März 2018 |
180301 |
ENERGIE-CHRONIK |
Von Rivalen zu Partnern: Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz am 13. März zelebrierten die beiden Konzernchefs Johannes Teyssen (E.ON) und Rolf Martin Schmitz (RWE) ihr Bündnis für die Fotografen. Die Verbraucherverbände befürchten allerdings, dass die neue Eintracht zwischen den beiden führenden deutschen Energiekonzernen deren Kunden noch teuer zu stehen kommt. Foto: RWE
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Die führenden deutschen Energiekonzerne E.ON und RWE ließen am 11. März – einem Sonntag – per Ad-hoc-Mitteilungen wissen, dass sie sich grundsätzlich über eine Aufteilung der RWE-Tochter Innogy und ihrer künftigen Aktivitäten auf dem Energiemarkt geeinigt hätten. Außerdem versorgten sie ausgewählte Medien vorab mit Details dieser Vereinbarungen, die erst am folgenden Tag offiziell bekanntgegeben wurden.
Im wesentlichen ist geplant, dass beide Konzerne ihre Besitzstände neu ordnen und untereinander so austauschen, dass sie in den wichtigsten Bereichen keine Konkurrenten mehr sind. RWE würde sich demnach hauptsächlich nur noch der Stromerzeugung und dem Energiehandel widmen, während E.ON das Netz- und Vertriebsgeschäft mit Strom und Gas betreibt. In den Aufsichtsräten der beiden Konzerne haben die Vertreter der Gewerkschaften Verdi und IGBCE den Plänen bereits zugestimmt. Sie begnügten sich mit der Zusicherung, dass der damit verbundene Abbau von bis zu 5000 Arbeitsplätzen ohne betriebsbedingte Kündigungen vor sich gehen werde.
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Wichtigster Bestandteil des Vorhabens ist die Zerschlagung der neuen Innogy SE, in die der RWE-Konzern vor zwei Jahren seinen Strom- und Gasvertrieb, die Verteilnetze und die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien eingebracht hat (151207). Der E.ON-Konzern übernimmt die RWE-Mehrheitsbeteiligung von 76,8 Prozent komplett. Den derzeitigen Minderheitsaktionären bietet er 40 Euro pro Aktie an. Als Gegenleistung gewährt er RWE eine Minderheitsbeteiligung von 16,67 Prozent am eigenen Konzern sowie die Überlassung aller wesentlichen Erneuerbaren-Aktivitäten. Dazu gehört auch die Erneuerbaren-Sparte von Innogy, die RWE nach dem Verkauf der Tochter zurückbekommt. Ebenfalls rückübertragen werden das Gasspeichergeschäft und die Innogy-Beteiligung am österreichischen Energieversorger Kelag (120903). Zudem bekommt RWE die Minderheitsbeteiligungen, welche die 2015 gegründete E.ON-Tochter PreussenElektra an den von RWE betriebenen Kernkraftwerken Emsland und Gundremmingen besitzt (150901). Zum Ausgleich der unterschiedlichen Tauschwerte zahlt E.ON schlußendlich einen Kaufpreis von 1,5 Milliarden Euro in bar.
Den Abschluss der geplanten Transaktionen erwarten die beiden Konzerne bis Ende des Jahres 2019. "Bis dahin bleiben E.ON, RWE und innogy eigenständige Gesellschaften und Wettbewerber", hieß es in ihrer gemeinsamen Mitteilung. Das freiwillige öffentliche Übernahmeangebot an die Minderheitsaktionäre von Innogy soll nach Genehmigung durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Anfang Mai 2018 beginnen. Sowohl der geplante Austausch von Beteiligungen als auch des Übernahmeangebot bedürfen noch der Zustimmung der zuständigen Kartell- und Aufsichtsbehörden.
Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz am 13. März teilten die beiden Konzernchefs Johannes Teyssen (E.ON) und Rolf Martin Schmitz (RWE) ergänzend mit, daß im Zuge des Tauschgeschäft rund 2.800 E.ON-Mitarbeiter zu RWE wechseln werden. E.ON werde dann mehr als 70.000 Beschäftigte haben und RWE wahrscheinlich rund 23.000. Durch die wechselseitige Begradigung der Portefeuilles könne E.ON das Netzgeschäft um rund 60 Prozent vergrößern und die Zahl der Stromkunden im In- und Ausland von derzeit 31 auf 50 Millionen steigern. RWE könne seine regenerativen Kraftwerkskapazitäten auf rund acht Gigawatt erhöhen und so annähernd verdoppeln. Damit werde RWE zum drittgrößten Erzeuger von Strom aus erneuerbaren Energien in Europa und zur Nummer zwei bei Windstrom.
Die knapp 17-prozentige Beteiligung von RWE an E.ON sei eine reine Finanzbeteiligung und dürfe auch nicht aufgestockt werden, hieß es. Außerdem dürfe RWE seine Beteiligung nach Einhaltung einer Sperrfrist nicht an Wettbewerber von E.ON verkaufen. Indessen wollten beide Konzernchefs keine Angaben dazu machen, wie lange diese Restriktionen gelten.
Die Vereinbarung der beiden Konzerne über die Zerschlagung von Innogy und die Neuverteilung ihrer Rollen auf dem Energiemarkt kam auch für die betroffene RWE-Tochter völlig überraschend. Bei der Bilanzpressekonferenz am 12. März bat der kommissarische Innogy-Chef Uwe Tigges um Verständnis dafür, dass er keine Fragen zu diesem Punkt beantworten werde. "Wir werden uns zu einem späteren Zeitpunkt in angemessener Weise äußern", sagte er. "Ich persönlich blicke auf einen erfolgreichen Börsengang zurück und deswegen habe ich keinen Zweifel, dass das, was wir getan haben, der richtige Weg ist." Zu diesem Zeitpunkt hatte E.ON bereits die Kontrolle über das Unternehmen übernommen, wie aus einer Börsenpflichtmitteilung vom 13. März hervorging.
Als RWE Ende 2015 beschloß, den lukrativeren Teil des Konzerngeschäfts in die neue Tochter Innogy einzubringen, versicherte der damalige Konzernchef und spätere Innogy-Vorstandsvorsitzende Peter Terium, dass der Konzern in jedem Fall "dauerhaft Mehrheitsaktionär der neuen Gesellschaft" bleiben und diese voll in ihrer Bilanz konsolidieren werde (151207). Der furiose Börsenstart des Unternehmens unterstrich den Wert der neuen Tochter und ließ die Konzernmutter ziemlich alt aussehen (161002). Dem anfänglichen Elan folgte allerdings bald eine Phase, in der Innogy wieder schwächer notierte (161111).
Schon im März vorigen Jahres gab es Gerüchte, dass der französische Energiekonzern Engie ein Kaufangebot für die RWE-Mehrheitsbeteiligung gemacht habe. Der Börsenwert von Innogy erreichte damals knapp 15 Milliarden Euro, während RWE selber nur auf eine Marktkapitalisierung von 8,5 Milliarden Euro kam (170306). Nach Bekanntgabe der geplanten Transaktion stieg er von rund 19 auf 21,4 Milliarden Euro. Noch kurz zuvor hatten sich die kommunalen RWE-Aktionäre am 7. März dafür ausgesprochen, dass RWE die Mehrheit an Innogy behält.
Zuletzt wurden der italienische Energiekonzern Enel, die spanische Iberdrola und der australische Finanzinvestor Macquarie als Interessenten für Innogy genannt. Die Agentur Reuters will aus Insider-Kreisen erfahren haben, daß es Ende vorigen Jahres fast zu einer Einigung zwischen RWE und Iberdrola gekommen sei. Möglicherweise handelte es sich dabei aber auch nur um ein taktisches Manöver, um bei E.ON die Bereitschaft zu Zugeständnissen zu erhöhen.
Sicher ist jedenfalls, daß die RWE-Spitze einen grundsätzlich anderen Kurs verfolgte als Peter Terium, der im Frühjahr 2016 den Posten des Vorstandsvorsitzenden an Rolf Martin Schmitz abgab und stattdessen die Führung von Innogy übernahm. Zudem stand Terium wie kein anderer für das Versprechen, Innogy bleibe dauerhaft eine selbständig agierende RWE-Tochter, das er als vormaliger Konzernchef abgegeben hatte. Das erklärt wohl das ungewöhnlich rüde Vorgehen, mit dem die jetzige RWE-Spitze den Innogy-Chef im Dezember seines Postens enthob. Die dürftige Begründung lautete, er habe es an der notwendigen "Kostendisziplin" fehlen lassen (171203). Dabei hatte Terium nur getan, was anfangs allgemeiner Konsens und das Unternehmensziel von Innogy zu sein schien, indem er in Erneuerbare Energien (171013) oder verwandte Bereiche wie Batteriespeicher (180212) investierte. Es gab hier großen Nachholbedarf, um Innogy zum Marktführer zu machen. Tatsächlich haben die Erneuerbaren, mit denen Innogy üblicherweise identifiziert wird und sich auch gern identifizieren ließ, bis heute nur einen vergleichsweise geringen Stellenwert in der Bilanz des Unternehmens. Der weitaus größte Teil der Umsätze und Gewinne stammt aus dem Netz- und Vertriebsbereich. Und dieses lukrative Geschäft landet nun bei E.ON, während RWE die Verpflichtungen übernimmt, die beim Ausbau des Erneuerbaren-Geschäfts entstanden sind. Terium hat natürlich von den diversen Gerüchten über Verkaufsverhandlungen gewußt. Über die eigentliche Kabale mit E.ON, die spätestens zum Zeitpunkt seiner Entlassung schon weit fortgeschritten war und sorgsam unter der Decke gehalten wurde, scheint er aber nicht informiert gewesen zu sein.
Vermutlich spielten bei dem strategischen Dissens zwischen dem RWE-Konzern und seiner Tochter Innogy auch alte Rivalitäten eine Rolle: Rolf Martin Schmitz galt schon 2011 als Favorit für die Nachfolge des ausscheidenden Konzernchefs Jürgen Großmann. Überraschend trat dann aber Peter Terium als weiterer Kandidat auf den Plan, der einflußreiche Fürsprecher im damaligen Aufsichtsrat hatte und nach einem aufsehenerregenden Machtkampf das Rennen machte (110807).