März 2009 |
090304 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der von RWE angebotene Verkauf des Gastransportnetzes (081210) wurde am 18. März von der EU-Kommission akzeptiert und damit rechtsverbindlich gemacht. Im Gegenzug stellt die Kommission das Antitrust-Verfahren gegen den Konzern ein. EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes sieht nun "gewährleistet, dass RWE die Kontrolle über sein Netzwerk nicht mehr ausnutzen kann, um das eigene Gasliefergeschäft gegenüber anderen Wettbewerbern zu begünstigen".
Bei der Durchsuchung von Gaskonzernen im Mai 2006 (060503)
war der Kommission auch bei RWE belastendes Material in die Hände gefallen, das
ein Jahr später zur Einleitung eines formellen Verfahrens führte (080503).
Um einer Bestrafung wegen mißbräuchlicher Ausnutzer seiner Marktstellung
zu entgehen, erklärte sich RWE ein Jahr später grundsätzlich zum Verkauf
seines Gastransportnetzes bereit. Die Einzelheiten des Angebots waren am 5. Dezember
2008 im Amtsblatt der EU veröffentlicht worden, um Dritten Gelegenheit zur Stellungnahme
zu geben (081210). Laut Kommission haben alle Befragten bestätigt,
daß die Verpflichtungszusagen erforderlich und angemessen seien. RWE wird nun
den Verkauf seines Netzes unter der Aufsicht eines Treuhänders abwickeln. Alle
Käufer müssen von der Kommission genehmigt werden.
Im Laufe der Untersuchung ergaben sich gravierende Verdachtsmomente, daß RWE
auf zweierlei Weise gegen das Verbot der missbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden
Stellung (Artikel 82) verstoßen haben könnte. Da die belastenden Punkte
nun nicht weiter verfolgt werden, hat die Kommission sie im Konjunktiv formuliert:
– erstens hat RWE möglicherweise durch verschiedene Kapazitätsmanagement-Praktiken den Zugang zu seinem Gasfernleitungsnetz versperrt. RWE könnte eine Strategie verfolgt haben, die Transportkapazitäten innerhalb seines Gasfernleitungsnetzes systematisch für sich zu behalten;
– zweitens könnte das RWE gezielt überhöhte Durchleitungsentgelte festgelegt haben, um die Margen von Wettbewerbern zu drücken. Durch eine derartige Maßnahme wird selbst ein ebenso effizienter Wettbewerber wie RWE daran gehindert, auf den nachgelagerten Gasliefermärkten wirksamen Wettbewerb auszuüben, und Wettbewerbern bzw. potenziellen neuen Marktteilnehmern wird es erschwert, auf dem Markt zu verbleiben bzw. in den Markt einzutreten.
Sollte RWE seine Verpflichtungszusagen nicht einhalten, könnte die Kommission gegen das Unternehmen eine Geldbuße von bis zu 10 % seines Gesamtumsatzes verhängen, ohne einen Verstoß gegen die im EG-Vertrag niedergelegten Wettbewerbsregeln nachweisen zu müssen.
Der E.ON Ruhrgas droht ebenfalls eine Geldbuße in Millionenhöhe oder der Zwangsverkauf seines Gasnetzes, weil sie sich ähnlicher Praktiken wie RWE bedient hat, um Wettbewerb auf dem Gasmarkt zu verhindern. Wie der "Spiegel" (23.3.) berichtete, steht das im Juli 2007 eingeleitete Kartellverfahren (070710) offenbar vor dem Abschluß. Zum einen geht es um den Verdacht, daß E.ON und Gaz de France vereinbart haben, sich vom jeweiligen Heimatmarkt des anderen fernzuhalten. Ferner soll E.ON wie RWE seine Marktmacht im Inland zur Behinderung von Konkurrenten ausgenutzt haben.
Der E.ON-Konzern mußte sich bereits zum Verkauf seines Stromtransportnetzes verpflichten, um hohen Geldbußen wegen der Manipulation von Strompreisen zu entgehen (081101). Ein Zwangsverkauf des Gastransportnetzes träfe ihn laut "Spiegel" noch härter, weil damit "das gesamte Geschäftsmodell der milliardenschwerden Tochter E.ON-Ruhrgas auf der Kippe" stünde. Der Konzern werde sich deshalb mit allen Mitteln zur Wehr setzen und eine ihm nicht genehme Entscheidung der Kommission bis vor den Europäischen Gerichtshof anfechten.