August 2003

030801

ENERGIE-CHRONIK


Hitze führte zu Engpässen bei der Stromversorgung

Die wochenlang andauernde Hitze führte im August in Deutschland und anderen Teilen Europas zu Engpässen bei der Stromversorgung. Hauptursache war die Erwärmung von Flüssen: Etliche Wärmekraftwerke mußten ihre Leistung drosseln, um nicht mit ihrem Kühlwasser die Flüsse stärker zu erwärmen, als dies aus ökologischen Gründen zulässig ist. Die Wasserkraftwerke erzeugten wegen der geringeren Wasserführung der Flüsse ebenfalls weniger Strom. Hinzu kam ein weitgehender Stillstand der Windkraftanlagen. Die Stromknappheit ließ die Preise an den Spot- und Terminmärkten der Strombörsen weiter in die Höhe schießen. In der Öffentlichkeit gab es kritische Stimmen, die diese bislang einmalige Versorgungskrise auch auf eine verfehlte Liberalisierung des Strommarktes zurückführten. Hinter dem Preisanstieg an den Börsen wurden zum Teil geschäftliche Manipulationen vermutet, die sich die mangelnde Liquidität und Transparenz des liberalisierten Strommarktes zunutze machen würden ( 030804).

EnBW und Landesregierung riefen Bevölkerung zum Stromsparen auf

Am stärksten betroffen war die Energie Baden-Württemberg (EnBW), die am 8. August die Bevölkerung zum Stromsparen aufrief. Auch die Stuttgarter Landesregierung erließ mehrfach entsprechende Appelle. Das Kernkraftwerk Obrigheim, das keinen Kühlturm besitzt und direkt vom Neckar gekühlt wird, wurde am 5. August vorzeitig zur Revision abgeschaltet. Die Kernkraftwerke Philippsburg und Neckarwestheim mußten ihre Leistung auf 80 Prozent herunterfahren, damit die höchstzulässige Temperatur von 25 Grad für den Rhein bzw. 26 Grad für den Neckar nicht überschritten wurde. Erschwerend kam für die EnBW hinzu, daß ihr Großaktionär und Hauptlieferant EDF nicht aushelfen konnte, weil er selber eine Reihe von Kernkraftwerken wegen der Hitze drosseln mußte und zudem noch Einbußen bei der Stromerzeugung aus Wasserkraft hatte.

Stärkere Erwärmung der Flüsse genehmigt

Das Stuttgarter Umweltministerium teilte am 8. August mit, daß es eine Überschreitung der zulässigen Flußtemperaturen angesichts der "derzeitigen energiewirtschaftlichen Ausnahmesituation" für zunächst eine Woche tolerieren werde. Die EnBW teilte daraufhin am 12. August mit, daß die "Lage ernst, aber nicht dramatisch" sei. Dank der wasserrechtlichen Ausnahmegenehmigungen und "erfolgreicher Stromzukäufe im derzeit sehr engen Strommarkt" stünden Stromausfälle nicht unmittelbar bevor. Bei unverminderter Fortdauer der Hitzewelle könnten aber "sektorale Abschaltungen über jeweils kürzere Zeiträume nötig werden, um so die Funktion des Gesamtnetzes sicherzustellen".

"EnBW soll Versorgung gewährleisten statt die Bevölkerung zu verunsichern"

Die Ausnahmeregelung der CDU-Landesregierung wurde von SPD und Grünen kritisiert, weil sie es der EnBW erlaube, den durchaus möglichen Zukauf von Strom auf dem Markt zu Lasten der Umwelt zu vermeiden. Auch die energiepolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion, Carmina Brenner, machte sich schließlich diese Sicht zueigen: Sie forderte die EnBW auf, die Versorgung zu gewährleisten, "anstatt mit dem Gerede über Stromabschaltungen die Bevölkerung zu verunsichern". Offensichtlich seien betriebswirtschaftliche Gründe der Anlaß für die Diskussion über Stromabschaltungen. Am 18. August kamen Landesregierung und EnBW-Vertreter bei einer weiteren Gesprächsrunde zu dem Ergebnis, daß die Ausnahmegenehmigungen für Neckar und Rhein aufgehoben werden könnten.

Geringere Engpässe auch bei E.ON, RWE und Vattenfall

Engpässe gab es in geringerem Ausmaß auch bei den drei anderen Großstromerzeugern und Verbundnetzbetreibern: E.ON mußte die Kernkraftwerke Isar 1, Unterweser und Stade drosseln. Vattenfall senkte die Leistung der Elbe-gekühlten Kernkraftwerke Brokdorf, Krümmel und Brunsbüttel. Der RWE-Konzern konnte eine Leistungsminderung in Biblis nur verhindern, indem er die Kühltürme des derzeit stillgelegten Blocks A zusätzlich zur Kühlung von Block B verwendete. Das Kernkraftwerk Isar 1, das direkt von der Isar gekühlt wird, hätte trotz der Leistungsminderung wegen der weiter ansteigenden Flußtemperatur vom Netz genommen werden müssen. Die E.ON Kernkraft GmbH erhielt aber vom bayerischen Umweltministerium eine auf vier Wochen befristete Ausnahmegenehmigung, die ihr die Erwärmung des Isar-Wassers bis auf 27 Grad gestattete.

Ähnliche Situation bereits in früheren Jahren

Leistungsreduzierungen und Abschaltungen von Kraftwerken infolge sommerlicher Hitze sind nichts neues. Zum Beispiel hatte schon im Juli/August 1994 (940814) sowie im folgenden Sommer des Jahres 1995 (950810) die anhaltende hochsommerliche Hitze das Wasser der Flüsse derart erwärmt, daß in mehreren Kraftwerken die Stromerzeugung eingeschränkt oder sogar gestoppt werden mußte, um die jeweils zulässige Höchsttemperatur des Kühlwassers einzuhalten. Das Problem tritt grundsätzlich bei allen Wärmekraftwerken auf, ob sie mit Kernkraft, Kohle oder Gas betrieben werden. Allerdings sind Kernkraftwerke besonders leistungsfähig. Deshalb ist ihre Kühlwasserabgabe besonders relevant für das ökologische Gleichgewicht der Flüsse und wirkt sich eine Leistungsminderung bei ihnen besonders stark auf die Stromproduktion aus. Bei den Kohlekraftwerken sind die Braunkohlekraftwerke insofern nicht betroffen, als sie in der Regel mit Grundwasser aus den Tagebauen gekühlt werden.

Bei Wasserkraftwerken ergibt sich eine Leistungsminderung durch die verminderte Wasserführung der Flüsse infolge der sommerlichen Hitze bzw. fehlender Niederschläge. Grundsätzlich schwankt die Leistung der Wasserkraftwerke in Abhängigkeit von der Niederschlagsmenge. Beispielsweise erreichten sie 1990 nur 92 Prozent der Produktion eines Normaljahres, lagen aber 2001 bei 121 Prozent. Allerdings hat die Wasserkraft in Deutschland nur einen Anteil von etwa fünf Prozent an der gesamten Netto-Stromerzeugung. Eine Minderung der Kraftwerksleistung schlägt deshalb hier bei weitem nicht so zu Buche wie bei den Wärmekraftwerken, die etwa 88 Prozent der Stromproduktion bestreiten.

In den Medien fand die Stromverknappung durch das Kühlungsproblem große Aufmerksamkeit, wobei mitunter der falsche Eindruck entstand, als ob es sich um ein sicherheitstechnisches Problem der Kernkraftwerke handele. Zum Beispiel hieß es in der ARD-Tagesschau vom 6. August 2003 zur Leistungsreduzierung des Kernkraftwerks Isar 1: "Der Grund: Das Wasser der Isar hat schon 24 Grad und kann den Reaktor nicht mehr kühlen." Zur Verwirrung trug auch bei, daß die EDF das Reaktorgebäude des französischen Kernkraftwerks Fessenheim von außen mit Wasser besprühen ließ, was mit der eigentlichen Reaktorkühlung nichts zu tun hatte, sondern das Arbeitsklima für die im Innern des Gebäudes Beschäftigten erträglich gestalten sollte.

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