Oktober 2015 |
151014 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die beim Bundeskartellamt angesiedelte Monopolkommission (140712) hat am 6. Oktober ihr 71. Sondergutachen veröffentlicht. Es trägt den Titel "Energie 2015: Ein wettbewerbliches Marktdesign für die Energiewende" und ist das fünfte Sondergutachten, das sie gemäß § 62 EnWG alle zwei Jahre zur Situation auf dem Strom- und Gasmarkt vorzulegen hat. Im wesentlichen handelt es sich um eine Wiederholung und Fortschreibung der Standpunkte aus den beiden vorangegangenen Gutachten vom 5. September 2013 (130905) und vom 13. September 2011 (110907). Aus aktuellem Anlaß sieht die Kommission zudem "erhebliche Risiken" bei der Umsetzung des Konzeptes "Strommarktes 2.0", wie es vom Bundeswirtschaftsministerium am 3. Juli in einem Weißbuch vorgestellt wurde (150701). Die geplante Überführung von Braunkohlekraftwerken in eine sogenannte Kapazitätsreserve verursache hohe Kosten und bringe keinen umweltpolitischen Nutzen. Kontraproduktiv sei ferner die geplante Einführung eines "Marktmachtberichts".
Nach Ansicht der Monopolkommission würde die regelmäßige Überprüfung der Marktbeherrschung durch das Bundeskartellamt, wie sie im im Weißbuch angekündigt und im Referentenentwurf des Strommarktgesetzes vorgesehen ist, die beabsichtigte Wirkung verfehlen, da sich die Marktbeherrschung im Energiegroßhandel derzeit nicht "beständig" feststellen lasse. Eine regelmäßige Überprüfung der Marktmacht auf den Energiegroßhandelsmärkten werde bereits durch das bestehende Monitoring gewährleistet. Der geplante Marktmachtbericht ziele dagegen darauf ab, einen Teil der Unternehmen von der Mißbrauchskontrolle auszunehmen. Dies könne zu überhöhten Preisen und langfristig zu neuen Überkapazitäten führen, falls sich durch den anstehenden Abbau von Überkapazitäten wieder deutlich höhere Preise am Markt einstellen sollten. Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur stünden dann vor der schwierigen Aufgabe, rein marktmachtbedingte Preisüberhöhungen, die rechtlich verfolgt werden könnten, von anderen Fällen zu unterscheiden.
Die Aufteilung Deutschlands in zwei Preiszonen, die sie vor vier Jahren vorgeschlagen hat (110907), hält die Kommission inzwischen nicht mehr für die bestgeeignete Lösung, um den Netzausbau zu beschränken. Sie begründet dies mit einer von ihr in Auftrag gegebenen Simulation, bei der Deutschland in eine Süd- und eine Nordzone aufgeteilt wurde, wobei die Südzone die Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Saarland umfaßte. "Die zu erwartenden Effekte auf den Netzausbau und die Gesamtwohlfahrt sind begrenzt, während mit großen Akzeptanzproblemen auf politischer Ebene zu rechnen wäre", heißt es in dem Gutachten. Die zeitweilige Aufteilung in zwei Preiszonen könne aber dennoch mittelfristig unvermeidbar sein, falls der Netzausbau weiterhin so langsam vorangehe und keine anderen Maßnahmen ergriffen würde.
Weiterhin für sinnvoll erachtet die Kommission dagegen ihren Vorschlag, künftig neben dem herkömmlichen Netzentgelt für den Strombezug zusätzlich ein abgestuftes Netzentgelt für die Erzeugung bzw. Einspeisung von Strom einzuführen, den sich auch der Sachverständigenrat beim Bundeswirtschaftsministerium zueigen gemacht hat (141110). Eine solche "G-Komponente" (G = generation bzw. Erzeugung) würde im Unterschied zur "L-Komponente" (L = load bzw. Last) nicht unmittelbar in die Endverbraucherpreise eingehen, aber das Netz entlasten und die Zahl der "Redispatch"-Anordnungen vermindern. Demnach müßten Stromerzeuger an verbrauchsfernen Standorten ein relativ hohes Entgelt für die Netzeinspeisung zahlen, während für Kraftwerke in Engpaßregionen diese Belastung niedriger ausfällt oder sogar zu einer Prämie wird. Die Monopolkommission denkt dabei insbesondere an die Einspeisung aus Erneuerbaren-Anlagen. Die Einführung einer solchen Regionalkomponente könne den von den erneuerbaren Energien getriebenen Netzausbau beschränken und sollte deshalb geprüft werden. Außerdem könne die Abregelung bestimmter Erneuerbaren-Anlagen in Zeiten negativer Strombörsenpreise den Netzausbaubedarf erheblich reduzieren.
Hartnäckig hält die Monopolkommission an dem Verdikt fest, daß die EEG-Förderung klimapolitisch sinnlos sei. Sie behauptet, das EEG besitze "keinerlei treibhausgasreduzierenden Effekt, da mit dem nationalen Effekt stets nur eine europäische Umverteilung der Emissionen im Rahmen des EU-ETS ausgelöst wird". Soweit damit ein technischer Fortschritt erzielt wurde, sei er "mit hohen Kosten verbunden". Aufgrund der massiven Förderung hätten sich die erneuerbaren Energien inzwischen weitgehend am Strommarkt etablieren können. Eine weitere Anschubfinanzierung sei deshalb nicht notwendig. Die Kommission empfiehlt, "die EEG-Förderung sukzessive auslaufen zu lassen" oder sie zumindest auf eine "technologieneutrale" Förderung umzustellen, die keine Rücksicht auf die erheblichen Differenzen bei den Stromgestehungskosten nimmt, wie sie etwa zwischen Wind und Photovoltaik bestehen.
Kommentar Dürftige Argumentation gegen das EEGDie Kritik an der Erneuerbaren-Förderung gehört seit jeher zu den fragwürdigen Passagen in den Berichten der Monopolkommission, die beispielsweise auch für die Privatisierung der Wasserversorgung wirbt (100712) oder vor einer Rekommunalisierung der Energieversorgung warnt (140712). Sie wirkt geradezu skurril, seitdem sich alle Bundestagsparteien auf die "Energiewende" verständigt haben, die ohne Erneuerbaren-Förderung nicht zu bewerkstelligen sein wird. Die Haltung der Kommission in solchen Fragen hat offenbar wenig mit Sachverstand zu tun, sondern ist ideologischen Scheuklappen bzw. ihrem neoliberalen Credo geschuldet. Auf derselben Linie lag die unbedarfte Kritik, die der Sachverständigenrat beim Bundeswirtschaftsministerium schon vor elf Jahren vorbrachte (040304). Die beim Bundesforschungsministerium angesiedelte Expertenkommission Forschung und Innovation wollte der EEG-Förderung sogar nicht einmal eine "meßbare Innovationswirkung" zugestehen, was aber von (echten) Experten leicht widerlegt werden konnte (140205). Ähnlich dürftig ist das Argument der Monopolkommission, daß das EEG nur eine europäische Umverteilung der Emissionen bewirke. Beispielsweise hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) aufgezeigt, daß der Emissionshandel und das EEG sich nicht ausschließen, sondern wechselseitig ergänzen können (090308). Für ein erfolgreiches Zusammenwirken müßte das Europäische Emissionshandelssystem allerdings erst einmal funktionieren und nicht so kläglich versagen, wie das bisher der Fall war (150802, 140406).
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