Januar 2009

090113

ENERGIE-CHRONIK


Weitere Strafbefehle für "Lustreisen" von Kommunalpolitikern

In der seit über drei Jahren anhängigen Affäre um die "Lustreisen", zu denen sich zahlreiche Kommunalpolitiker von Energieunternehmen einladen ließen, sind jetzt auch die Verfahren vor dem Amtsgericht Gummersbach größtenteils mit Strafbefehlen beendet worden. Angeklagt waren zwölf Aufsichtsräte und zwei frühere Geschäftsführer der Gasgesellschaft Aggertal und der Bergischen Energie und Wasser GmbH, den Vorgängergesellschaften der heutigen AggerEnergie. Die Aufsichtsräte waren als Bürgermeister, Beigeordnete oder Ratsmitglieder kommunale Amtsträger.

Der Prozeß begann am 12. Januar. Da im Amtsgericht der Platz für die Angeklagten mit ihren 18 Strafverteidigern nicht ausreichte – vom Publikumsandrang ganz zu schweigen – fand die Verhandlung in einem benachbarten katholischen Pfarrheim statt. Am dritten Verhandlungstag (19. 1.) stimmte die Staatsanwaltschaft bei zehn der 14 Angeklagten einer Einstellung zu. Das Gericht setzte daraufhin am vierten Verhandlungstag (23. 1.) Bußgelder fest, die mit einer Höhe von 1500 bis 18000 Euro jeweils der doppelten Höhe der Reisekosten entsprechen. Die Angeklagten gelten damit nicht als vorbestraft.

Für vier Angeklagte ist der Prozeß noch nicht zu Ende

In den restlichen vier Fällen will die Staatsanwaltschaft jedoch die Anklage aufrechterhalten. Es handelt sich dabei um die beiden ehemaligen Geschäftsführer und Aufsichtsratsvorsitzenden der beiden Gesellschaften, Günter Schibbe, Wilhelm Heikamp, Hermann Opitz und Klaus Blau. Das Gericht tritt nunmehr in die Beweisaufnahme ein und wird darüber befinden müssen, ob die vier sich der Vorteilsannahme nach § 331 StGB bzw. Vorteilsgewährung nach § 333 StGB schuldig gemacht haben. Möglicherweise wird dabei auch die Rolle der beiden Energiekonzerne RWE und E.ON näher beleuchtet, die über ihre Töchter Thyssengas und Ruhrgas die eigentlich treibende Kraft bei der ganzen Affäre waren, da sie als Vorlieferanten die "Lustreisen" der Kommunalpolitiker finanziert hatten.

Die Staatsanwaltschaft Köln hatte ihre 2005 eingeleiteten Ermittlungen (060108) zum Schluß auf fast 1300 Beschuldigte ausgedehnt. Sie hatte die Verfahren aber fast durchweg nicht vor Gericht gebracht, sondern gegen Zahlung von Geldbußen eingestellt. Lediglich das Amtsgericht Gummersbach wollte die Kommunalpolitiker nicht so glimpflich davonkommen lassen und hatte die Akten an die Staatsanwaltschaft zurückgeschickt (070616). Über diese Fälle verhandelte nun das erweiterte Schöffengericht in Gummersbach.

"Dolce Vita in der ewigen Stadt" für 3325 Mark pro Person

Im Mittelpunkt der Anklage stand eine dreitägige Reise nach Rom, die sich die Aufsichtsräte der Gasgesellschaft Aggertal im Juni 2000 unter dem Motto "Rom de Luxe – Dolce Vita in der ewigen Stadt" spendieren ließen. Zum Teil reisten auch die Ehefrauen mit. Pro Kopf kostete die dreitägige Tour 3325 Mark, so daß für insgesamt 50 Personen mehr als 166000 Mark zusammenkamen. Ein anderer Trip führte für 95000 Mark nach Norwegen. Den beiden Ex-Geschäftsführern Heikamp und Schibbe wird vorgeworfen, solche Reisen erdacht und mit der finanziellen Unterstützung von Thyssengas und Ruhrgas organisiert zu haben.

Seit 1997 sind auch "Vorteilsannahme" und "Vorteilsgewährung" strafbar

Zum Verhängnis wurde den Angeklagten eine seit 1997 gültige Verschärfung der Anti-Korruptions-Vorschriften im Strafgesetzbuch, das in § 331 auch die "Vorteilsannahme" durch Amtsträger und in § 333 die "Vorteilsgewährung" an Amtsträger unter Strafe stellt, ohne daß der Tatbestand der Bestechlichkeit bzw. Bestechung (§ 229) nachgewiesen werden muß. Damit wurden auch die bis dahin in der Energiewirtschaft gängigen Methoden der "Klimapflege" endlich kriminalisiert. Energieunternehmen und Amtsträger ignorierten jedoch jahrelang die Änderung der Rechtslage. Thyssengas unterhielt sogar ein eigenes Reisebüro zur Organisierung solcher "Lustreisen". Inzwischen scheinen die Energieunternehmen diese Form der Klimapflege gänzlich eingestellt zu haben, zumal auch bei den umworbenen Amtsträgern die Sensibilität größer geworden ist und fehlendes Unrechtsbewußtsein nicht mehr glaubwürdig geltend gemacht werden kann. Der Freispruch für den früheren EnBW-Chef Utz Claassen vom Vorwurf der Vorteilsgewährung (071122) zeigt aber, daß auch das verschärfte Strafrecht noch teilweise zu stumpf ist, um alle Formen der politischen "Landschaftspflege" wirksam zu unterbinden.

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