Power Purchase Agreements (PPA), der Energieertrag der Anlagen, die Vereinbarkeit mit Natur- und Artenschutz und die Recyclingfähigkeit der Rotorblätter. Die Einnahmen aus den gebotenen Zahlungen fließen zu 70 Prozent in die Offshore-Netzumlage, zu 20 Prozent in den Naturschutz und zu 10 Prozent in die umweltschonende Fischerei. Die Vermarktung des Stroms erfolgt über PPAs. Die Strommengen können damit als Grünstrom für die Dekarbonisierung der Industrie uneingeschränkt anerkannt werden (220110).

EEG-Umlage für Stromverbraucher entfällt ab 2023 ganz

Die Erneuerbaren-Förderung wird ab 2023 nicht mehr über die Stromrechnungen finanziert, sondern aus dem "Energie- und Klimafonds". Die Ermittlung der Kosten erfolgt wie bisher über das von den Übertragungsnetzbetreibern geführte EEG-Konto. Weitere Einzelheiten regelt das neue "Energie-Umlagen-Gesetz", das als Artikel 3 der EEG-Novelle 68 Paragraphen umfasst. Außerdem werden die Verbraucher schon ab 1. Juli für das zweite Halbjahr faktisch ganz von der Zahlung der aktuellen EEG-Umlage befreit, wie das der Koalitionsausschuss im Februar vereinbart hat (220206) und am 9. März auch vom Kabinett beschlossen wurde. Dies geschieht durch eine Senkung des bereits ermäßigten Satzes von 3,723 Cent pro Kilowattstunde auf null, die der Bundestag am 28. April durch eine vorgezogene Novellierung des EEG beschlossen hat (220410).

 

Links (intern)

Link (extern, ohne Gewähr)