Februar 2021

210205

ENERGIE-CHRONIK


Amtliches Vertrauenszeichen soll Tarifvergleiche erleichtern

Die Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes, die das Bundeskabinett am 10. Februar beschloss, enthält auch einige Verbesserungen des Verbraucherschutzes, die aufgrund der neuen EU-Richtlinie zum Elektrizitätsbinnenmarkt eigentlich schon bis Ende 2020 umgesetzt hätten werden müssen. Dazu gehört die Einführung von "unabhängigen Vergleichsinstrumenten", die es künftig zumindest Stromkunden ermöglichen sollen, sich im Dschungel der ebenso zahlreichen wie oft wenig seriösen Energieangebote besser zurechtzufinden.

Die Schaffung und fortlaufende Aktualisierung solcher Vergleichsinstrumente ist allerdings ein sehr aufwendiges Unterfangen. Deshalb wird es sich bei diesen Vergleichsinstrumenten in der Praxis wohl um schon existierende Tarifvergleicher handeln, sofern diese von der Bundesnetzagentur ein entsprechendes "Vertrauenszeichen" erhalten. Sie würden damit quasi bescheinigt bekommen, nicht mehr selber Teil des Problems zu sein, zu dessen Lösung sie bisher in derart unzureichender Weise beitragen, dass nun in einer EU-Richtlinie "unabhängige" Vergleiche verlangt werden. Ersatzweise könnte die Behörde diese Leistung auch per Ausschreibung vergeben. Im übrigen bliebe es ihr überlassen, eine ähnliche Regelung auch für Haushaltskunden und Kleinunternehmen im Gasbereich einzuführen. Verpflichtend wäre die Einführung des "Vergleichsinstruments" nur für Stromangebote.

Grundlage ist der einschlägige Artikel 14 der EU-Stromrichtlinie (siehe PDF), den die Novellierung durch den neuen § 41c im Energiewirtschaftsgesetz umsetzt. Die Bundesnetzagentur muss demnach sicherstellen, "dass Haushaltskunden und Kleinstunternehmen, die einen voraussichtlichen Jahresverbrauch von weniger als 100.000 Kilowattstunden haben, unentgeltlich Zugang zu mindestens einem unabhängigen Vergleichsinstrument haben, mit dem sie verschiedene Stromlieferanten und deren Angebote, einschließlich der Angebote für Verträge mit dynamischen Stromtarifen, in Bezug auf die Preise und die Vertragsbedingungen vergleichen und beurteilen können".

Güte-Kriterien sind sehr allgemein gehalten

Es folgen dann etliche Kriterien, die ein Vergleichsinstrument erfüllen muss, um das "Vertrauenszeichen" zu erhalten, das die Behörde oder ein von ihr beauftragter Dritter vergibt. Diese Kriterien sind allerdings recht allgemein gehalten. Zum Beispiel ist nicht explizit vorgesehen, dass ein Tarifvergleicher "klar und transparent über Verkaufsförderungsmaßnahmen wie Bonusangebote und Prämien informieren" muss, wie dies der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) bei der Konsultation des Gesetzentwurfs in seiner Stellungnahme gefordert hat. Es ist somit keineswegs sicher, ob und in welcher Weise bei der Auslegung der Güte-Kriterien auch die Trickserei mit den Bonus-Angeboten problematisiert wird.

Gegenwärtig ist eine hinreichende Transparenz schon dadurch nicht gegeben, dass das Geschäft der Tarifvergleicher auf den Provisionen basiert, die sie von den Anbietern für die Zuführung von Kunden oder auch schon für eine besonders auffällige Plazierung auf der Ergebnisliste erhalten. Umgekehrt ist für viele Strom- und Gasanbieter die günstige Plazierung auf den Ergebnislisten zur Voraussetzung ihrer Existenz geworden. Diese Symbiose der beiderseitigen Profitinteressen erklärt auch, weshalb die Ergebnislisten der Tarifvergleicher in der Voreinstellung zunächst mal solche Angebote zeigen, die durch Boni-Versprechen aufgehübscht werden. Zum Beispiel hat die "Bayerische Energieversorgungsgesellschaft" – die im Gegensatz zu ihrer vertrauenserweckenden Namensgebung ein äußerst unseriöses Unternehmen war – ihre Kunden mit solchen Lockangeboten zu 96 Prozent über die beiden führenden Vergleichsportale Verivox und Check 24 akquiriert. Gerade dieser Erfolg wurde ihr dann allerdings zum Verhängnis, weil sie auf Dauer weder die hohen Provisionen für die Vergleichsportale noch die fällig werdenden Boni aufzubringen vermochte. Als sie dann auch noch mit dem dreisten Versuch scheiterte, ihren Kunden enorme Preiserhöhungen aufs Auge zu drücken, musste sie Insolvenz anmelden (200114).

Marktbeherrschung durch die beiden Platzhirsche könnte noch totaler werden

Gemäß den Kriterien für das "Vertrauenszeichen" muss das Vergleichsinstrument "eine breite Palette an Angeboten umfassen, die den Gesamtmarkt abdeckt; falls die angebotenen Informationen keine vollständige Marktübersicht darstellen, ist eine eindeutige diesbezügliche Erklärung auszugeben, bevor die Ergebnisse angezeigt werden". Diese Vorschrift ist sicher gut gemeint und im Prinzip sinnvoll. Sie könnte aber auch die Marktbeherrschung durch die beiden Platzhirsche Check 24 und Verivox noch verstärken, über die 95 Prozent der Vermittlungen zustande kommen, wie das Bundeskartellamt in seiner Sektoruntersuchung feststellte. Sie waren auch die einzigen Energiepreis-Vergleicher, die tatsächlich über umfassende eigene Datensätze und Tarifrechner verfügten (181203).

Es muss schon einiges passieren, bevor das Gütesiegel wieder entzogen wird

Die beiden Platzhirsche verfügen jedenfalls über die besten materiellen Voraussetzungen, um nun auch noch in den Genuss des geplanten amtlichen Vertrauenszeichens zu kommen, sofern sie sich zu ein paar kleineren Konzessionen bereitfinden. Und es müsste dann schon einiges passieren, bevor ihnen dieses Gütesiegel wieder entzogen wird. Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf geschieht dies nur "bei gravierenden Verstößen, denen innerhalb einer angemessenen Frist nicht abgeholfen wird". In der Praxis würden die Betreiber der "Vergleichsinstrumente" so ermuntert, die ihnen verbleibenden Spielräume erst einmal so weit wie nur möglich auszutesten. Die Verbraucherschützer hatten dagegen verlangt, das Vertrauenszeichen in jedem Fall zu entziehen, wenn es sich um einen gravierenden Verstoß handelt.


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