August 2006

060809

ENERGIE-CHRONIK


Nur noch geringe Widerstände gegen Neustrukturierung und Börsengang der RAG

RAG-Chef Werner Müller warb am 23. August vor dem Wirtschaftsausschuß des nordrhein-westfälischen Landtags erfolgreich für seine Pläne zur Trennung der profitablen Bereiche seines Konzerns vom Bergbaubereich, wie er sie im Frühjahr 2005 vorgelegt hatte (050405). Zuvor waren Einzelheiten eines Gutachtens zu den Auswirkungen des Vorhabens bekannt geworden, das die Unternehmensberatung KPMG im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums angefertigt hat. Demnach müßten die bisherigen RAG-Großaktionäre E.ON, RWE und Thyssen-Krupp nicht mehr für Risiken des Kohlebergbaues haften, wenn sie sich zu einem symbolischen Preis von ihren RAG-Aktien trennen, um den Weg für die Neuordnung frei zu mache. Vielmehr haftet nach Einschätzung der KPMG im Zweifel das Land Nordrhein-Westfalen für Bergschäden und Altlasten. Die Kosten für die Beendigung des Steinkohlebergbaues bis 2018 beziffert das Gutachten auf 13,2 Milliarden Euro. Die RAG ist der Meinung, daß dieser Betrag durch den geplanten Börsengang und aus Rücklagen aufgebracht werden könnte. (SZ, 23. u. 24.8.; FAZ, 24.8.)

Gesamt- oder Detailverkauf des "weißen Bereichs"?

Müller will die profitablen Bereiche des Konzerns, die bisher der Absicherung des defizitären Steinkohlebergbaues dienen, von diesem lösen, um sie für einen Börsengang attraktiv zu machen. Das Vermögen dieser Geschäftsbereiche soll einer Stiftung übertragen werden, die künftig für die Steinkohle-Lasten aufkommt. Alternativ zur kompletten Herauslösung des "weißen Bereichs", die Müller favorisiert, steht der separate Verkauf der Kraftwerks-, Chemie- und Immobiliensparte zur Debatte. Auf Wunsch der nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) hat das Bundeswirtschaftsministerium jetzt noch ein zweites Gutachten in Auftrag gegeben, das bis zum Jahresende den Wert der einzelnen RAG-Sparten ermitteln soll. Allerdings dürfte der bei einem Einzelverkauf zu erzielende Mehrwert kaum der Abdeckung der Steinkohle-Risiken zugute kommen, wie dies Thoben vorschwebte. Vielmehr ist anzunehmen, daß dann die bisherigen Großaktionäre nicht mehr bereit sind, ihren Aktienbesitz zum symbolischen Preis von einem Euro abzugeben.

Müller präsentiert sich als Anwalt des deutschen Steinkohlebergbaues

Um auch die Steinkohle-Lobby für sein Vorhaben zu gewinnen, präsentierte sich der RAG-Chef seit seinem Amtsantritt als Verfechter einer weiteren Subventionierung dieses einheimischen Energieträgers und ließ teure Reklamekampagnen zur Popularisierung des Steinkohlebergbaues durchführen (031014, 040511, 040912). Davon konnte ihn auch die Kritik des Bundesrechnungshofs nicht abbringen, der das Bundeswirtschaftsministerium aufgefordert hatte, diese Vergeudung von Steuergeldern durch ein hoch subventioniertes Unternehmen zu unterbinden (050804). Im August 2006 schaltete die RAG sogar ganzseitige Anzeigen, in denen sie sich der Öffentlichkeit als neuer Hauptsponsor des börsennotierten Fußballunternehmens "Borussia Dortmund" und Förderer der Bochumer "RuhrTriennale" vorstellte.

Bei der Anhörung vor dem Wirtschaftsausschuß des nordrhein-westfälischen Landtags versäumte Müller ebenfalls nicht, die Sinnhaftigkeit des geplanten Ausstiegs aus dem deutschen Steinkohlebergbau zu bezweifeln: "Wenn es typisch deutsch läuft, das heißt ein bißchen doof, dann schließen wir den letzten Schacht genau dann, wenn der Kohlepreis oben und deutsche Kohle konkurrenzfähig ist", meinte er.