Mai 2009 |
090501 |
ENERGIE-CHRONIK |
EU-Kommissionspräsident Barroso, Aserbaidschans Präsident Alijew und der türkische Präsident Gül mit der Abschlußerklärung des Prager Treffens für eine neue "östliche Partnerschaft". Pressefoto eu2009.cz
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Auf einem Gipfeltreffen mit Gaslieferanten aus dem Raum des Kaspischen Meers warb die Europäische Union am 8. Mai in Prag für die Entwicklung eines "südlichen Korridors für Energie und Verkehr". Der Begriff steht im wesentlichen für das Projekt "Nabucco", das eine von Rußland unabhängige Gasversorgung Europas sicherstellen soll, mit den erforderlichen Anbindungsleitungen (090102). Er umfaßt aber auch Planungen für eine Pipeline, die Gas aus dem Kaspischen Becken über die Türkei nach Griechenland und Italien transportiert (ITGI) sowie für eine Pipeline, die von Georgien durch das Schwarze Meer nach Rumänien führen soll (White Stream).
Zu dem Gipfel eingeladen waren Aserbaidschan, Ägypten, Georgien, Irak, Kasachstan, die Türkei, Turkmenistan und Usbekistan als Lieferländer sowie Vertreter Rußlands, der USA, der Ukraine und internationaler Finanzinstitutionen (EIB, EBWE und Weltbank) als Beobachter. Die EU wurde durch Kommissionspräsident Barroso, den tschechischen Ratspräsidenten Topolanek und Energiekommissar Piebalgs vertreten. Der Irak folgte der Einladung allerdings nicht. Bei den Unterzeichnern der Abschlußerklärung fehlten Kasachstan, Turkmenistan und Usbekistan. Dem ersten Gipfel der neuen "Östlichen Partnerschaft" sollen im Abstand von zwei Jahren weitere Treffen folgen.
Rußland treibt unterdessen den Bau der Gaspipelines "Nord Stream" durch die Ostsee und "South Stream" durch das Schwarze Meer weiter voran. Am 15. Mai unterzeichnete die Gazprom im russischen Sotschi weitere Abkommen mit Energieunternehmen aus Bulgarien, Serbien, Rumänien und Italien, die am Bau von "South Stream" beteiligt sind. Der russische Staatsmonopolist und sein italienischer Hauptpartner ENI vereinbarten ferner einer Verdoppelung der bisher geplanten South-Stream-Kapazität von 31 auf 63 Milliarden Kubikmeter jährlich. Die Unterzeichnung der Vereinbarung erfolgte im Beisein der beiden Regierungschefs Putin und Berlusconi. Italien betätigte sich damit erneut als Gehilfe Rußlands bei der Durchkreuzung der EU-Gasstrategie im kaspischen Raum (070612).
Das nach wie vor gespannte Verhältnis zwischen Rußland und der EU zeigte sich auch bei einem bilateralen Energiegipfel, der am 21./22. Mai in Chabarowsk stattfand. Der russische Präsident Medwedjew äußerte Bedenken gegen die in Prag beschlossene "östliche Partnerschaft" mit sechs Nachfolgestaaten der Sowjetunion und hegte den Verdacht, daß einige der Beteiligten eine Partnerschaft gegen Rußland im Sinne hätten. EU-Präsident Barroso vertrat dagegen die Ansicht, damit werde die Stabilität in dieser Region gefördert. Nach wie vor ist Rußland auch nicht bereit, die Energie-Charta zu ratifizieren oder deren Grundsätze in einem neuen Partnerschaftsvertrag mit der EU zu verankern (090201).
Unterdessen bahnt sich bereits eine neue Auseinandersetzung um die russischen Gaslieferungen für die Ukraine an. Auf dem Gipfel in Chabarowsk äußerte sich Medwedjew besorgt darüber, daß die Ukraine ihre Gasrechnung demnächst nicht wieder bezahlen könne und forderte die EU zu finanzieller Hilfestellung auf. Anscheinend handelte es sich dabei nicht nur um eine bloße Retourkutsche auf die vereinbarte EU-Hilfe zur Sanierung der ukrainischen Gaswirtschaft (090307). Am 26. Mai bekräftigte Gazprom-Chef Alexey Miller nach einem Treffen mit dem Chef der ukrainischen Naftogas, Oleg Dubina, daß die ukrainische Seite offenbar nicht in der Lage sei, das im Mai aus Rußland bezogene Erdgas zu bezahlen. Die Lage sei "sehr, sehr ernst", und Gazprom müsse sich vorbehalten, für alle künftigen Lieferungen auf Vorauskasse zu bestehen.
Vor dem Gipfel in Chabarowsk fand am 30. April in Moskau die vierte Tagung des Ständigen Partnerschaftsrates EU-Rußland zu Energiefragen statt. Beide Seiten setzten damit die vertrauensbildenden Maßnahmen im Anschluß an die Gaskrise vom Januar fort.