November 2006

061119

ENERGIE-CHRONIK


EnBW-Chef Claassen muß vor die Große Strafkammer

Der Vorstandsvorsitzende der Energie Baden-Württemberg, Utz Claassen, muß sich demnächst vor der 3. Großen Strafkammer des Landgerichts Karlsruhe verantworten, weil er Politiker mit Freikarten für die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 bedacht hat. Wie das Landgericht Karlsruhe am 9. November mitteilte, wurde die Anklage der Staatsanwaltschaft wegen Vorteilsgewährung (060712) insoweit zugelassen, als sie den Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Matthias Machnig, betrifft. Die anderen sechs Freikarten, die Claassen an Mitglieder der Landesregierung verschickte, seien dagegen "noch dem Bereich des Sponsoring zuzurechnen und nicht der Dienstausübung von Regierungsmitgliedern, so dass eine Unrechtsvereinbarung entfällt".

Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe sieht dies allerdings nach wie vor anders und hat Beschwerde gegen die Nichtzulassung der übrigen Anklagepunkte eingelegt. Die EnBW ließ dazu am 6. November verlauten, sie sehe der Beschwerde "gelassen entgegen". Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe stehe "vor einem Scherbenhaufen", nachdem nur einem der Anklagepunkte stattgegeben wurde.

Matthias Machnig war von 1999 bis 2002 Bundesgeschäftsführer der SPD und anschließend Unternehmensberater. Seit November 2005 ist er Staatssekretär im Bundesumweltministerium und dort unter anderem für den Handel mit Emissionszertifikaten zuständig. Die Staatsanwaltschaft beschuldigte ihn deshalb der Vorteilsannahme, stellte das Verfahren aber gegen Zahlung einer Geldbuße von 2500 Euro ein.

Neues Ermittlungsverfahren gegen Claassen und Umweltministerin Gönner

Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart ein weiteres Ermittlungsverfahren gegen die baden-württembergische Umweltministerin Tanja Gönner (CDU) und Claassen wegen Vorteilsannahme bzw. Vorteilsgewährung eingeleitet. Den Anlaß bildet, daß die Umweltministerin mehrfach Gast in der EnBW-Loge des Fußballvereins VfB Stuttgart war. Im Zuge dieser Ermittlungen wurde am 20. November die EnBW-Zentrale in Karlsruhe durchsucht. Die sichergestellten Unterlagen sollen vor allem darüber Aufschluss geben, wie viele Heimspiele des VfB Stuttgart die Umweltministerin auf Einladung der EnBW besucht hat. Nach Presseberichten waren es acht. Eingeräumt hat sie bisher lediglich zwei.

Die EnBW protestierte am 17. November gegen das neue Ermittlungsverfahren. Es trage "Züge eines neuerlichen Versuchs zur unbegründeten Rufschädigung gegenüber dem Unternehmen EnBW und seinem Vorstandsvorsitzenden". Die Staatsanwaltschaft Stuttgart setze sich damit in Widerspruch zur Rechtsauffassung des Justizministeriums und zu ihrer eigenen Aussage, wonach der Besuch von Fußballspielen zu den repräsentativen Aufgaben von Mitgliedern der Landesregierung gehöre. Die Durchsuchung der EnBW-Zentrale sei "völlig unverhältnismäßig".

Staatsanwaltschaft verwahrt sich gegen Vorwurf der Ungleichbehandlung

Erneut warf die EnBW der Staatsanwaltschaft vor, mit zweierlei Maß zu messen, da gegen den Justizminister Ulrich Goll (FDP) nicht ermittelt werde, obwohl dieser ebenfalls Einladungen zu Fußballspielen gefolgt sei. Zugleich forderte sie Goll auf, von seiner Weisungsbefugnis gegenüber den Staatsanwaltschaften Gebrauch zu machen, um die Ermittlungen zu beenden. Andernfalls drohe "aus der vermeintlichen Ticketaffäre ein wahrer Justizskandal zu werden".

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart wies am 21. November den Vorwurf der Ungleichbehandlung zurück. Die Annahme von Freikarten für Spiele des VfB Stuttgart durch Justizminister Goll sei aufgrund einer anonymen Anzeige ebenfalls überprüft worden, ohne daß sich Anhaltspunkte für ein strafrechtlich relevantes Verhalten ergeben hätten. Es habe sich nämlich um vier Einladungen durch den Präsidenten des VfB Stuttgart gehandelt. In diesem Zusammenhang habe die Staatsanwaltschaft auch die von der EnBW zitierte Feststellung getroffen, dass der Besuch von Fußballspielen durch Regierungsmitglieder der Repräsentation des Landes dienen könne. Ob dies jedoch im Fall von Einladungen eines Regierungsmitgliedes durch einen Sponsor in gleichem Maße gelte und wie viele Besuche noch von etwaigen Repräsentationspflichten gedeckt sein könnten, werde im laufenden Ermittlungsverfahren zu klären sein.