Mannheim aus der Vogelschau 1869: Links der Rhein mit der Eisenbahnbrücke nach Ludwigshafen, rechts der Neckar. Die Ringstraße um die Quadrate, die an die Stelle der ehemaligen Befestigungen getreten ist, wird noch nicht überall von der Bebauung ausgefüllt.
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Ein Buch über das Geschäft mit Zeitungen...

... am Beispiel Mannheims. Weshalb gerade Mannheim? - So wird vielleicht der Leser fragen, der mit Mannheim nicht viel mehr verbindet als Industrie und Gestank. Er wird sich sagen lassen müssen, daß Mannheim bis 1933 zu den bedeutendsten Zeitungsstädten Deutschlands gehört hat. Das wirtschaftliche und politische Leben des Südwestens, das sich in dieser Stadt konzentrierte, hat auch eine Publizistik hervorgebracht, die in beispielhafter Weise die sozialen und politischen Auseinandersetzungen des 19. und 20. Jahrhunderts widerspiegelt.

Der Schriftsteller Kurt Pritzkoleit - in den fünfziger und sechziger Jahren ein kritischer Chronist des "Wirtschaftswunders" - hat Mannheim einen "patrizischen Status" unter den Städten des Südwestens eingeräumt. Mannheim sei zwar in erster Linie eine Arbeiterstadt. Zugleich spiele hier aber die "monetäre Hautevolee" eine vergleichsweise größere Rolle als in den anderen Ballungsgebieten. Ihm schien, daß Mannheim "mit seiner Freßgass', seinem bunten Markt, seinen kleinen Bier- und Weinkneipen, seinem riesigen Schloß und dem Hexeneinmaleins seiner Straßenbezeichnungen noch die Luft des alten Bürgerstolzes atmet".

Es hätte indessen zu weit geführt, die Geschichte Mannheims und seiner Presse bis in die Zeit der kurpfälzischen Residenz in voller Breite aufzurollen. Im Sinne des Themas mußte es genügen, den "Hauptstamm" der Entwicklung zum heutigen "Mannheimer Morgen" aufzuzeigen. Dabei zeigte sich - überraschend genug - eine direkte wirtschaftliche und politische Kontinuität vom kurfürstlichen Intelligenzblatt des Jahres 1790 zur heutigen lokalen Monopolpresse. Es handelt sich um die einzige durchgehende Kontinuität dieser Art. Alle anderen Blätter haben politische Zäsuren wie die napoleonische Herrschaft, die Reaktion nach 1848/49 oder die faschistische Machtergreifung nicht überlebt. Auch diese überraschende Feststellung ließ es gerechtfertigt erscheinen, das Schwergewicht der Darstellung auf die unmittelbaren Vorläufer der heutigen Monopolzeitung zu legen. Immerhin werden sämtliche Tageszeitungen, die seit den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in Mannheim erschienen sind, wenigstens beiläufig erwähnt. Der Verfasser war oft in Versuchung, die Geschichte anderer Blätter, etwa der "Neuen Badischen Landes-Zeitung", ausführlicher darzulegen, ganz zu schweigen von der faszinierenden Mannheimer Presselandschaft in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Solche Abschweifungen hätten jedoch der Übersichtlichkeit und damit der Verständlichkeit der Darstellung geschadet.

Was die vorliegende Schrift über den Rang einer nur lokalgeschichtlich bedeutsamen Studie erhebt, ist gerade ihre Beschränkung auf den Mannheimer und südwestdeutschen Raum. Infolge dieser Beschränkung auf überschaubare, in allen Verästelungen nachprüfbare Vorgänge, gewann deren Beschreibung eine Konkretheit, die die meisten pressegeschichtlichen Darstellungen vermissen lassen.

Natürlich hat es auch persönliche Gründe, daß der Verfasser die Entwicklung und Monopolisierung der deutscher Presse ausgerechnet am Beispiel Mannheims untersucht. Persönliche Betroffenheit dürfte vor allem jenen beiden Kapiteln anzumerken sein, in denen eigene Erfahrungen aus der Redakteurstätigkeit beim "Mannheimer Morgen" wiedergegeben werden. Berufliches schwingt auch in der journalistischen Form der Darstellung mit. Sie ist, soweit es irgendwie ging, personenbezogen. Das ist mehr als ein Stilmittel. So wie die Wahrheit stets konkret ist, konkretisieren sich auch gesellschaftliche Zustände in den Individuen. Gestalten wie Dr. Haas oder Dr. Ackermann stehen nicht für sich, sondern für gesellschaftliche Vorgänge und Zustände.

Die Druck-Medien haben heute nicht mehr die Bedeutung, die sie fast durchweg im hier behandelten Zeitraum von etwa 200 Jahren besaßen. Die elektronische Medientechnik birgt noch ungeahnte Überraschungen. Insoweit ist diese Schrift auch ein Abgesang auf jene Zeit, da es in einer Stadt wie Mannheim bis zu 14 Tageszeitungen gleichzeitig gab, von denen die größten zwei- bis dreimal täglich erschienen. Sie ist ein Abgesang auf jene Welt bedruckten Papiers, die es auch so ungemein erleichtert hat, in einem langwierigen Puzzle-Spiel eine Unzahl von Fakten aus alten Zeitungsbänden, Archivakten, Nachschlagewerken und sonstigen Schriften zu einem plastischen Bild von Epoche, Personen und Zeitungen zusammenzufügen.

Es gehört zu den zweifelhaften Privilegien der Presse, daß sie die Vorstellungen, die in der Öffentlichkeit über sie vorhanden sind, weitgehend selbst bestimmen kann. Ähnliches gilt für die Selbstdarstellung von Funk, Film, Fernsehen und anderen Sparten der Bewußtseinsindustrie. Entsprechend vage, naiv und illusionär sind die vorherrschenden Ansichten über alles, was mit Journalismus und Medien zu tun hat. Dies ist besonders verhängnisvoll, wenn politische Weichenstellungen in der Medienlandschaft anstehen, wie derzeit die Einführung der "neuen Medien". Die Diskussion über die Teilprivatisierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bzw. Zulassung privater Programmveranstalter zum Kabelfernsehen ließ bisher auf Seiten der demokratischen Kräfte zu wünschen übrig. Oft war sie nur hilflose Beckmesserei. Die vorliegende Schrift will zur Qualifizierung der Argumente beitragen, indem sie die Diskussion auf den Boden der historischen und aktuellen Tatsachen stellt. Sie läßt sich dabei von einer Erkenntnis leiten, die Hans Magnus Enzensberger schon vor rund zwei Jahrzehnten zu Papier brachte: "Es handelt sich nicht darum, die Bewußtseinsindustrie ohnmächtig zu verwerfen, sondern darum, sich auf ihr gefährliches Spiel einzulassen."

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