Juni 2010

100613

ENERGIE-CHRONIK


Stadt Pulheim streitet mit RWE um die Netzübernahme

Die Stadt Pulheim nordwestlich von Köln (54.000 Einwohner) streitet mit dem RWE-Konzern um die Übernahme des kommunalen Stromnetzes. Während sie nur 14 Millionen Euro dafür zahlen will, verlangt RWE das Doppelte. Der Streit hat auch damit zu tun, daß RWE bei der Ausschreibung für die neu zu gründenden Stadtwerke unterlegen ist und sich die Kommune stattdessen für das vom französischen Veolia-Konzern angebotene Partnerschaftsmodell entschieden hat. Der unterlegene Konzern hegt nun "grundsätzlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Konzessionsvergabe an die Stadtwerke Pulheim" und hat eine gerichtliche Überprüfung des Vergabeverfahrens vor dem Landgericht Dortmund beantragt.

Wie die RWE Rheinland Westfalen Netz AG am 1. Juni mitteilte, ist die Stadt Pulheim mit dem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf gescheitert. Anstatt die verlangte Herausgabe des Netzes sowie zusätzlicher Daten zur Ermittlung des Netzwertes anzuordnen, habe das Gericht die Auffassung von RWE bestätigt, daß man alle vertraglich vereinbarten Informationen vorgelegt habe und ein Gutachter auf dieser Basis in der Lage sei, einen Kaufpreis für das Pulheimer Stromnetz zu bestimmen. Im Rahmen eines vom Gericht vorgeschlagenen Vergleichs habe die Stadt Pulheim daraufhin ihren Antrag zurückgezogen.

Die Stadtwerke Pulheim bestätigten auf Anfrage die Rücknahme ihres Antrags auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung gegen RWE. Man habe sich zu dem Vergleich bereitgefunden, um ein zeitlich aufwendiges Gutachterverfahren zu vermeiden. Auch das Oberlandesgericht sei der Ansicht, daß RWE das Pulheimer Stromnetz nach dem Auslaufen des Konzessionsvertrags nicht mehr beanspruchen könne. Zugleich habe es die von RWE geäußerten Zweifel an der korrekten Durchführung des Konzessionsvergabeverfahrens zurückgewiesen. Die Richter hätten jedoch empfohlen, die Herausgabe der Netze in einem Hauptsacheverfahren einzuklagen. Dies werde jetzt der nächste Schritt sein.

"Keine französische Mogelpackung"

Den von der "Wirtschaftswoche" (11.6.) unter der Überschrift "David als Mogelpackung" kolportierten Vorwurf, hinter den neu gegründeten Stadtwerken Pulheim verberge sich eigentlich der französische Veolia-Konzern, wiesen die Stadtwerke zurück. Mit einer städtischen Beteiligung von 51 Prozent seien sie echte Stadtwerke und keine Mogelpackung. "Die Stadtwerke sitzen, arbeiten und zahlen Steuern in Pulheim." Die französische Veolia und deren Tochter BS-Energy (Stadtwerke Braunschweig) besäßen nur 49 Prozent. Die Stadtwerke würden von der Kommune auch nicht lediglich als Einnahmequelle angesehen, sondern über ihre Mehrheit im Aufsichtsrat mit dem Bürgermeister als Vorsitzenden "maßgeblich strategisch gesteuert".

Stadt nutzte Auslaufen der Konzessionsverträge

In Pulheim waren die Konzessionsverträge mit RWE (für Strom) und mit der GVG Gasversorgung Rhein-Erft (für Gas) zum 31.Oktober 2009 ausgelaufen. Die Stadt nutzte die Gelegenheit, um die schon seit längerem erwogene Gründung eigener Stadtwerke in die Tat umzusetzen. Im Januar 2009 entstand so die Pulheimer Energie-Netz Gesellschaft (PENG), die im Herbst 2009 in Stadtwerke Pulheim GmbH umbenannt wurde.

Die Geschäfte der Stadwerke besorgt faktisch Veolia

Allerdings wollte die Stadt Pulheim das operative Geschäft nicht selbst betreiben, sondern einem erfahrenen und finanzkräftigen Partner aus der Energiewirtschaft überlassen. Im Rahmen der darauf erfolgten Ausschreibung und den anschließenden Verhandlungen gaben sechs große Unternehmen aus der Energiewirtschaft jeweils ein Angebot ab. Darunter befanden sich auch die bisherigen Netzbetreiber RWE und GVG (eine Tochter der Kölner RheinEnergie). Den Zuschlag erhielt im August 2009 jedoch der Veolia-Konzern, der in Form einer Bietergemeinschaft aus der Veolia Wasser und den ebenfalls zum Konzern gehörenden Braunschweiger Stadtwerken (BS-Energy) angetreten war. Faktisch wird damit der Netzbetrieb sowie die Gewinnung von Strom- und Gaskunden durch die Stadtwerke Pulheim von Veolia besorgt.

In Deutschland gehören Veolia vor allem die Stadtwerke Braunschweig

Bei Veolia handelt es sich um die frühere Compagnie Générale des Eaux, die sich 1998 in Vivendi umbenannte und infolge des schrittweisen Rückzugs von Vivendi 2005 ihren heutigen Namen erhielt. 1999 wurden die Konzerngesellschaften Vivendi Water (Wasser), Onyx (Entsorgung), Dalkia (Energie) und Connex (Verkehr) in der Vivendi Environnement zusammengefaßt, die seit 2003 Veolia Environnement heißt. In Deutschland ist Veolia Environnement mit fünf Tochtergesellschaften für die Bereiche Wasser, Verkehr, Entsorgung und Energieeffizienz vertreten. Die Tochter Veolia Wasser Gmbh mit Sitz in Berlin und rund 7500 Beschäftigten fungiert dabei als Partner von fast 450 Kommunen im Geschäft mit Wasser/Abwasser sowie Strom, Gas und Fernwärme.

In Deutschland kooperierte Veolia/Vivendi zunächst mit RWE. Gemeinsam stiegen beide 1999 bei den Berliner Wasserbetrieben ein (990624) und gründeten die erfolglose Multi-Utility-Tochter Avida (011223). Die wachsende geschäftliche Rivalität machte der Zusammenarbeit ein Ende. Die Berliner Wasserbetriebe sind jedoch nach wie vor ein Gemeinschaftsunternehmen von RWE und Veolia Wasser (091108). Seit Mai 2001 besitzt Veolia die Mehrheit bei den Stadtwerken Görlitz (010509). Der französische Konzern bewarb sich außerdem um Beteiligungen an den Stadtwerken Lübeck (021211) und Göttingen (010807) sowie um Gelsenwasser (030812). Die wichtigste Erwerbung in Deutschland waren 2005 die Stadtwerke Braunschweig (041206). Die Veolia Wasser GmbH verfügt ferner über Beteiligungen an den Stadtwerken Weißwasser (74,9 %), Springe (16,5 %) und Thale (100 %) sowie mehreren Wasserversorgern. Die Beteiligungen werden größtenteils über die Töchter OEWA und BS-Energy gehalten.

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