November 2011 |
111105 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die Energie Baden-Württemberg (EnBW) will die 48-prozentige Beteiligung der EWE an der ostdeutschen Verbundnetz Gas (VNG) nicht mehr erwerben. Zumindest ist sie nicht mehr bereit, die bis Jahresende laufende Option auf diese Anteile auszuüben und den dafür vereinbarten Kaufpreis von 1,4 Milliarden Euro zu bezahlen. Dies stellte sich jetzt heraus, nachdem die EWE auf der Übertragung bestand und für den 15. Dezember eine VNG-Hauptversammlung einberufen ließ, um die Anteilsübertragung zu genehmigen.
Die EnBW vertritt demgegenüber den Standpunkt, daß die im Mai 2009 vereinbarte Übertragung des VNG-Aktienpakets (090504) keine Kaufverpflichtung, sondern lediglich eine Option bedeute. Sie hat die Einberufung der Hauptversammlung mit dem Argument zu verhindern versucht, daß der zwischen beiden Unternehmen geschlossene Vertrag nur die gemeinsame Einberufung eines solchen Aktionärstreffens vorsehe. Ihr Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung gegen EWE wurde aber am 17. November vom Landgericht Berlin abgelehnt.
Die "strategische Partnerschaft", die im Juli 2008 zwischen beiden Unternehmen vereinbart wurde (080701), ist damit offenem Streit gewichen. Vor einem halben Jahr sah es noch anders aus: Da hatte der EnBW-Aufsichtsrat dem Abschluß eines Kaufvertrags mit EWE über das VNG-Aktienpaket ausdrücklich zugestimmt. Da der Einstieg bei VNG für die EnBW grundsätzlich nur als Vorstufe zur Erlangung der Aktienmehrheit sinnvoll wäre, gab dies zu Spekulationen über eine neue Kräfteverteilung hinter den Kulissen Anlaß (110408). Denn bisher hatten sich sowohl die EWE als auch die EnBW vergebens bemüht, die fehlenden paar Prozent zur Erlangung der Mehrheit an VNG zusammenzubringen. Inzwischen sieht es aber so aus, als habe sich der Konflikt schon damals zugespitzt und als ob der Beschluß des Aufsichtsrats nur dazu gedient habe, den unzufriedenen Partner EWE zu beschwichtigen.
Ein weiterer Streitpunkt ist die Rückgabe der 26-prozentigen Beteiligung an EWE, die EnBW im Juli 2008 erwarb. Dem "Handelsblatt" (7.11.) zufolge hat sich die EWE damals die Möglichkeit des Rückerwerbs der Anteile zusichern lassen, falls die unternehmerische Führung der EnBW, die damals die Electricité de France (EDF) ausübte, in andere Hände geraten sollte. Da die EDF-Beteiligung inzwischen vom Land Baden-Württemberg erworben wurde (101201), sieht die EWE nun diese Klausel als erfüllt an und will die kapitalmäßige Verflechtung mit der EnBW beenden. Diese hatte sich den Einstieg bei EWE damals 2,1 Milliarden Euro kosten lassen. Der hohe Kaufpreis hatte sicher damit zu tun, daß die EnBW auf diese Weise in Besitz der VNG zu gelangen hoffte. Inzwischen hat sie den Wert der Beteiligung an EWE um 300 Millionen Euro abschreiben müsse. Auch die 2,1 Milliarden Euro für das VNG-Aktienpaket, die mit EWE vereinbart wurden, gelten inzwischen als deutlich überhöht, da die VNG in diesem Jahr tief in die Verlustzone zu geraten droht. Die EWE würde also gleich zweimal profitieren, wenn sie ihre VNG-Aktien zum überhöhten Preis und ihre eigenen Aktien zum Marktpreis zurückbekäme. Vermutlich dient aber die eine Forderung nur als Druckmittel, um die andere durchzusetzen.