Oktober 2016

161017

ENERGIE-CHRONIK


Gazprom darf Pipeline "Opal" jetzt weitgehend nutzen

Die EU-Kommission hat am 28. Oktober "strengere Ausnahmebestimmungen für die Nutzung der OPAL-Gaspipeline verabschiedet", wie es in ihrer Pressemitteilung hieß. In Wirklichkeit hat sie beschlossen, der russischen Gazprom eine erweiterte Nutzung dieser Gaspipeline zu gewähren, die das über die Ostsee ankommende Gas aus Rußland vom Anlandepunkt Lubmin weiter nach Süden ins westeuropäische Gasnetz transportiert. Günstigstenfalls werden die Russen künftig die Pipeline nicht mehr nur bis zur Hälfte, sondern bis zu 93 Prozent der Kapazität nutzen können.

Ausnahmegenehmigung wurde auf Verlangen der Kommission eingeschränkt

Die Bundesnetzagentur hatte 2009 dem Antrag der beiden Eigentümer Wingas und E.ON-Ruhrgas stattgegeben, die Ostsee-Anschlußleitung "Opal" für 22 Jahren ab Inbetriebnahme von der Regulierung auszunehmen (090306). Auf Verlangen der EU-Kommission mußte sie die erteilte Ausnahmegenehmigung aber nachträglich mit Kapazitätsbeschränkungen versehen. Grundsätzlich durfte die mit den beiden Pipeline-Eigentümern geschäftlich verbandelte russische Gazprom die Kapazität der Leitung nur zur Hälfte nutzen. Eine Überschreitung war nur gestattet, wenn sie einen Teil des über die Ostsee-Pipeline Nord-Stream ankommenden Gases anderen Marktteilnehmern im Rahmen eines von der Regulierungsbehörde überwachten "Gas-Release-Programms" zum Kauf anbieten würde (141206). Das tat Gazprom allerdings nicht.

Da die "Opal"-Leitung praktisch nur für den Abtransport des in Lubmin ankommenden Gases in Frage kommt, konnte sie deshalb bisher nur zur Hälfte genutzt werden. Dies hatte auch Rückwirkungen auf die beiden Stränge der Ostsee-Pipeline Nord-Stream, die ebenfalls nicht völlig ausgelastet werden konnten. Die nochmalige Verdoppelung der Kapazität der Ostsee-Pipeline, die der Kreml seit 2005 aus rein politischen Gründen betreibt, warf deshalb von vornherein die Frage auf, wie der Abtransport derart großer Gasmengen überhaupt bewerkstelligt werden soll. Die beiden Anschlußleitungen NEL (20 Mrd. m3/a) und Opal (36 Mrd. m3/a) können nämlich selbst bei alleiniger Nutzung durch Gazprom zusammen gerade soviel Gas aufnehmen, wie bei voller Auslastung der beiden vorhandenen Röhren in Deutschland ankommt (55 Mrd. m3/a) (150604).

Gazprom wird künftig bis zu 93 Prozent der Opal-Kapazität belegen können

Vor diesem Hintergrund ist die jetzige Entscheidung der EU-Kommission zu sehen, auch die bisher für Gazprom gesperrte Hälfte der Opal-Kapazität nach den "strengen EU-Marktvorschriften" freizugeben. Damit sind zwar gewisse Kautelen verbunden, damit die Russen nicht gleich die ganze Leitung belegen, aber im günstigsten Fall können sie künftig bis zu 51 Milliarden Kubikmeter Gas abtransportieren und damit die Opal-Kapazität bis zu 93 Prozent nutzen. Die Bundesnetzagentur muß nun den Beschluß aus Brüssel innerhalb eines Monats umsetzen. Laut FAZ (31.10.) plant sie eine Versteigerung der bisher nicht genutzten Kapazitäten.

Nord-Stream 2 dient allein strategischen Zielen und könnte die Versorgung im Südosten der EU gefährden

Aber auch das wird keinesfalls reichen, um die Gasmengen abzuführen, die bei Inbetriebnahme von Nord-Stream 2 in Lubmin ankommen könnten. Der Kreml verfolgt mit dem Bau dieser Leitung das strategische Ziel, die Ukraine zu umgehen und die bisher durch dieses Land fließenden Gasmengen stoppen zu können. Unter dem Gesichtspunkt der Versorgungssicherheit ist die Leitung absolut überflüssig. Im Gegenteil: Bei ihrer Verwirklichung und dem dadurch ermöglichten Stopp der Gastransite durch die Ukraine würde in Südosteuropa ein gravierendes Gas-Defizit von 26 Milliarden Kubikmeter entstehen (160308). Anscheinend setzen die Gazprom und ihre westeuropäischen Geschäftspartner auf dieses Szenario, um auch eine Verdoppelung der Kapazität der Anschlußleitungen durchzusetzen. Momentan sind sie noch hauptsächlich damit beschäftigt, ihrer Zusammenarbeit eine neue Form zu geben (160804).

 

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