Juli 2018

180702

ENERGIE-CHRONIK


Oberbürgermeisterin unterliegt im Aufsichtsrat der Stadtwerke Köln

Die Klüngel-Affäre bei den Stadtwerken Köln (180505) hat sich zugespitzt: Der Aufsichtsrat des Kommunalkonzerns lehnte es am 9. Juli mit Zwei-Drittel-Mehrheit ab, die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) zur Vorsitzenden zu wählen. Reker wollte die Nachfolge des SPD-Politikers Martin Börschel antreten, der sich im Mai aus der Kommunalpolitik zurückzogen hatte und für den aus diesem Anlaß der ebenso hochdotierte wie unnötige Posten eines hauptamtlichen Geschäftsführers der Stadtwerke-Holding geschaffen werden sollte. Reker hatte sehr empört auf diesen Plan reagiert, von dem sie zunächst nichts wußte. Mit der Übernahme des Vorsitzes wollte sie ein Zeichen gegen die Klüngelwirtschaft bei dem Kommunalkonzern setzen. Sie scheiterte nun aber am Widerstand eben jener Kräfte, die den üppigen Versorgungsposten für den SPD-Lokalmatador eingefädelt hatten, wobei es innerhalb des Aufsichtsrats zu einem Bündnis zwischen der SPD-Minorität auf der Eigentümerbank und der kompletten Arbeitnehmerbank kam, die aus Vertretern der Stadtwerke-Beschäftigten und der Gewerkschaft besteht.

Reker hatte nur den Widerstand der SPD auf der Eigentümerbank einkalkuliert


Bei einer Leser-Befragung des "Kölner Stadt-Anzeigers" waren nur sieben Prozent der Meinung, dass bei den Stadtwerken nicht geklüngelt worden sei.

Als Konzern-Holding mit über 12.000 Beschäftigten in den von ihr beherrschten Unternehmen (siehe Hintergrund, Mai 2018) unterliegt die Stadtwerke Köln GmbH den einschlägigen Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes. Der Aufsichtsrat besteht demgemäß aus jeweils zehn Vertretern des Eigentümers – in diesem Fall ist das die Stadt Köln – und der bei den Stadtwerken beschäftigten Arbeitnehmer. Die Eigentümerseite wird von der Oberbürgermeisterin und neun Vertretern der Stadtratsfraktionen repräsentiert (im einzelnen sind das drei von der SPD, jeweils zwei von CDU und Grünen sowie jeweils einer von FDP und Linke). Auf der anderen Seite setzt sich die Arbeitnehmerbank aus sieben Unternehmensangehörigen und drei Vertretern der Gewerkschaft ver.di zusammen.

Die Oberbürgermeisterin war schon bisher Mitglied des Aufsichtsrats. Sie amtierte aber nicht als dessen Vorsitzende, wie das sonst bei kommunalen Unternehmen üblich ist. Nach dem Skandal um die Pfründe für den abgetretenen Aufsichtsratsvorsitzenden Börschel hielt sie es jedoch für notwendig, auch dieses Amt zu übernehmen, um die Affäre aufzuklären und generell mit der Klüngelwirtschaft innerhalb des Kommunalkonzerns aufzuräumen. Dabei scheint sie die Ausmaße des Augiasstalles unterschätzt zu haben, den sie zu säubern gedenkt. Jedenfalls verfügte sie nur über die Unterstützung von CDU, Grünen und FDP, als sie in der Aufsichtsratssitzung am 9. Juli für den Vorsitz kandidierte. Diese fünf Stimmen sowie ihre eigene hätten nach § 27 Abs. 2 des Mitbestimmungsgesetzes ausgereicht, um im zweiten Wahlgang mit der einfachen Mehrheit der Eigentümerbank gewählt zu werden. Voraussetzung wäre allerdings ein neutrales oder zumindest geteiltes Abstimmungsverhalten der Arbeitnehmerbank im ersten Wahlgang gewesen. Möglicherweise ging sie sogar davon aus, schon im ersten Wahlgang mit sämtlichen Stimmen der Eigentümerseite und zusätzlichem Beistand von Arbeitnehmer-Vertretern die notwendige Zweidrittelmehrheit zu erreichen.

Arbeitnehmer-Vertreter stimmten komplett für den Klüngler Kraus

Tatsächlich stimmten aber schon im ersten Wahlgang vier Vertreter der Eigentümerbank sowie alle zehn Vertreter der Arbeitnehmerbank gegen die Oberbürgermeisterin. Mit vierzehn von zwanzig Stimmen erreichten die Frondeure zudem die nach § 27 Abs. 1 erforderliche Zweidrittelmehrheit, um den Aufsichtsrats-Vize Harald Kraus (SPD) als neuen Vorsitzenden installieren zu können. Kraus ist Betriebsratsvorsitzender der Kölner Verkehrsbetriebe. Den Stellvertreter-Posten hatte er – wie bei der Paritätischen Mitbestimmung üblich – als Repräsentant der Arbeitnehmerseite bekommen. Seit dem Rückzug Börschels war er zudem kommissarischer Vorsitzender des Aufsichtsrats. In der Klüngel-Runde des "Ständigen Ausschusses", die Börschel den hochdotierten Versorgungsposten verschaffen wollte, spielte Kraus eine wichtige Rolle. Die Oberbürgermeisterin hatte ihm deshalb vorgeworfen, an der Vorbereitung einer Straftat beteiligt gewesen zu sein. Kraus hatte den Fehdehandschuh aufgenommen und seinerseits gedroht: "Ich kann mir nicht vorstellen, auf einer solchen Ebene mit der OB im Aufsichtsrat vertrauensvoll zusammenzuarbeiten. Das kann so nicht stehen bleiben."

Putschartige Entmachtung des kommunalen Eigentümers

Schon vor der Aufsichtsratssitzung war damit absehbar, dass die Frondeure alle Hebel in Bewegung setzen würden, um Rekers Wahl zu verhindern. Besonderes Aufsehen erregte dann aber, wie sie zur Erreichung ihres Ziels sogar die Schlüsselposition des Aufsichtsratsvorsitzes kaperten. Nach der Intention des Mitbestimmungsgesetzes stellen die Eigentümer den Vorsitzenden, der ein doppeltes Stimmrecht besitzt und damit trotz der Parität zwischen Eigentümer- und Arbeitnehmerseite eine Entscheidung herbeiführen kann. Mit der Wahl des Betriebsratsvorsitzenden Kraus wurde diese Schlüsselposition von der Arbeitnehmerseite übernommen und so der Kommune als Eigentümerin der Stadtwerke entzogen. Einen derartigen "Putsch", wie es die Freien Wähler nannten, hat es vermutlich noch bei keinem anderen Großunternehmen der Kommunalwirtschaft gegeben. Er konnte auch nur deshalb gelingen, weil sich auf der Eigentümer-Seite die drei Vertreter der SPD-Fraktion an der Entmachtung der Kommune beteiligten.

Frondeure konnten unterschiedliche Motivationen für sich instrumentalisieren

Die Stimmen der drei SPD-Ratsmitglieder hätten indessen noch nicht zur notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit im ersten Wahlgang ausgereicht. Die Kaperung des Ausschuss-Vorsitzes gelang erst mit der zusätzlichen Stimme des Aufsichtsrats der Linken, die sonst sehr auf Distanz zur SPD bedacht ist und sich über das "Wechselspiel aus Konkurrenz und Kumpanei zwischen den drei großen Fraktionen CDU, SPD und Grüne" empört. Generell bestand die Anti-Reker-Koalition keineswegs nur aus Beteiligten und Sympathisanten der Klüngel-Runde. Den unmittelbar Betroffenen ist es aber offenbar gelungen, unterschiedliche Motivationen zu bündeln und für sich zu instrumentalisieren. So dürfte auf der Arbeitnehmerbank eine falsch verstandene Solidarität mit den beiden Betriebsratsvorsitzenden Kraus (Verkehrsbetriebe) und Nolden (Rheinenergie) den Ausschlag gegeben haben, nachdem diese von Reker der Vorbereitung einer Straftat bezichtigt wurden. In den Sog dieser Kumpanei scheint dann auch die Linke geraten zu sein. Als Mini-Partei war sie nicht in die Klüngel-Runde im "Ständigen Ausschuss" der Stadtwerke einbezogen worden und konnte sich deshalb einigermaßen glaubwürdig über das "Postengeschacher" der anderen Parteien empören. Die parteilose Oberbürgermeisterin und deren Bemühungen um Aufklärung waren aber auch nicht nach ihrem Geschmack. Stattdessen kaprizierte sie sich auf den Vorwurf, dass Reker von dem unsauberen Handel früher erfahren habe und tiefer in ihn verwickelt gewesen sei, als sie bisher zugegeben habe. Politischen Sinn ergab diese verquere Stoßrichtung eigentlich nur, wenn die Linke vorab schon mal darauf einstimmen wollte, dass ihr Vertreter im Aufsichtsrat mit den Reker-Gegnern stimmen würde.

Reker will künftig für "noch engere Kontrolle" sorgen

"Ich weiß ja, dass es immer wieder Rückschläge gibt, wenn man alte Strukturen aufbrechen will", erklärte die Oberbürgermeisterin nach der Aufsichtsratssitzung . "Irritiert aber bin ich darüber, dass die Mehrheit des Aufsichtsrates die demokratische Mehrheit des Rates nicht umsetzen wollte. Aber es ist für mich ganz selbstverständlich, dass ich als Mitglied des Aufsichtsrates weiterhin alles dafür tun werde, die gute Situation des Stadtwerke-Konzerns in Zukunft weiterzuentwickeln. Es geht ganz und gar um dieses Unternehmen. Die Stadtwerke haben die wichtige Aufgabe, für die Bürgerinnen und Bürger die infrastrukturelle Grundversorgung zu garantieren. Und wie wichtig das ist, wissen wir ja alle. Es wird in Zukunft eine noch engere Kontrolle mit Blick auf die anstehenden Entscheidungen geben. Ich glaube, dass das wichtig ist, und damit ist für mich heute alles gesagt."

Nachfragen wurden bei dieser kurzen Erklärung der Oberbürgermeisterin nicht zugelassen, angeblich aus Zeitmangel. Selbst zum Abstimmungsverhalten der Aufsichtsräte wollten Reker und ihr Pressesprecher keine Angaben machen. Der Ablauf läßt sich aber unschwer aus dem Mitbestimmungsgesetz rekonstruieren, da für die Wahl ihres Gegenspielers Kraus zum Aufsichtsratschef mindestens vierzehn der zwanzig Stimmen notwendig waren.

"SPD will möglichst viele mit in den Abgrund ziehen"

Für den "Kölner Stadt-Anzeiger" (10.7.) zeigt der Ausgang der Aufsichtsratswahl, dass die Affäre um den Versorgungsposten für den SPD-Politiker Martin Börschel "das politische Klima in Köln nachhaltig vergiftet hat". Weiter schrieb das Blatt in einem Kommentar:

"Schuld daran tragen alle Beteiligten: Das Bündnis aus CDU, Grünen und FDP hat im Gefühl, am Ende werde es schon irgendwie reichen, versäumt, die notwendigen Mehrheiten zu organisieren. Die SPD, weiterhin auf Rache sinnend, hat die Chance dankbar genutzt – eine Chance, die OB Reker den Sozialdemokraten erst ermöglicht hat, indem sie viel zu spät den Kontakt zu den Arbeitnehmervertretern gesucht hat, die über die Entwicklung deutlich verstimmt waren. Dass sie außerdem Harald Kraus als einem der Beteiligten am Posten-Deal öffentlich vorwarf, an der Vorbereitung einer Straftat beteiligt gewesen zu sein, erhöhte noch die Bereitschaft, der OB und ihrem Unterstützerbündnis eine Niederlage zuzufügen.

Es ist allerdings eine Niederlage für die ganze Stadt, denn die gegenseitigen Vorwürfe und Verletzungen lähmen die gesamte Politik. Ein Ende des Streits ist nicht in Sicht, zumal die Urheber des anrüchigen Deals die Schuldfrage sehr individuell beantworten. Selbstkritik ist lediglich bei den Grünen zu erkennen, während die SPD möglichst viele mit in den Abgrund ziehen will. Die CDU dagegen möchte die Affäre und die Mitwirkung ihres Chefs Bernd Petelkau am liebsten abgehakt und vergessen wissen. Das alles ist eine schwere Bürde – für den neuen Chef des Aufsichtsrats wie für die künftige Zusammenarbeit der Beteiligten im Stadtrat. Es wird noch lange dauern, bis die Politik wieder handlungsfähig ist – viel zu lange."

 

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