September 2022

220913

ENERGIE-CHRONIK


HeidelbergCement will nicht mehr als CO2-Schleuder gelten

Der weltweit zweitgrößte Zementhersteller HeidelbergCement AG will nicht mehr als Klimakiller gelten, nachdem sich herumgesprochen hat, dass die Zementindustrie einen erheblichen Teil der CO2-Emissionen verursacht. Inzwischen soll deshalb sogar die Aktie des Unternehmens unter Druck geraten sein. Eine reale Minderung der CO2-Emissionen ist allerdings nicht möglich, weil aus dem Kalkstein, der zur Zementherstellung erhitzt wird, zwangsläufig das darin gebundene Kohlendioxid entweicht. Deshalb setzt der in Heidelberg ansässige Konzern nun auf sprachliche Kosmetik, indem er sich in "Heidelberg Materials" umbenennt. Die formale Begründung lautet, dass er außer Zement auch Beton-Zusatzstoffe wie Kies und Sand produziere.

Demnächst als Sonderangebot: "CO2-freier Zement"

Die neue Markenstrategie soll außerdem ab 2024 durch das Angebot von "CO2-freiem Zement" unterstützt werden. Dieser wäre allerdings teuerer und nur sehr bedingt umweltfreundlicher, weil das bei der Herstellung entweichende CO2 lediglich aufgefangen würde und dann irgendwo unter sicherem Verschluss abgespeichert werden müsste. Das schmückende Attribut "CO2-frei" für das Endprodukt Zement ist dabei sicher nicht ganz falsch, ließe sich der Ware aber auch ohne diese aufwendige Prozedur verpassen.

"Materials" lässt eher an "nachhaltige und intelligente Baustoffe" denken

Am 21. September präsentierte der Konzern sein neues Erscheinungsbild, das mit Hilfe der "kreativen Markenberatung" MetaDesign entworfen wurde, vor hunderten von Mitarbeitern am Hauptsitz in Heidelberg und veröffentlichte dazu eine Pressemitteilung. Demnach bleibt Heidelberg "als Synonym für Kontinuität und Marktführerschaft" im Firmennamen bestehen. Dagegen werde "Cement" durch das englische Wort Materials ersetzt, um künftig "ein innovatives Portfolio nachhaltiger und intelligenter Baustoffe sowie digitaler Lösungen" zu signalisieren. In einem ersten Schritt erfolge das "Rebranding" sofort auf Konzernebene. Ab 2023 würden dann auch nationale und internationale Tochtergesellschaften schrittweise in "Heidelberg Materials" umbenannt.

Der Zementkonzern entstand 1873 als Portland-Cement-Werk Heidelberg. Ab 1938 hieß er Portland -Zementwerke Heidelberg AG und ab 1978 Heidelberg Zement AG, bevor er sich ab 2003 – altertümelnd und modernistisch zugleich gegen die Regeln der Rechtsschreibung verstoßend – HeidelbergCement AG nannte.

EnBW-Netzbetreiber wurde mit Hilfe von KPMG "klimaneutral"

Von ähnlicher Güte ist ein Beitrag zum Klimaschutz, den die EnBW-Tochter Netze BW mit Hilfe des Wirtschaftsberatungsunternehmens KPMG zustande brachte: Wie sie am 21. Juli mitteilte, wurde ihr von der "international anerkannten Zertifizierungsgesellschaft GUTcert" bestätigt, dass sie "zu den ersten klimaneutralen Verteilnetzbetreibern Deutschlands" gehöre und damit "einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz im ganzen Land und in den Kommunen vor Ort" leiste. Mit einem mehr als 100 Maßnahmen umfassenden Paket habe das Unternehmen seinen "CO2-Fußabdruck" deutlich verringert. Die noch verbleibenden Emissionen würden "durch Kompensationszertifikate nach international anerkanntem Gold-Standard" ausgeglichen.

Im Unterschied zu einem Unternehmen wie HeidelbergCement oder zu fossil befeuerten Kraftwerken haben die Netzbetreiber allerdings gar kein Problem mit besonders hohen CO2-Emissionen. Um sich in ihrer Öffentlichkeitsarbeit dennoch mit dem üblichen Gedöns als "klimaneutral" präsentieren zu können, haben sie deshalb die "Verlustenergie" entdeckt, die beim Transport des Stroms in Wärme umgewandelt wird und angeblich durch den Erwerb von Herkunftsnachweisen für Strom aus erneuerbaren Erneuerbaren Energien kompensiert werden kann. Das ist freilich weder nötig noch möglich, weil die CO2-Emissionen nur bei der Erzeugung des Stroms entstehen. Das einzige besondere Treibhausgas-Problem hat die Branche mit dem extrem klimaschädlichen Schwefelhexafluorid, das in Schaltanlagen zur Löschung von elektrischen Lichtbögen verwendet wird. Aber ausgerechnet diese reale Klimagefährdung suchte man in einem von der KPMG verfassten "Whitepaper" vergebens, das die Netze BW im Dezember zur Eröffnung ihrer PR-Kampagne publizierte (211212).

Eine ähnliche Kampagne hatten im Juli vorigen Jahres die deutschen und europäischen Übertragungsnetzbetreiber angekündigt (210710). Inzwischen scheinen sie aber eingesehen zu haben, dass die mit dem Stromtransport zwangsläufig verbundene Verlustenergie wie alle anderen Arten des Stromverbrauchs keine CO2-Emissionen freisetzt.

 

Links (intern)