Juni 2021

210610

ENERGIE-CHRONIK


Herkunftsnachweise genügen für das Kriterium "Grüner Wasserstoff"

Mit der Novellierung der Erneuerbare-Energien-Verordnung (EEV) befolgte der Bundestag am 24. Juni den im EEG 2021 enthaltenen Auftrag, bis spätestens 30. Juni eine "Verordnungsermächtigung zu Anforderungen an Grünen Wasserstoff" vorzulegen (§ 93 und § 96). Somit kann ab der zweiten Jahreshälfte der Strom zur elektrolytischen Herstellung von "grünem Wasserstoff" von der EEG-Umlage befreit werden, denn nach § 69b EEG ist das Inkrafttreten der novellierten EEV die Voraussetzung dafür.

Die jetzige Verordnung soll "unverzüglich überarbeitet werden, nachdem die Europäische Union für einen oder mehrere Wasserstoff-Nutzungspfade die Anforderungen an Grünen Wasserstoff definiert hat". Das wäre besonders mit Blick auf die Definition des Begriffs "Grüner Wasserstoff" wünschenswert, denn nach dem jetzigen Stand genügen zur Erfüllung dieses Kriteriums bereits sogenannte Herkunftsnachweise, wie sie üblicherweise zur Etikettierung von "Ökostrom" verwendet werden. Um zu verhindern, dass damit auch dieselbe Augenwischerei betrieben wird, soll das Verfahren lediglich etwas modifiziert werden. Vom Erlass entsprechender EU-Vorgaben ist allerdings nicht unbedingt eine bessere Lösung zu erwarten. Es ist sogar zu befürchten, dass der umgekehrte Fall eintritt und das fragwürdige deutsche Modell europaweit verbindlich wird.

Direktversorgung von Elektrolyseuren mit reinem Grünstrom ist zwar möglich, aber nicht unbedingt sinnvoll

Die nun mit den §§ 12h - 12l EEV vorliegenden amtlichen Anforderungen sehen das Kriterium für die Eigenschaft "grüner Wasserstoff" in der ausschließlichen Verwendung von Strom aus erneuerbaren Energien zur Herstellung dieses Energieträgers. Diese Sichtweise ist grundsätzlich richtig, weil Wasserstoff nur in dem Maße klimaunschädlich ist, wie er auf elektrolytischem Wege mit Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt wird (siehe Hintergrund, Juni 2020). Der deutsche Netzstrom stammt gegenwärtig aber nur etwa zur Hälfte aus erneuerbaren Quellen. In letzter Konsequenz würde deshalb eine garantiert nur auf Grünstrom basierende Herstellung von Wasserstoff immer Direktleitungen zwischen Elektrolyseuren und Erneuerbaren-Stromquellen voraussetzen. Diese Möglichkeit wird in § 12i Abs. 2 zwar erwähnt, aber nur an zweiter Stelle. In der Praxis ist sie auch die Ausnahme und nicht unbedingt eine optimale Lösung. In der Regel werden Elektrolyseure schon deshalb ins Netz eingebunden, um die dort periodisch anfallenden Überschüsse an Grünstrom für die Herstellung von Wasserstoff preisgünstig abschöpfen zu können. Das lässt sich nicht mit Direktleitungen verwirklichen. Selbst netzbasierte Lieferverträge mit mehreren Lieferanten würden da sehr schnell an Grenzen stoßen.

Herkunftsnachweise dienen im Grunde rein kosmetischen Zwecken

Die Verordnung glaubt eine praktikable Ersatzlösung gefunden zu haben, indem sie die amtliche Anerkennung als grüner Wasserstoff und damit die Befreiung von der EEG-Umlage einfach vom Erwerb sogenannter Herkunftsnachweise abhängig macht. Solche Herkunftsnachweise dürfen für Strom aus Erneuerbaren-Anlagen ausgestellt werden, die keine EEG-Förderung erhalten (zum Beispiel alte Wasserkraftwerke). Sie können dann völlig unabhängig von den Strommengen gehandelt werden, auf die sie ausgestellt sind. Wie die früheren RECS-Zertifikate, die sie abgelöst haben (siehe Hintergrund, Dezember 2013) sind sie letztendlich nichts weiter als eine amtlich lizenzierte Augenwischerei, mit der Energievertriebe den ganz normalen Strom-Mix auf rein kosmetischem Wege zu "Ökostrom" veredeln.

Dieser Einsicht wollte sich auch die Bundesregierung nicht ganz verschließen. Sie machte deshalb zusätzlich zur Auflage, daß die Herkunftsnachweise "die Angabe zur optionalen Kopplung nach § 16 Absatz 3 der Herkunfts-und Regionalnachweis-Durchführungsverordnung enthalten". Das heisst, dass solche Herkunftsnachweise nicht einfach zur beliebigen Aufhübschung des normalen Strom-Mixes erzeugt und dann frei gehandelt werden, sondern exklusiv für einen bestimmten Versorger und Bilanzkreis ausgestellt werden, von dem die Elektrolyseanlage zur Herstellung von grünem Wasserstoff ihren Strom bezieht. Dadurch soll sich auf Bilanzkreis-Ebene überprüfen lassen, ob tatsächlich eine entsprechende Menge Grünstrom vom Anbieter zum Adressaten des Herkunftsnachweises gelangt sein könnte. "Damit erfolgt ein glaubhafter und zuverlässiger Nachweis einer tatsächlichen Lieferbeziehung und nicht nur eine Verschiebung der Grünstromeigenschaft", heisst es zur Begründung. Die Urheber der Verordnung scheinen allerdings selber noch nicht so recht zu wissen, wie das in der Praxis funktionieren soll, denn in § 12l wird das Umweltbundesamt beauftragt, bis Ende des Jahres einen Erfahrungsbericht zu dieser "optionalen Kopplung" vorzulegen.

Ohnehin dürfen bis zu 15 Prozent des Stroms zur Herstellung des EEG-befreiten grünen Wasserstoffs aus dem Ausland stammen. Und dort gibt es allenfalls die EU-üblichen Herkunftsnachweise. Die Verordnung verzichtet hier deshalb notgedrungen auf die zusätzliche "optionale Kopplung", die aus der Augenwischerei angeblich ein vertrauenswürdiges Zertifikat macht. Stattdessen begnügt sie sich damit, "dass eine tatsächliche Lieferbeziehung grundsätzlich möglich sein sollte". Diese Anforderung gilt als erfüllt, wenn die Herkunftsnachweise von Unternehmen stammen, "die ihren Standort in einer Preiszone haben, die mit der Preiszone für Deutschland elektrisch verbunden ist".

Befreiung von der EEG-Umlage gilt nur für 5000 Vollbenutzungsstunden jährlich

Grundsätzlich begrenzt die Verordnung die Befreiung von der EEG-Umlage auf die ersten 5000 Vollbenutzungsstunden eines Kalenderjahres (§ 12i Abs. 1). Damit will sie laut Begründung erreichen, "dass der Elektrolyseur systemdienlich eher dann betrieben wird, wenn die Strompreise aufgrund hoher Erneuerbare-Energien-Einspeisung gering sind". Es wird also keine kontinuierliche Wasserstoff-Erzeugung angestrebt, sondern die Verwertung von überschüssigem und entsprechend billigem Netzstrom, der durch den Wegfall der EEG-Umlage noch billiger wird.

Die "systemdienliche" Abschöpfung und Verwertung solcher Überschüsse, die vor allem durch das schwankende Aufkommen an Wind- und Solarstrom zustande kommen, ist absolut sinnvoll. Sie bedeutet allerdings noch lange nicht, dass die Elektrolyseure dann zu hundert Prozent mit elektrischer Energie aus erneuerbaren Quellen gespeist werden. Dieser Nachweis läßt sich in der stromwirtschaftlichen Netzpraxis letztendlich auch gar nicht erbringen. Sie lässt sich allenfalls mit reichlich scholastisch anmutenden Konstruktionen wie den "Herkunftsnachweisen" simulieren.

 

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