Kaum eine Zeitung versäumt es, sich als "unabhängig und überparteilich zu bezeichnen. So lautet die übliche Umschreibung für die umfassendste aller Abhängigkeiten, in der sich die Presse befinden kann; nämlich die Abhängigkeit von Kapitalinteresse, die auch stärker wirkt als jede - oft ebenfalls vorhandene - parteipolitische Bindung.
Das vorliegende Buch hilft dem Außenstehenden, sich in der verwirrenden, von viel falschem Glanz und viel illusionären Vorstellungen überzogenen Welt der Presse und der Medien besser zurechtzufinden. Es konfrontiert die Illusion mit historischen Tatsachen, mit der Realität der Macht- und Besitzverhältnisse, mit dem dadurch bedingten Verhalten von Verlegern und Journalisten.
Selten wurden die Verhältnisse, die im Pressewesen herrschen, derart anschaulich, umfassend und detailliert zugleich dargestellt. Dem Autor gelingt das, weil er sich innerhalb eines abgesteckten Bereiches bewegt, in dem er sich genau auskennt: der Presse der Stadt Mannheim. Was er aus der ehemaligen Residenz der Kurpfalz und wirtschaftlichen Metropole der Rhein-Neckar-Region berichtet, ist exemplarisch für die Entwicklung der Presse in unserem Lande schlechthin, auch wenn sich nicht jede Einzelheit verallgemeinern läßt.
Die demokratischen Traditionen des Kampfes gegen feudale Zensur und Unterdrückung, woran Verleger heute in ihren Sonntagsreden gern anknüpfen, waren in Mannheim einmal besonders stark entwickelt. Udo Leuschner weist nach, daß die heutige Presse mit dieser Tradition - wenn überhaupt - eher im negativen Sinn zu tun hat.
Vor allem wird klar, daß die Pressefreiheit schon sehr früh ihren Weg zur Pressegewerbefreiheit nahm, daß sie dementsprechend an der allgemeinen Monopolisierung der Wirtschaft teil hatte und so zum Privileg einer weniger Mächtiger wurde. Leuschner zeigt, daß es mit der Selbständigkeit der Mannheimer Zeitungen im Grunde schon nach dem Ersten Weltkrieg vorbei war. Konzerne wie Huck, Ullstein und Waldkirch begannen, darüber zu bestimmen, was die Bevölkerung einer Stadt und einer Region zu lesen bekommt und was nicht.
Heute, mit der Entwicklung vom Presse- zum Medienkonzern,
erreicht der Monopolisierungsprozeß eine neue Stufe. Im Zeichen der
"Neuen Medien" droht eine allumfassende Kommerzialisierung von Nachrichten
und Meinungen. Der Raum Mannheim-Ludwigshafen ist als Experimentierfeld
ausersehen: Demnächst soll hier Kabelfernsehen außerhalb der
Verantwortung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eingeführt
werden. Die Gefahr, daß das Kapital ein Exempel für die Aneignung
des Rundfunks statuieren wird, gibt Leuschners Untersuchung höchste
Aktualität. Nicht zuletzt deswegen verdient das Buch die Beachtung
aller, die sich um eine andere, eine demokratische Medienpolitik bemühen.
Bundesvorsitzender der Deutschen Journalisten-Union (dju) in der IG Druck und Papier