Juni 1997 |
970601 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die geplante Energierechtsreform ist weiterhin umstritten. Nach einer Anhörung vor dem Wirtschaftsausschuß des Bundestags am 2.6. kündigten CDU/CSU und FDP Änderungen am vorliegenden Gesetzentwurf an. Sie wollen damit vor allem den Kommunen und deren Stromversorgern entgegenkommen. Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) hatte bei der Anhörung deutlich gemacht, daß er notfalls vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Entwurf klagen werde. Die vorgesehene Liberalisierung der Strom- und Gasmärkte verletze die Selbstverwaltungsgarantie des Artikels 28 Absatz 2 des Grundgesetzes. Die Selbstverwaltungsgarantie schließe mit ein, daß die Regelungskompetenz der Kommunen für die örtliche Energieversorgung nicht beschränkt werden dürfe. Der VKU forderte erneut (siehe auch 961101), allen Endverteilern von Strom den Status eines "Alleinkäufers" zuzugestehen, wie ihn die EU-Richtlinie als Wahlmöglichkeit neben dem "verhandelten Netzzugang" vorsehe.
Die Verbraucherverbände kritisierten bei der Anhörung, daß die vorgesehene Liberalisierung nur den Großkunden nutzen werde, während die Tarifkunden mit steigenden Preisen zu rechnen hätten. Das Institut für Energierecht an der Universität zu Köln und das Freiburger Öko-Institut vertraten in ihren Stellungnahmen ebenfalls die Ansicht, daß die Liberalisierung in der vorgesehenen Form zu Lasten der kleinen und mittleren Verbraucher gehen werde. Darüber hinaus werde sie eine Zunahme der Strompreisunterschiede zwischen Stadt und Land bewirken. Die Gewerkschaften zeigten sich besorgt, daß zahlreiche Arbeitsplätze bei den Stadtwerken verloren gehen könnten.
Zustimmung erhielt der Gesetzentwurf vom Deutschen Industrie- und Handelstag (DIHT) und vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Der DIHT sieht keine Nachteile für kleinere private oder gewerbliche Kunden, wenn sichergestellt wird, daß Kunden der kommunalen Unternehmen problemlos zu einem günstigeren Wettbewerber wechseln können. Der BDI forderte die Koalition auf, die Energierechtsreform bis Jahresende "unverfälscht" über die Gesetzgebungshürden zu bringen. Das Interesse der Industrie an international wettbewerbsfähigen Strom- und Gaspreisen müsse deutlicher als bisher in den politischen Abwägungsprozeß eingehen (Handelsblatt, 3.6.; DPA, 4.6.; SZ, 31.5.).
Mit ihrem Gesetzentwurf zur Energierechtsreform
(siehe 961004) will die Bundesregierung
die von der EU-Kommission beschlossene Richtlinie zur stufenweisen
Herstellung eines europäischen Binnenmarktes für Strom
und Gas (siehe 960601) in nationales
Recht umsetzen. Diese Umsetzung muß bis Anfang 1999 erfolgt
sein. Zugleich will sie damit eine Liberalisierung des deutschen
Energiemarktes erreichen, die noch wesentlich über die Vorgaben
aus Brüssel hinausgeht, indem sie die geschlossenen Versorgungsgebiete
aufhebt und das exklusive Wegerecht der Kommunen beseitigt.