Juni 2025

250607

ENERGIE-CHRONIK




Die Zementfabrik in Brevik, die jetzt mit der "weltweit ersten Anlage zur CO₂-Abscheidung und -Speicherung im industriellen Maßstab in der Zementindustrie" ausgerüstet wurde, ist seit über hundert Jahren in Betrieb. Sie wurde 1999 von der damaligen "Heidelberger Zement AG" erworben und produziert jährlich etwa 1,2 Millionen Tonnen Zement.
© Heidelberg Materials AG

"Heidelberg Materials" nahm erste Zement-Fabrik mit CO2-Abspeicherung in Betrieb

Der weltweit zweitgrößte Zementhersteller "Heidelberg Materials", der bis 2022 noch "HeidelbergCement" hieß (220913), eröffnete am 18. Juni in seinem Werk Brevik in Norwegen offiziell eine CCS-Anlage zur Abscheidung und Abspeicherung des bei der Zementherstellung freigesetzten Kohlendioxids. Sie ermöglicht es, etwa die Hälfte der jährlich anfallenden CO2-Mengen abzuscheiden und auf dem Betriebsgelände in Tanks zu speichern, was etwa 400.000 Tonnen entspricht. Dem Baustoff-Konzern zufolge handelt es sich um "die weltweit erste Anlage zur CO₂-Abscheidung und -Speicherung im industriellen Maßstab in der Zementindustrie".


In diesen Tanks wird das verflüssigte CO2 auf dem Betriebsgelände gespeichert, bevor es Schiffe zum CCS-Terminal Oygarden bringen, von wo aus es per Pipeline im Untergrund der Nordsee verpresst wird.
© Heidelberg Materials AG

Das verflüssigte Treibhausgas wird dann im Rahmen des Projekts "Northern Lights" mit Schiffen zum CCS-Terminal Oygarden an der westnorwegischen Küste transportiert und von dort aus über eine zum Troll-Ölfeld in der Nordsee führende Pipeline in 2600 Meter Tiefe unter dem Meeresboden in Sandsteinformationen verpresst. Das Projekt "Northern Lights" wurde bereits im September vorigen Jahres gestartet. Es wird zu gleichen Teilen von den Ölkonzernen Equinor (Norwegen), Shell (Großbritannien) und Totalenergies (Frankreich) getragen.

Die Kosten übernimmt zu 80 Prozent der norwegische Staat

In seiner Pressemitteilung vom 18. Juni erwähnte der Baustoffkonzern zwar, dass die Anlage vom norwegischen Kronprinzen Haakon eingeweiht wurde und sich unter den mehr als 320 Gästen auch der norwegische Energieminister Terje Aasland befand, machte aber keine Angaben zu den Baukosten, die er früher mit etwa 250 Millionen Euro veranschlagt hatte. Laut "Süddeutsche Zeitung" (25.6.) beliefen sich die tatsächlichen Investitionskosten auf 400 Millionen Euro. Davon habe 80 Prozent der norwegische Staat übernommen, dessen Einnahmen großteils aus der Gas- und Ölförderung stammen und der deshalb sehr stark an CCS interessiert ist. In ähnlicher Höhe werde Norwegen auch in den kommenden zehn Jahren die operativen Kosten fördern.

Vom Bau weiterer CCS-Anlagen ist vorerst nicht mehr die Rede

Mit der CCS-Anlage in Brevik will "Heidelberg Materials" die vor drei Jahren vollzogene Namensänderung, die mit etlichem Spott bedacht wurde, vom Vorwurf eines bloßen "Greenwashing" befreien, den sich auch deutsche Stromnetzbetreiber einhandelten, als sie ohne Not ins Büßerhemd des CO2-Sünders schlüpften, indem sie ihre Netzverluste durch den Erwerb irgendwelcher Zertifikate "klimaneutral" machen wollten (211212, 210710). Bei dem Baustoffkonzern sind die CO2-Emissionen und die daraus resultierende Notlage in punkto Öffentlichkeitsarbeit dagegen echt. Auch mit der CCS-Anlage in Brevik ist er noch weit davon entfernt, seine CO2-Emissionen, die er für das Jahr 2020 mit 576 Kilogramm CO₂ pro Tonne Zement angibt, bis 2030 auf 400 Kilogramm senken zu können, wie er in seiner "Strategie zur Klimaneutralität" verspricht. Dort ist vom Bau weiterer CCS-Anlagen vorerst auch nicht die Rede, obwohl es in einer Pressemitteilung vom 10. Januar 2023 noch hieß, man werde bis 2030 insgesamt "1,5 Milliarden Euro in CCUS-Projekte investieren". Stattdessen soll "der Anteil alternativer Brennstoffe in der Klinkerherstellung weiter deutlich erhöht werden", der Klinkeranteil im Zement sinken sowie die Energieeffizienz der gesamten Produktion gesteigert werden. Die genannten drei "technischen Hebel" könnten zwar prinzipiell die Freisetzung von CO2 mindern, dürften aber im Endergebnis nicht ausreichend wirksam sein. Die Besucher des jährlichen "Heidelberger Frühling" können deshalb weiterhin damit rechnen, regelmäßig von Flugblatt-Verteilern darüber aufgeklärt zu werden, dass der größte Sponsor dieses Klassik-Musikfestivals einer der größten CO2-Emittenten ist.

 

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