September 1995 |
950903 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die deutsche Elektrizitätswirtschaft ist unzufrieden mit dem jüngsten Vorschlag zur Liberalisierung des europäischen Strommarktes, den die spanische EU-Präsidentschaft im Juli dieses Jahres unterbreitet hat. Der Vorschlag sieht ein Nebeneinander des von Frankreich favorisierten "Single-Buyer-Systems" mit dem Modell eines "Negotiated Third Party Access" (NTPA) vor, das die Mehrheit der EU-Mitglieder befürwortet. Die grundlegende Kritik am "Single-Buyer-System", wie sie die für Energiefragen zuständige Generaldirektion XVII der EU-Kommission unter dem griechischen Kommissar Christos Papoutsis im März dieses Jahres vorbrachte (siehe 950308), wird dabei kaum berücksichtigt. In einem Brief an Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) unterstrich die Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke (VDEW), daß der jetzige Vorschlag den Anforderungen einer gleichwertigen Marktöffnung in allen Mitgliedsstaaten der EU in keiner Weise genüge. Rexrodt hatte am 1.6. im Rat der EU-Energieminister einer Stellungnahme zum Binnenmarkt für Elektrizität zugestimmt, die ebenfalls die grundsätzlichen Änderungswünsche der EU-Kommission zum "Single-Buyer-System" unberücksichtigt ließ und damit den jetzigen Vorschlag der spanischen EU-Präsidentschaft beeinflußte (Handelsblatt, 21. u. 22.9.: FAZ, 7.9.).
Der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) äußerte sich dagegen grundsätzlich positiv zu dem Vorschlag: Er erleichtere es den Ländern mit überwiegend staatlich organisierter Versorgungswirtschaft, einer wettbewerbsorientierten Reform zuzustimmen. Gewisse Korrekturen seien allerdings noch anzubringen, heißt es in einem Schreiben des VIK an das Bundeswirtschaftsministerium (Handelsblatt, 21.9.).
Das Handelsblatt (19.9.) stellte fest: "Während Spaniens Präsidentschaft hat nun eine Verstärkung von Wettbewerbsverzerrungen begonnen. Der Entwurf für eine neue Richtlinie Strom stellt die Einführung direkter Wettbewerbselemente weitestgehend in das Belieben der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU). Die von der Europäischen Kommission im März ausdrücklich festgestellte Nachbesserungsnotwendigkeit des (französischen) ëAlleinkäufermodellsë wird nun beiseite gewischt."