Neben den großen Tageszeitungen gab es in
Mannheim eine Reihe von Vorort- und Stadtteil-Zeitungen. Die Vorortblätter
entstanden durchweg, bevor die betreffenden Städte und Dörfer
nach Mannheim eingemeindet wurden. Hier einige Angaben zu Erscheinungsort,
Gründungsjahr sowie Auflagen und Ausgaben pro Woche:
Titel (Verlagsort) | gegr. | 1916 | 1931 | 1933 | 1938 |
Feudenheimer Zeitung | 1905 | 3 x | 2 600 | 1 600 / 7 x | 897 / 6 x |
Käfertaler Anzeiger | 1892 | 1 500 | 1 900 / 6 x | 1 100 / 6 x | 900 / 6 x |
Rheinauer Zeitung (Nebenausgabe der Schwetzinger Zeitung) | 1899 | 700 / 6 x | 4 000 / 6 x | ||
Sandhofner Anzeiger | 1902 | 3 x | 1 800 / 6 x | 1 260 / 6 x | 931 / 6 x |
Neckarauer Zeitung | 1887 | 1 800 / 6 x | 2 500 / 6 x | 1 500 / 7 x | 1 446 / 6 x |
Friedrichsfelder Zeitung | 1907 | 2 x | 6 x | 930 / 2 x | |
Neckar-Bote (Seckenheim) | 1901 | 1 500 / 6 x | 1 250 / 6 x | 1 440 / 6 x |
Verleger und häufig auch Redakteur dieser Vorortblätter waren Besitzer kleinerer Druckereien. Infolge der geringeren Auflage und der bescheidenen technischen Ausstattung der Familienbetriebe erfolgte die Herstellung nicht im Rotationsdruck, wie bei sämtlichen großen Mannheimer Tageszeitungen, sondern auf der Schnellpresse. 1970 erschienen an Vorortblättern nur noch der "Lokal-Anzeiger" für Sandhofen (1600 / 2 x wöchentlich), die "Neue Neckarauer Zeitung" (1100 / 1 x wöchentlich) und der ''Neckar-Bote" in Seckenheim (800).
Die Vorortblätter hatten keine parteipolitische Ausrichtung. Sie waren deshalb nicht unpolitisch, sondern paßten sich der Mentalität ihres vorwiegend kleinbürgerlichen Publikums an. Ihr Horizont wurde durch Kirchturm, Rathaus und Vereine abgesteckt.
Politisches Profil gewann zeitweilig nur die "Neckar-Zeitung", eine wöchentliche Stadtteil-Zeitung für das Arbeiterviertel Neckarstadt. Sie wurde am 4. Mai 1907 gegründet, ging aber Ende 1911 schon wieder ein. Der Herausgeber, die Neckar-Druckerei von P. Eschert in der Zehntstraße 35, druckte nach dem ersten Weltkrieg die "Rote Fahne", das Organ der KPD. Am 6. November 1925 kam dann die "Neckar-Zeitung" erneut heraus. Als verantwortlicher Redakteur zeichnete Dr. Ernst Hirsch, ehemaliges Mitglied der Gruppe des "Grünen Schrey".
Im Gegensatz zur Masse der vergleichbaren Vorortblätter, die im Kielwasser der bürgerlichen Presse schwammen, was die "hohe Politik" betrat, verfolgte die "Neckar-Zeitung" zeitweilig einen Kurs zwischen SPD und KPD. Das verwundert nicht, wenn man bedenkt, daß sich die Leserschaft dieses Blattes überwiegend aus Anhängern dieser beiden Parteien zusammensetzte. Ende 1931 ermahnte das badische Innenministerium sogar die Mannheimer Polizei, der "Neckar-Zeitung" besondere Aufmerksamkeit zu schenken, da einige Artikel zu polizeilichem Einschreiten Anlaß geben könnten.
Im Handbuch der deutschen Tagespresse für das Jahr 1934 wird die Neckar-Zeitung noch als Wochenblatt mit 4000 Exemplaren aufgeführt. Sie scheint jedoch noch in der ersten Hälfte der dreißiger Jahre eingestellt worden zu sein.
Der Redakteur Dr. Ernst Hirsch flüchtete vor den nationalsozialistischen Machthabern nach Palästina. Jedenfalls ergibt sich dies aus einem Steuersteckbrief gegen Hirsch, der im "Amtsblatt der Reichsfinanzverwaltung" vom 4.11.1935 veröffentlicht und am 30.12.1936 wieder aufgehoben wurde (siehe Abbildung). Noch im "Deutschen Fahndungsbuch" von 1939 war Hirsch zur Fahndung durch die Staatsanwaltschaft Mannheim ausgeschrieben.
Aufhebung des Steuersteckbriefs gegen Dr. Hirsch im "Amtsblatt der Reichsfinanzverwaltung" vom 30.12.1936. Die "Reichsfluchtsteuer" wurde bereits 1931 eingeführt, dann aber von den Nazis als pseudo-legales Mittel zur Einziehung des Vermögens geflüchteter Juden gehandhabt. Von insgesamt 1284 erlassenen Steuersteckbriefen wurden nur 108 wieder aufgehoben. Der Grund bei Hirsch ist nicht bekannt. Jedenfalls stand er weiter im Fahndungsbuch. |