Januar 2006 |
060111 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die Stadtwerke von Ludwigshafen, Rosenheim, Soest, Unna und Aachen haben ihren Austritt aus dem Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft (BGW) angekündigt. Die Technischen Werke Ludwigshafen (TWL) wollen außerdem den Verband der Elektrizitätswirtschaft (VDEW) verlassen. Die fünf Stadtwerke erwarten, daß andere lokale Energieversorger ihrem Beispiel folgen. Sie begründen ihren Austritt hauptsächlich mit der verbandspolitischen Ausrichtung von BGW und VDEW, die eher den Interessen der großen Konzerne als denen der lokalen Energieversorger verpflichtet sei. Mit derselben Begründung verließen bereits 2001 die Hamburger Wasserwerke (HWW) den BGW (010809). Die beiden Spitzenverbände der Gas- und Stromwirtschaft erwägen seit längerem eine Fusion und werden möglicherweise noch in diesem Jahr zusammengelegt (051108).
Mit Ausnahme von Unna sind die ausgetretenen Stadtwerke Mitglieder im europäischen kommunalen Verband GEODE, dem außerdem aus Deutschland die Stadtwerke Lübeck, Gießen und Nordhorn sowie die Stromhändler Kom-Strom (040508), Trianel (051005) und Liberal Energy Trading (Menden) angehören. Die 1991 gegründete GEODE vertritt die Interessen lokaler Gas- und Stromverteiler unter anderem bei den Regulatorenkonferenzen von Madrid und Florenz. Zur Zeit gehören ihr hundert Unternehmen aus elf Ländern an.
"Wir haben uns zu diesem Schritt entschieden, weil unsere Anliegen vom BGW
nicht vertreten werden", erklärte der Vorstandsvorsitzende der Stadtwerke
Aachen AG, Dieter Attig, am 16. Januar auf einer gemeinsamen Pressekonferenz der austretenden
Stadtwerke in Köln. "Der BGW vertritt gleichzeitig große Gaskonzerne
und lokale Energieversorger und steht dadurch seit Beginn der Liberalisierung immer
wieder vor Interessenskonflikten. Auf der einen Seite sind die Oligopolisten, die
ihre marktbeherrschende Stellung behalten oder weiter ausbauen wollen. Auf der anderen
Seite stehen wir als Stadtwerke, die im Wettbewerb günstig einkaufen müssen,
um auch in Zeiten knapper werdender Ressourcen möglichst verbraucherfreundliche
Preise gewährleisten zu können."
Das Auftreten des BGW in den vergangenen Monaten habe gezeigt, daß er in besonderem
Maße die Interessen der großen Energiekonzerne vertrete und dabei kaum
auf die Bedürfnisse der Stadtwerke und die Interessen der Verbraucher eingehe.
Er habe hartnäckig die bestehenden oligopolistischen Strukturen auf dem Gasmarkt
verteidigt. So habe er bei den jüngsten Verhandlungen zur künftigen Gestaltung
des Gasnetzzugangs einen Vorschlag vorgelegt, der den Zugang für Stadtwerke und
Industrieabnehmer nur eingeschränkt ermöglichen würde. Das Alternativ-Modell
des europäischen kommunalen Verbandes GEODE, der die Interessen unabhängiger
Stadtwerke vertritt, würde hingegen einen optimalen Gasnetzzugang möglich
machen und so die Voraussetzung schaffen, dass Stadtwerke gleichberechtigt am Markt
teilnehmen können. Sie würden dann nicht mehr nur am Ende der Lieferkette
stehen, sondern könnten ihr Portfolio am Großhandelsmarkt selbst zusammenstellen.
Durch eine solche innovative Beschaffungsstrategie könnten auf längere Sicht
niedrigere Preise für die Endverbraucher erzielt werden. Die Bundesnetzagentur
habe bereits wesentliche Teile des GEODE-Modells in das von ihr favorisierte Kompromißmodell
übernommen.
Auch mit seinen Stellungnahmen zur Prüfung der Gaspreiserhöhungen durch das Bundeskartellamt habe der BGW erkennen lassen, dass ihm an einer Öffnung des Marktes kaum gelegen sei. Die langfristigen Lieferverträge, gegen die das Kartellamt berechtigterweise vorgehen wolle, habe er als wichtiges Instrument zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit verteidigt.
Der Austritt habe ferner finanzielle Gründe. Die Interessen der Stadtwerke würden in erster Linie durch den Verband kommunaler Unternehmen (VKU) vertreten. Eine zusätzliche Zahlung an den BGW, "der vorrangig die gegen die Stadtwerke gerichteten Interessen der großen Gasversorger vertritt", sei deshalb nicht vernünftig. Anders verhalte es sich mit der Mitgliedschaft im DVGW (Deutsche Vereinigung des Gas- und Wasserfaches e.V.), der sich um die technischen Belange der Branche kümmert. Hier sei nicht an einen Austritt gedacht.