Juni 2016 |
160611 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der australische Finanzkonzern Macquarie hat den deutschen Ferngasnetzbetreiber Thyssengas GmbH an an ein Konsortium aus dem französischen Energiekonzern EDF und dem niederländischen Infrastrukturfonds DIF verkauft. Wie die beiden Erwerber am 16. Juni gegenüber der Agentur Reuters bestätigten, übernehmen sie jeweils die Hälfte der Gesellschaftsanteile. Zum Kaufpreis wollten sie sich nicht äußern. Nach Informationen von Reuters soll er bei ungefähr 700 Millionen Euro liegen. Er dürfte damit um mehr als 200 Millionen Euro höher sein als der Kaufpreis, den Macquarie vor vier Jahren dem Voreigentümer RWE bezahlt hat (101204).
Das in Dortmund ansässige Unternehmen ist der Nachfolger der früheren RWE Transportnetz Gas. Es gehört seit 2011 zum Marktgebiet NetConncect Germany (090911, 100811, 120409) und betreibt im Westen Deutschlands mit 270 Beschäftigten ein 4.200 Kilometer langes Gas-Fernleitungsnetz, das jährlich bis zu zehn Milliarden Kubikmeter Erdgas transportiert (siehe Hintergrund).
Ende 2010 verkaufte der RWE-Konzern seinen Gastransporteur, um einem Antitrust-Verfahren zu entgehen, das die EU-Kommission gegen ihn eingeleitet hatte (101204, 090304). Seitdem dürfte das Unternehmen dem neuen Eigentümer Macquarie einen Gewinn von mehreren hundert Millionen Euro eingebracht haben: Wie aus dem "Bundesanzeiger" hervorgeht, betrug allein 2013 der Gewinn vor Steuern 93 Millionen Euro, bei einem Umsatz von 225 Millionen Euro. Für 2014 wird das Ergebnis vor Steuern mit 84 Millionen Euro und für 2012 mit 76 Millionen Euro angegeben.
Dieses stolze Ergebnis ist in erster Linie der hohen Eigenkapitalverzinsung von bis zu 9,05 Prozent zu verdanken, die den Netzbetreibern von der Bundesnetzagentur gewährt wird. Erst mit Beginn der neuen Regulierungsperioden – für Gas ab 2018 und für Strom ab 2019 – sollen daran Abstriche vorgenommen werden. Sie werden aber glimpflich sein. Wie die FAZ (16.6.) vorab erfuhr, will die Bundesnetzagentur die Kapitalrendite für Neuanlagen von derzeit 9,05 auf 6,91 Prozent und für Altanlagen von 7,14 auf 5,12 Prozent senken.
Reine Finanzinvestoren wissen derart zuverlässige Einnahmequellen zu schätzen. Kein Wunder, daß sich mit dem niederländischen Finanzfonds DIF wiederum ein solcher unter den beiden neuen Eigentümern befindet. Aber auch die Electricité de France (EDF), die unter einer Schuldenlast von 37,4 Milliarden Euro ächzt (160314), scheint an dieser risikolosen Art des Geldverdienens grenzüberschreitend Geschmack zu finden: In Frankreich gehören ihr der Stromtransportnetzbetreiber RTE und fast alle Verteilnetze.
Im Fall von Macquarie erhebt sich die Frage, weshalb der australische Finanzkonzern eine derart einträgliche Pfründe aufgibt. Anscheinend wollte er einen besonders günstigen Moment nutzen, um Kasse zu machen, als er Thyssengas Ende vorigen Jahres zum Verkauf anbot. Wie der hohe Erlös zeigt, ist diese Rechnung auch aufgegangen.
Anfangs sollen sich dreißig bis vierzig Interessenten gemeldet haben. Zum Schluß gab es sechs verbindliche Angebote: Neben dem Konsortium aus EDF und DIF bewarben sich der belgische Gasversorger Fluxys, der australische Investor First State Investment, ein Konsortium aus dem Luxemburger Energiekonzern Enovos und dem schweizerischen Versicherungskonzern Swiss Life , der italienische Ferngasnetzbetreiber Snam und das chinesische Unternehmen China Energy Reserve & Chemicals Group.