Februar 2008 |
080206 |
ENERGIE-CHRONIK |
Der RWE-Konzern hat sich als sechster strategischer Partner am Pipeline-Projekt "Nabucco" beteiligt, das als eines der vier wichtigsten Energievorhaben der EU (070805) die Gasbelieferung aus dem Raum des Kaspischen Meers unter Umgehung Rußlands sicherstellen soll (060605). Das Konsortium besteht nunmehr aus OMV Gas International, der ungarischen MOL, der bulgarischen Bulgargaz Holding, der rumänischen Transgaz, BOTAS aus der Türkei und der RWE Gas Midstream. Jedes Unternehmen hält 16,67 Prozent der Anteile an der Nabucco Gas Pipeline International Ltd. Die entsprechenden Verträge wurden am 5. Februar in Wien unterzeichnet.
Die Nabucco-Gaspipeline soll über eine Länge von 3.300 km von der Türkei über Bulgarien, Rumänien und Ungarn nach Baumgarten bei Wien führen und die großen Erdgaslagerstätten der Kaspischen Region, des Nahen und Mittleren Ostens und anderer Regionen mit dem europäischen Markt verbinden (siehe Karte). Mit dem Bau soll 2009 begonnen werden. Die Inbetriebnahme ist für 2012 geplant.
Rußland reagierte auf das EU-Projekt mit der Planung der neuen Pipeline "South Stream" durchs Schwarze Meer, die in Bulgarien anlanden und von dort über zwei Stränge in Richtung Westeuropa weitergeführt werden soll (siehe Karte). Wichtigster Helfer ist dabei der italienische Energiekonzern ENI, der gemeinsam mit Gazprom bereits die Pipeline "Blue Stream" betreibt (070612).
Eine bemerkenswerte Doppelrolle spielt auch Ungarn, das den multilaterialen Rahmenvertrag zwischen Türkei, Bulgarien, Rumänien, Ungarn und Österreich für den Bau von "Nabucco" ausgearbeitet und inzwischen den anderen beteiligten Staaten vorgelegt hat. Am 28. Februar unterzeichneten Vertreter der russischen Gazprom und des ungarischen Energiekonzerns MOL im Beisein von Kremlchef Putin und des ungarischen Ministerpräsidenten Gyurcsány ein Abkommen über die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens zum Bau des nördlichen Strangs von "South Stream" durch Ungarn nach Österreich. Gyurcsány vermag darin keine Illoyalität gegenüber der EU und deren Projekt "Nabucco" zu erblicken. Er verteidigte die Beteiligung Ungarns an dem Gazprom-Projekt als notwendige Diversifizierung von Streckenführungen und Herkunftsquellen, die zur Sicherung der ungarischen Gasversorgung beitrage.
Das Projekt einer durch die Ostsee verlaufenden Pipeline von Rußland nach
Deutschland (050902), das ebenfalls auf Betreiben von Gazprom
zustande kam und bei dem die deutschen Konzerne BASF und E.ON als Helfer fungieren,
stößt unterdessen bei den betroffenen Ostsee-Anrainerstaaten zunehmend
auf Widerstand. Daran vermochte auch die Lobby-Arbeit des früheren Bundeskanzlers
Gerhard Schröder nichts zu ändern, den Gazprom als Aufsichtsratschef des
Konsortiums "Nord Stream" eingekauft hat (051202).
Estland hat bereits im September vorigen Jahres alle vorbereitenden Untersuchungen
für eine Verlegung der Pipeline durch seine ausschließliche Wirtschaftszone
untersagt. Auch Finnland tut sich schwer damit, ersatzweise die Verlegung der Röhren
innerhalb seiner Wirtschaftszone zu genehmigen. Die schwedische Regierung hat im Februar
die von Nord Stream eingereichten Planungsunterlagen als unzureichend zurückgewiesen.
Von Polen, Lettland und Litauen wird das Projekt ohnehin grundsätzlich abgelehnt,
weil es die Bedeutung der osteuropäischen Festland-Pipelines als Faustpfand gegen
Preis-Erpressungen durch Gazprom mindert. Am 6. März will sich die EU-Kommission
in einer Sondersitzung mit den Risiken der geplanten Ostsee-Pipeline befassen. Als
Grundlage dient dabei eine Studie von Parlamentariern aus EU-Mitgliedstaaten, die
der Ostsee-Pipeline kritisch gegenüberstehen. Nord Stream hat inzwischen den
Beginn der Gaslieferungen, der ursprünglich für 2010 vorgesehen war, um
ein Jahr verschoben.