Mai 2011 |
110502 |
ENERGIE-CHRONIK |
Zusätzlich zu den acht Kernkraftwerken, deren Stromerzeugung durch das dreimonatige "Moratorium" der Bundesregierung blockiert wird, sind bis Ende Mai noch die Kernkraftwerke Grafenrheinfeld (26.3.), Gundremmingen B (2.5.), Grohnde (3.5.), Philippsburg 2 (14.5.) und Emsland (21.5.) vorübergehend abgeschaltet worden. Der Grund waren seit langem geplante Revisionen, die sich nicht oder kaum verschieben lassen. Da in Grafenrheinfeld die Revisionsarbeiten nicht zum ursprünglich vorgesehenen Termin (13.5.) abgeschlossen werden konnten, waren ab 21. Mai nur noch vier der 17 deutschen Kernkraftwerke am Netz. Die Zahl der insgesamt abgeschalteten Anlagen erhöhte sich von acht auf dreizehn und die dadurch entfallende Nettoleistung von 8422 MW auf 15182 MW. Hinzu kamen revisionsbedingte Stillstände in Kohlekraftwerken. Der Ausfall an Kraftwerksleistung war damit insgesamt noch größer als die gut 16000 MW, die von der Bundesnetzagentur im April prognostiziert wurden (110401).
Die vier Transportnetzbetreiber TenneT, Amprion, 50Hertz und EnBW, die für den Betrieb der vier Regelzonen in Deutschland und für die Gewährleistung der Versorgungssicherheit verantwortlich sind, warnten am 22. Mai vor einer Weiterführung des Moratoriums. In einer gemeinsamen Erklärung verwiesen sie darauf, daß die Stabilität der Stromversorgung bisher nur dank günstiger Rahmenbedingungen und einer Reihe von Sondermaßnahmen gesichert werden konnte. Der Handlungsspielraum und die verfügbaren Werkzeuge zur Erhaltung der Systemstabilität seien weitgehend erschöpft. Vor allem im Winterhalbjahr werde das Risiko großflächiger Stromausfälle zunehmen. Die bisherigen Untersuchungen hätten gezeigt, daß an sehr kalten Wintertagen mit geringer Windeinspeisung in Süddeutschland rund 2000 MW an gesicherter Leistung fehlen könnten. Wegen der weitreichenden Auswirkungen des Moratoriums auf das elektrische System in Europa werde man auch die Netzbetreiber der Nachbarländer informieren. Bereits im Sommer könne es bei anhaltender Trockenheit wieder zu europaweiten Engpässen bei der Stromversorgung (030801, 060704) und damit zu einer zusätzlichen Gefährdung der Versorgungssicherheit kommen.
In einer gemeinsamen Pressemitteilung verwiesen die Netzbetreiber ferner darauf, daß sie die gegenwärtige Situation nur durch eine besonders starke Inanspruchnahme der Ausnahmeregelungen in § 13 EnWG meistern können, die bereits in der Vergangenheit über Gebühr strapaziert wurden (101011).
"Der freie Strommarkt wird damit über große Zeiträume faktisch ausgesetzt. Fernab von jedem operativen Normalbetrieb wird das elektrische System zeitweise angespannter denn je betrieben. Es wird dann nur mit erheblichen operativen Eingriffen gerade noch gemäß europäischen Mindest-Sicherheitsstandards zu betreiben sein. Durch verstärkten Eingriff in die Fahrweise von Erzeugungsanlagen (sog. 'Redispatch'), durch Verschiebung und Umplanung von dringenden Netzinstandhaltungs- und - ausbaumaßnahmen, durch massive Eingriffe in den Strommarkt sowie durch Verschiebungen von Kraftwerksrevisionen werden alle Hebel zur Stabilisierung des elektrischen Systems eingesetzt. Trotz all dieser Maßnahmen steigt aber das Risiko für Netzstörungen, da die Reserven und Eingriffsmöglichkeiten der Netzbetreiber nahezu aufgezehrt sind. In Folge dessen sind großflächige Versorgungsausfälle im Falle von Mehrfachfehlern wahrscheinlicher als jemals zuvor."