Juni 2010

100612

ENERGIE-CHRONIK


Vorteile der Kraft-Wärme-Kopplung werden überschätzt

Die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) ist der getrennten Erzeugung von Strom und Wärme hinsichtlich der Brennstoffausnutzung keineswegs immer überlegen, weil es auf die Betriebsweise der Anlagen ankommt. So lautet eine der Schlußfolgerungen aus der Studie "Elektrizität: Schlüssel zu einem nachhaltigen und klimaverträglichen Energiesystem", die von der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) im Juni veröffentlicht wurde. Die Studie untersucht auf 123 Seiten die Erzeugung und Nutzung elektrischer Energie unter dem Gesichtspunkt der Effizienz und Umweltfreundlichkeit. Im wesentlichen ruft sie bekannte und in der Fachwelt unumstrittene Tatsachen ins Gedächtnis, die unter dem Einfluß von Lobby-Interessen in der energiepolitischen Diskussion oft vernachlässigt, überschätzt oder ausgeblendet werden. Nebenbei bricht sie eine Lanze für die Kernenergie und die Verlängerung der Laufzeiten der bestehenden Kernkraftwerke, was bei der teilweise eng mit der Atombranche verbundenen Klientel der DPG nicht wundernimmt. Insofern sind die Studie und der Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung sicher auch nicht frei von Lobby-Interessen.

Wärme und Strom sind unterschiedliche Energie-Qualitäten

Am pointiertesten nimmt die Studie zur Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) Stellung, die in der umweltpolitischen Diskussion oft als eine Art Patentlösung angepriesen wird, weil sie prinzipiell eine bessere Brennstoffausnutzung als die getrennte Erzeugung von Strom und Wärme ermöglicht (häufig wird dabei die Brennstoffausnutzung mit dem Wirkungsgrad verwechselt). KWK-Anlagen genießen deshalb seit zehn Jahren eine besondere Förderung (000301), die aktuell durch das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) und das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in der 2008 verabschiedeten Fassung geregelt wird (080601). Seit Ende 2007 verfolgt die Bundesregierung das erklärte Ziel, den Anteil der KWK-Anlagen an der Stromproduktion bis 2020 von rund zwölf auf 25 Prozent zu verdoppeln (071204).

Nach Ansicht der Studie bietet die KWK jedoch im energetischen Wettbewerb mit GuD-Kraftwerken und Wärmepumpen geringere Vorteile und wird in Zukunft noch weiter zurückfallen. Daß sie sich dennoch solcher politischen Wertschätzung erfreue, habe mit einer Reihe fehlerhafter Annahmen zu tun. Vor allem würden oft nicht äquivalente Größen miteinander verglichen, indem man Wärme (geringer Exergiegehalt) und Strom (reine Exergie) einfach addiert und die so errechnete "Brennstoffausnutzung" als alleinigen Gütefaktor heranzieht. In ähnlicher Weise werde oft KWK-Strom aus Erdgas mit Strom aus Kohlekraftwerken verglichen, eine neue KWK-Anlage einem alten Kraftwerk und Heizkessel gegenübergestellt oder übersehen, daß die "Abwärmenutzung" durch eine gravierende Einbuße am elektrischen Wirkungsgrad erkauft wird. Auch verschlechtere sich die Effizienz von KWK, wenn man die gesamte Fernwärmelieferung inklusive der zusätzlich notwendigen Wärmeerzeugung durch Spitzenkessel berücksichtige, anstatt nur die Wärme aus der KWK-Anlage zu betrachten.

KWK-Einspareffekt läßt sich nicht an der produzierten Strommenge erkennen

Die Studie glaubt sogar, daß sich Kraft-Wärme-Kopplung kontraproduktiv auf die Bemühungen zur Einsparung von Heizenergie auswirken kann, weil verstärkte Wärmedämmung von Gebäuden die Wirtschaftlichkeit von Fernwärmversorgungen in Frage stellt. Relativ günstig werden dagegen dezentrale Anlagen nach Art des "Zuhause-Kraftwerks" (090902) beurteilt, die wärmegeführt sind und Strom nur als Nebenprodukt erzeugen.

Das Fazit lautet: KWK ist eine moderne und thermodynamisch anspruchsvolle Form zur Gewinnung von Endenergie aus Brennstoffen. Eine allgemeine und alleine im Verfahren gründende Subventionswürdigkeit ist jedoch aus Gründen der Energieeinsparung nicht gegeben. Der Einspareffekt läßt sich nicht an der produzierten Strommenge erkennen. Er muß vielmehr als Differenz zu den Referenzanlagen der getrennten Erzeugung von Strom und Wärme berechnet werden. Falls man KWK fördern will, sollte deshalb die nachgewiesene Einsparenergie als Maß für den Zuschuß zugrunde gelegt werden.

"Netzparität" taugt nicht zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Solarstrom

Die Photovoltaik wird nach Feststellung der Studie in Deutschland bis auf weiteres eine genauso teure wie unergiebige und wegen der fluktuierenden Erzeugung geringerwertige Art der Stromerzeugung bleiben. Für das Jahr 2015 sei noch immer mit Erzeugungskosten von 20 bis 24 Cent pro Kilowattstunde zu rechnen. Das Argument, damit sei Solarstrom genauso teuer wie Haushaltsstrom, ignoriere die unterschiedliche Zusammensetzung der Vergleichsgrößen. Der von der Solar-Lobby neuerdings gern gebrauchte Begriff "Netzparität" sei deshalb untauglich zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit. Das gelte auch für den Fall, daß der Strom nicht eingespeist, sondern selbst verbraucht wird, denn dann müßten auch noch die zusätzlichen Kosten für Speicheranlagen bzw. Vorhaltung von Generatorkapazitäten berücksichtigt werden.

Vorrang der EEG-Einspeisung ist langfristig nicht aufrechtzuerhalten

Bei Windkraftanlagen sei die gesicherte Leistung mit insgesamt 5 bis 10 Prozent der installierten Nennleistung sogar noch geringer als bei Solarzellen (etwa zehn Prozent). Lediglich Offshore-Anlagen kämen auf 20 bis 25 Prozent. Dennoch stelle die stürmische Zunahme der Windstromeinspeisung das Netz vor gewaltige Probleme. Schon 2003 sei die Sicherheit des Netzes nicht mehr nach den definierten Standards gewährleistet gewesen. Bei bestimmten, nicht auszuschließenden Fehlern im Übertragungsnetz oder dem plötzlichen Ausfall eines großen konventionellen Kraftwerks hätte es zu kritischen Netzzuständen mit großflächigen Spannungseinbrüchen kommen können, die letztendlich die im europäischen Stromverbund vorgehaltene Reserve von drei Gigawatt überfordert hätten – mit der Folge eines weiträumigen Netzzusammenbruchs. Perspektivisch führe die Zunahme der fluktuierenden Einspeisung von Windstrom bei der geplanten Verringerung der Kernkraftwerke spätestens ab 2015 dazu, daß die Netzstabilität wieder zunehmend kritischer werde. Langfristig werde sich nicht vermeiden lassen, daß die durch das EEG zugesicherte vorrangige Einspeisung von Windstrom aufgegeben wird und ein Abregeln von Windanlagen in die zur Verfügung stehenden Anpassungsmöglichkeiten in lastkritischen Situation einbezogen wird.

Stromverbrauch wird in allen Bereichen weiter zunehmen

Der Endenergieverbrauch der Haushalte wird nach Ansicht der Studie aufgrund verbesserter Gebäudetechnik vermutlich sinken. Beim Stromverbrauch sei dagegen trotz Sparbemühungen und Effizienzverbesserungen in allen Sektoren eine weitere Zunahme zu erwarten. Bei den Haushalten sorgen dafür vor allem die Verlagerung der Heizung auf Wärmepumpen sowie die weitere Aufrüstung mit Informations-, Kommunikations- und Unterhaltungselektronik. Ob durch "intelligente" Zähler und ähnliche Technik wesentliche Einsparungen von elektrischer Energie erreicht werden können, bleibe abzuwarten.

Beim Elektroauto bleibt die Batterie der wunde Punkt

Zu den Aussichten des Elektroautos heißt es, daß bis zur Marktdurchdringung mit rein batteriebetriebenen Fahrzeugen mindestens noch zwanzig Jahre vergehen werden. Die technischen Grundlagen für das Elektrofahrzeug seien im Prinzip vorhanden. Vor allem wegen der Probleme bei der Energiezuführung (Batterien) könne aber nicht als sicher gelten, daß der Durchbruch überhaupt gelingen wird.

Auch Kernkraftwerke lassen sich regeln

Im Einklang mit der neuerdings von der Atom-Lobby betonten "Flexibilität von Kernkraftwerken" (100312, 100516) verweist die Studie darauf, daß Kernkraftwerke nicht unbedingt rund um die Uhr mit gleichbleibender Leistung betrieben werden müssen (obwohl dies für die Betreiber normalerweise am profitabelsten ist). Man kann ihre Stromerzeugung vielmehr abregeln und so negative Regelenergie zum Ausgleich eines Überangebots an Windstrom bereitstellen (was ebenfalls Geld bringt).

Bei Bedarf könnten die Kernkraftwerke ihre Leistung in nur zwei Minuten um zwanzig Prozent der Nennleistung verändern, heißt es in der Studie. Innerhalb von zehn Minuten könnten sie sogar von Vollast auf halbe Leistung gehen. Dadurch verstärkte Effekte wie Materialermüdung seien in der Auslegung berücksichtigt und unterlägen der laufenden Überwachung. Bei mehreren deutschen KKW werde von dieser Flexibilität bereits öfter Gebrauch gemacht, um Schwankungen im Windstrom-Angebot aufzufangen. Eine Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke stehe deshalb dem weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien nicht im Wege.

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