Februar 2017

170208

ENERGIE-CHRONIK


 

Fernwärme wird größtenteils in Kraft-Wärme-Kopplung erzeugt, wobei die Industrie und 5,6 Millionen Haushalte etwa gleichermaßen am Verbrauch beteiligt sind.

Fernwärme-Versorger zahlen Kunden ingesamt 55 Millionen Euro zurück

Das Bundeskartellamt hat seine Preismißbrauchsverfahren gegen Fernwärmeversorger mit weiteren Erstattungs-Zusagen abgeschlossen. Wie die Behörde am 14. Februar mitteilte, erhöht sich dadurch die Summe, welche die betroffenen Kunden über Rückzahlungen oder künftige Preissenkungen erhalten, auf insgesamt rund 55 Millionen Euro.

Den größten Batzen bildet die Verpflichtungszusage über 40,8 Millionen Euro, die von den Stadtwerken Leipzig schon im Herbst 2015 abgegeben wurde (151012). Neu hinzugekommen sind 12,3 Millionen Euro, welche die innogy SE als Rechtsnachfolgerin der RWE Energiedienstleistungen GmbH ihren Kunden in insgesamt 17 Fernwärme-Netzen mit den nächsten beiden Jahresabrechnungen gutschreiben wird. Weitere Erstattungen in Höhe von knapp zwei Millionen Euro leisten vier Fernwärme-Töchter der Unternehmensgruppe Danpower, die mehrheitlich den Stadtwerken Hannover (enercity) gehört.

Im Sektor Fernwärme gibt es praktisch keinen Wettbewerb

In Anbetracht des Aufwandes, mit dem das Bundeskartellamt seit mehr als sieben Jahren den möglichen Preismißbrauch im Sektor Fernwärme untersucht hat, ist dieses Ergebnis eher dürftig. Die Diskrepanz zwischen Aufwand und Ertrag ist freilich weniger der Unergiebigkeit des Sektors als der Unschärfe des gesetzlichen Instrumentariums geschuldet. Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen läßt sich nun mal schlecht auf einen Bereich anwenden, indem es so gut wie keinen Wettbewerb gibt: Fernwärme-Kunden haben nicht die Möglichkeit, sich einen billigeren Lieferanten zu suchen. Auch den theoretisch möglichen Systemwechsel zu einer anderen Heizenergie (z.B. Gas) können sie – wenn überhaupt – nicht ohne größeren Umstellungsaufwand vollziehen. Oft besteht sogar ein Anschlußzwang an die kommunale Fernwärmeversorgung. Entsprechend groß ist die Gefahr, daß Fernwärmeversorger ihren Kunden überhöhte Preise abverlangen oder Kosten in Rechnung stellen, die bei einer besseren Planung vermieden werden könnten. Hinzu kommt, daß der Bereich Fernwärme – anders als die Versorgung mit Strom und Gas – nicht der Beaufsichtigung durch die Regulierungsbehörden unterliegt.

Kosten und Preise der Versorger sind schwer miteinander vergleichbar

Das einzige Instrument, das der Kartellbehörde unter diesen Umständen verbleibt, ist die Feststellung mißbräuchlich überhöhter Preise. Es setzt aber voraus, daß andere Fernwärmeversorger nicht nur wesentlich billiger sind, sondern auch unter weitgehend vergleichbaren Bedingungen wirtschaften. Dieser Nachweis ist in der Regel nur schwer bzw. unvollkommen zu führen. Das kommt auch darin zum Ausruck, daß bisher sämtliche Rückzahlungen nicht von Amts wegen angeordnet wurden. Sie beruhen vielmehr auf Verpflichtungszusagen gemäß § 32b des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), die von den Unternehmen "freiwillig" abgegeben wurden. Im Gegenzug entgehen sie weiteren umfangreichen Ermittlungen und möglicherweise noch höheren Rückzahlungsforderungen. Ein solcher Kuhhandel ist in der Regel für beide Seiten vorteilhaft, indem er für die Behörde den Ermittlungsaufwand verkürzt und dem Versorger einen Nachlaß auf die eigentlich fällige Rückzahlung gewährt. Nicht zuletzt erspart er einen jahrelangen Rechtsstreit, den eine förmliche Verfügung nach sich ziehen könnte. Voraussetzung ist allerdings, daß die Kartellbehörde über hinreichend belastende Unterlagen und damit über ein entsprechendes Drohpotential verfügt.

Sektoruntersuchung ergab "Anfangsverdacht für mißbräuchlich überhöhte Preise"

In richtiger Einschätzung all dieser Schwierigkeiten hat das Bundeskartellamt im September 2009 eine Untersuchung des Fernwärmesektors in Deutschland eingeleitet und umfangreiche Auskunftsbeschlüsse an 30 Fernwärmeversorger verschickt (090914). Es wollte auf diese Weise Klarheit gewinnen, wieweit eine mißbräuchliche Ausnutzung der Monopole bei der Fernwärme-Versorgung über einen Vergleich der jeweiligen Preise, Kosten und Erlöse dingfest gemacht und gegebenenfalls sanktioniert werden kann.

Der im August 2012 vorgelegte Abschlußbericht ließ nach Ansicht der Behörde "klare wettbewerbliche Defizite" erkennen und begründete einen "Anfangsverdacht für mißbräuchlich überhöhte Preise" (120814). Im März 2013 kam es zur Einleitung von Mißbrauchsverfahren gegen sieben Unternehmen, bei denen die durchschnittlichen Erlöse deutlich über dem Durchschnitt vergleichbarer Unternehmen gelegen hatten. Im einzelnen waren dies

– Dalkia GmbH, Hamburg
– Danpower Energie Service GmbH, Potsdam
– Energie SaarLor Lux AG, Saarbrücken
– E.ON Hanse Wärme GmbH, Hamburg
– RWE Energiedienstleistungen GmbH, Dortmund
– Stadtwerke Leipzig GmbH
– Stadtwerke Rostock AG

Nur in drei von sieben Verfahren kam es zu Rückzahlungs-Verpflichtungen

Zu Rückzahlungen kam es nur in den drei Verfahren gegen die Stadtwerke Leipzig, RWE-Innogy und Danpower. Nur hier ergab der Erlös- bzw. Kostenvergleich soviel belastende Momente, daß die Firmen eine Verpflichtungszusage gemäß § 32b des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) akzeptierten, um weitere umfangreiche Ermittlungen und einen sich daran anschließenden jahrelangen Rechtsstreit zu vermeiden.

Die Verfahren gegen die Energie SaarLorLux AG und die Stadtwerke Rostock AG wurden dagegen eingestellt, weil sich der Verdacht des Preismißbrauchs für den geprüften Zeitraum nicht erhärten ließ. Bei der HanseWerk Natur GmbH (als Rechtsnachfolgerin der E.ON Hanse Wärme GmbH) und der Dalkia GmbH wurde von einer Verfügung abgesehen, weil die Firmen ihr Preissystem änderten bzw. strukturelle Nachteile in einem kleinen Versorgungsgebiet geltend machen konnten.

Die Zusagenentscheidungen vom 13. Februar 2017 umfassen die folgenden Fernwärmenetze von

• innogy SE (als Rechtsnachfolgerin der RWE Energiedienstleistungen GmbH): Fernwärmenetze Bensberg-Refrath, Dortmund-Schüren, Dortmund-Kirchlinde, Elmshorn, Hanhoopsfeld, Hochdahl, Langen-Oberlinden, Leverkusen-Steinbüchel, Mainz-Rodelberg, Marmstorf, Monheim, Moers-Kapellen, Rahlstedt-Meiendorferstraße, Rahlstedt-Ost, Schwalbach-Limes, Unna-Königsborn, Wuppertal-Hilgershöhe,

• Bitterfelder Fernwärme GmbH: Fernwärmenetze BBS, Braustraße und Fläminger Ufer in Bitterfeld,

• Danpower Energie Service GmbH: Fernwärmenetze München-Olympiazentrum und Puchheim-Planie,

• EKT Energie- und Kommunal-Technologie GmbH: Fernwärmenetz Großenhain-Kupferberg,

• Wärmeversorgung Wolgast GmbH: Fernwärmenetz Wolgast.

 

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