April 2011

110402

ENERGIE-CHRONIK


Bundesregierung will Atom-Wende bis zur Sommerpause durchziehen

Die schwarz-gelbe Bundesregierung will ihre Wende in der Atompolitik endgültig vom Ruch eines nur wahltaktisch bedingten Manövers befreien. Noch vor der Sommerpause soll deshalb der Bundestag ein Gesetzespaket zum Ausstieg aus der Kernenergie beschließen. Es wird nicht nur die Laufzeiten-Verlängerung rückgängig machen, sondern auch flankierende Maßnahmen wie die Beschleunigung des Netzausbaues enthalten. Die Verabschiedung der entsprechenden Gesetzesvorlagen durch das Kabinett ist für den 6. Juni geplant. Die Bundesregierung will sich dabei auf das Ergebnis der Sicherheitsüberprüfung stützen, das die Reaktorsicherheitskommission bis zum 16. Mai vorlegt, und auf die Empfehlungen der sogenannten Ethik-Kommission (110302), die ihre Arbeit am 27. Mai beendet. Bei einem Gespräch mit den Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer erhielt die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auch von den SPD-regierten Ländern die Zusicherung, daß sie das beschleunigte Gesetzgebungsverfahren unterstützen und am 17. Juni im Bundesrat zustimmen werden.

Unpopuläre Gesetze werden als Opfer für den Ausstieg deklariert

Für das blitzartige Durchziehen der atompolitischen Wende gibt es ebensowenig einen sachlichen Grund wie für das "Moratorium", das zur Abschaltung von fünf KKW führte. Die Hektik des Gesetzgebungsverfahrens entspringt vielmehr den Gesetzen der politischen Dramaturgie. Die schwarz-gelbe Koalition will ihren Kurswechsel zementieren, bevor der mediale Druck nachläßt und sich die Gegner des Atomausstiegs in den eigenen Reihen neu formieren können. Zugleich will sie unter dem Eindruck der Katastrophe in Japan eine Reihe von umstrittenen Maßnahmen durchsetzen, die nun als notwendige Opfer zur Ermöglichung des Atomausstiegs deklariert werden. Dazu zählen etwa die beschleunigte Genehmigung von Hochspannungstrassen, Pumpspeicherkraftwerken oder Windkraftanlagen ohne Rücksicht auf die Einsprüche von betroffenen Eigentümern oder Landschaftsschützern. Stärkeren Rückenwind erhalten nun auch die Pläne zur Abscheidung und Ablagerung von Kohlendioxid, um den Bau neuer Kohlekraftwerke zu ermöglichen (110407). Die Aussicht auf solche Gesetzesänderungen dürfte sogar die vier Energiekonzerne zum Teil damit versöhnen, daß sie ihre Kernkraftwerke früher abschalten müssen.

Drei Viertel der Bürger halten das "Moratorium" für richtig

Eine zügige Festschreibung des atompolitischen Kurswechsels ist für die schwarz-gelbe Koalition vor allem notwendig, um weiteren Desastern wie bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg (110306) vorzubeugen. Laut FAZ (11.4.) bewerten rund drei Viertel der Bürger das "Moratorium" für die sieben ältesten deutschen Kernkraftwerke als richtige Entscheidung, obwohl sich das Risiko eines nuklearen Störfalls in Deutschland durch die Katastrophe in Japan objektiv nicht verändert hat und die durch das "Moratorium" bewirkte Gefährdung der Versorgungssicherheit weit realer ist (110401). 49 Prozent der Befragten hegen zwar noch immer den Verdacht, daß der Kurswechsel wahltaktisch bedingt gewesen sei. Genausoviel halten aber der Bundesregierung wohlwollend zugute, daß sie aus der Katastrophe in Japan gelernt habe und daß dies der Grund des abrupten Kurswechsels in der Atompolitik sei.

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