Juni 2025

250603

ENERGIE-CHRONIK


Bleibt die generelle Absenkung der Stromsteuer ein leeres Versprechen?

Die neue Bundesregierung werde "als Sofortmaßnahme die Stromsteuer für alle auf das europäische Mindestmaß senken", heißt im Koalitionsvertrag, den Union und SPD im April vereinbarten (250403). Damit würde diese Belastung, die seit 2003 pro Kilowattstunde 2,05 Cent beträgt, auch für die große Masse der Stromverbraucher weitgehend entfallen, nachdem sie von der Ampel-Regierung ab 2024 zunächst nur für das produzierende Gewerbe auf den EU-Mindestsatz reduziert wurde (231202). Inzwischen haben sich aber die Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) und Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) darauf verständigt, die versprochene Senkung der Stromsteuer erst gar nicht in den Haushaltsentwurf aufzunehmen. Sie begründen dies mit angeblich notwendigen Einsparungen. Auch etliche Politiker der Koalition empfinden das als eine unüberlegte Entscheidung, die Millionen Haushalte und mittelständische Letztverbraucher düpiert. Man darf deshalb gespannt sein, ob es bei einer für den 2. Juli anberaumten Sitzung des Koalitionsausschusses bei der bisherigen Entscheidung bleibt.

Katherina Reiche sieht Stromverbraucher durch andere Maßnahmen hinreichend entlastet

Die 1999 eingeführte Stromsteuer stieg bis 2003 stufenweise auf den bis heute geltenden Satz von 2,05 Cent pro Kilowattstunde. Zusätzlich schrieb eine EU-Richtlinie ab 2004 Mindestsätze für die Besteuerung von Unternehmen (0,05 Cent/kWh) und für nicht gewerbliche Letztverbraucher (0,1 Cent/kWh) vor. Die Absenkung der Stromsteuer auf die Mindestsätze bewirkt in beiden Fällen eine weitgehende Abschaffung dieser Belastung.

Publik wurde die stillschweigend erfolgte Streichung der angekündigten Stromsteuersenkung am 24. Juni, als die CDU-Wirtschaftsministerin sich veranlasst sah, sie bei ihrer Rede auf einer Veranstaltung des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI) in Berlin zu verteidigen: "Hier trifft dann sozusagen Koalitionsvertrag auf finanzielle Möglichkeit und Wirklichkeit" bemerkte Katherina Reiche lakonisch, als ob es tatsächlich keine andere Möglichkeit gegeben hätte. Am folgenden Tag argumentierte sie bei einer Regierungsbefragung im Bundestag damit, dass viele Stromverbraucher an anderer Stelle durch den Wegfall der Gasspeicherumlage entlastet würden, die künftig mit 3,4 Milliarden aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) finanziert wird. Eine weitere Entlastung bewirke die Subventionierung der Netzentgelte mit sechs Milliarden Euro.

Grüne werfen Merz Wortbruch vor

"Friedrich Merz ist schon jetzt der Wortbruch-Kanzler, sein Finanzminister Lars Klingbeil führt den Kurs gegen Klimaschutz und Entlastungen mit gewaltigem Enthusiasmus aus", erklärte der Grünen-Vorsitzende Felix Banaszak gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. "Beide haben versprochen, die Energiepreise zu senken. Jetzt canceln sie die Senkung der Stromsteuer und versenken Milliarden an Steuergeldern in Gas."

Wüst warnt Klingbeil vor "Bruch des Koalitionsvertrags"

Zu den Kritikern gehörte auch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU): Er könne den SPD-Finanzminister Klingbeil nur davor warnen, "an dieser entscheidenden Stelle einen Bruch des Koalitionsvertrags zu verursachen", erklärte Wüst gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" (27.6.). Dass auch die CDU-Wirtschaftsministerin Reiche und der Bundeskanzler Friedrich Merz in die Entscheidung einbezogen waren, erwähnte er nicht.

Deutliches Unbehagen ließ ferner Jens Spahn erkennen, dem derzeit schon wegen der "Masken-Affäre" der Wind ins Gesicht bläst: Der Chef der Unionsfraktion im Bundestag unterstrich, dass die Union unverändert das Ziel verfolge, die Stromsteuer dauerhaft für alle auf den Mindestsatz zu senken. Der CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann äußerte sich ähnlich und betonte außerdem, dass es Aufgabe der Koalitionsabgeordneten sei, Entscheidungen der Regierung "gegebenenfalls nachzujustieren". Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Dirk Wiese, verteidigte dagegen die getroffene Entscheidung mit dem Argument, dass sie nur den aktuellen Haushalt betreffe und eine Senkung der Stromsteuer im weiteren Verlauf der Legislaturperiode immer noch möglich sei.

"Schlag ins Kontor für den Mittelstand"

Der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, Jörg Dittrich, sprach von einem "Schlag ins Kontor für den Mittelstand" und forderte die Bundesregierung auf, "zu ihrem Wort zu stehen". Auch energieintensive Handwerksbetriebe, beispielsweise in der Textilreinigung, müssten endlich entlastet werden. Noch drastischer formulierte der Präsident des Handelsverbands HDE, Alexander von Preen: "Mit einem solchen Bruch des Koalitionsvertrages verspielt die Regierung das Vertrauen des Handels und reißt den Unternehmen den Boden unter den Füßen weg."

Verbraucherzentralen befürchten "immensen Vertrauensverlust"

"Die Entlastung der Menschen bei den Energiepreisen war eines der zentralen Wahlversprechen der Koalitionsparteien", hieß es in einer Stellungnahme des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (vzbv). Den Haushalten in Deutschland würden im europäischen Vergleich die höchsten Strompreise abverlangt, stellte die Verbandsvorsitzende Ramona Pop fest. Vor diesem Hintergrund sei es inakzeptabel und bewirke einen "immensen Vertrauensverlust", wenn nun die große Masse der Verbraucher bei der Senkung der Stromsteuer ausgeschlossen werde.

Die Einführung der Stromsteuer vor 26 Jahren war mit illusorischen Erwartungen verbunden

Die Stromsteuer wurde 1999 von der damaligen rot-grünen Regierung mit dem "Gesetz zur Fortführung der der ökologischen Steuerreform" eingeführt, das außerdem die bereits bestehende Mineralölsteuer erhöhte (990201). Die heute unverständliche Bezeichnung des Gesetzes basierte auf der illusorischen Erwartung, dass die Strompreise infolge der Liberalisierung des Energiemarktes ohnehin stark sinken würden und es nachgerade eine ökologische Tugend wäre, der Vergeudung von Strom und der Verknappung von Energie-Ressourcen durch eine Besteuerung entgegenzuwirken. Die Einnahmen aus der schrittweisen Verteuerung von Strom, Benzin, Heizöl und Gas sollten der Finanzierung der Rentenversicherung und anderen nützlichen Zwecken dienen. Soweit die Theorie. In der Praxis verbarg sich hinter dem Euphemismus "Öko-Steuer" allerdings von Anfang an hauptsächlich die Absicht, dem Fiskus eine zusätzliche Geldquelle zu erschließen (siehe Hintergrund, Juli 2010).

Die Absenkung auf die EU-Mindestsätze würde die weitgehende Abschaffung einer unzeitgemäßen Belastung bedeuten

Vier Jahre später kam es dann zusätzlich noch zu einer EU-Richtlinie, mit der ab 2004 die bisher auf Mineralölerzeugnisse beschränkte Mindestbesteuerung erhöht sowie auf Kohle, Erdgas und Strom ausgedehnt wurde (031103). Die Mindestbesteuerung von Strom wurde dabei für Unternehmen auf 0,05 Cent und für nichtgewerbliche Letztverbraucher auf 0,1 Cent pro Kilowattstunde festgelegt. Sie beträgt also nur einen Bruchteil des seit 2003 in Deutschland geltenden Satzes von 2,05 Cent/kWh. Entsprechend beschert die Absenkung auf den EU-Mindestsatz dem produzierenden Gewerbe – sowie der Landwirtschaft, die ab 2026 ebenfalls einbezogen werden soll – eine Steuerentlastung um 2 Cent/kWh, während sie die anderen Letztverbraucher nur um 1,95 Cent/kWh entlasten würde, was aber ebenfalls einer weitgehenden Abschaffung der Stromsteuer gleichkäme.

 

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