Dezember 2024 |
241203 |
ENERGIE-CHRONIK |
Karte: Wikipedia
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In der Ostsee häufen sich die Beschädigungen von Energie- und Datenleitungen durch Schiffe, die zwar nicht unter russischer Flagge fahren, aber vermutlich vom russischen Geheimdienst zu derartigen Sabotageakten benutzt werden. Zuletzt war es der Rohöltanker "Eagle S", der am 25. Dezember das Stromkabel "Estlink 2" zwischen Finnland und Estland durch Herablassen eines Ankers bei verlangsamter Fahrt unterbrach. Die EU-Kommission kündigte als Reaktion die Verhängung von Sanktionen gegen Russlands "Schattenflotte" an.
Die "Eagle S" fährt unter der Flagge der Cookinseln und gehört zur sogenannten Schattenflotte von großteils maroden Tankern, mit denen Russland das vor zwei Jahren verhängte Öl-Embargo umgeht. Als das Schiff von den finnischen Behörden gestoppt und festgesetzt wurde, befand es sich auf dem Weg von Sankt Petersburg nach Port Said in Ägypten. Da der Anker nach dem Hochziehen der Kette fehlte, ist er vermutlich auf dem Meeresgrund liegen geblieben. Wie der estländische Netzbetreiber Elering am 26. Dezember mitteilte, wurde die Schadensstelle"im unterseeischen Abschnitt der Verbindung auf der finnischen Seite" gefunden. Der vermutete Fehlerort sei jedoch eine auf Kabelmessungen beruhende Schätzung und noch nicht physisch verifiziert worden.
Die "Eagle S" befand sich außerhalb der Zwölf-Meilen-Zone, als der Grenzschutz sie stoppte und in finnische Küstengewässer eskortierte, um sie dort zu durchsuchen. Deshalb wäre der Grenzschutz nach dem internationalen Seerecht eigentlich nicht zur Aufbringung des Schiffs befugt gewesen. Vielmehr hätte sich Finnland an den winzigen Inselstaat Cook Islands im südlichen Pazifik wenden müssen, um die Aufklärung des Sachverhalts und die Sicherung von Schadenersatzansprüchen zu betreiben. – Eine absolut unrealistische Vorgabe, die aber gut in die hybride Kriegsführung des Kremls passt. Der Eigentümer des Öltankers gehört sowieso nicht zu den rund 15.000 Einwohnern der Cookinseln, sondern sitzt in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Die "Eagle S" soll sein einziges Schiff sein.
Das schnelle Eingreifen des Grenzschutzes und die Festsetzung des Schiffs waren schon deshalb geboten, um den Öltanker an weiteren Zerstörungen zu hindern. Er soll nämlich auch vier Datenkabel überfahren haben, die anschließend ausfielen. Außerdem hätte er bei Fortsetzung seiner Fahrt nach Westen noch die HGÜ-Leitung Estlink 1 und die Gaspipeline "Balticconnector" beschädigen können.
Nach Mitteilung des finnischen Netzbetreibers Finngrid behindert der Schaden an Estlink 2 nicht die geplante Abkopplung der baltischen Staaten vom russisch kontrollierten Frequenzbereich und ihre Synchronisierung mit dem kontinentaleuropäischen Stromnetz, die für Anfang Februar 2025 geplant ist (180710). Die baltischen Staaten würden über ausreichende steuerbare Kapazitäten und externe Verbindungen verfügen, um die Synchronisierung mit dem kontinentaleuropäischen Frequenzbereich auch ohne Estlink 2 abzuschließen.
Laut dem estländischen Netzbetreiber Elering könnte sich der Ausfall der Leitung jedoch auf die Strommarktpreise in den baltischen Staaten auswirken. Estlink 2 musste bereits im Januar dieses Jahres aufgrund eines Fehlers abgeschaltet werden, der auf einen internen Kurzschluss im Kabel zurückzuführen war. Die Reparaturen dauerten bis Anfang September und kosteten über 30 Millionen Euro.
Bereits im November wurden durch den chinesischen Frachter "Yi Peng 3" die beiden Glasfaserkabel beschädigt, die Finnland mit Deutschland sowie Schweden über die Insel Gotland mit Litauen verbinden. Das Kabel zwischen Helsinki und Rostock ist rund 1200 Kilometer lang. Karte: NDR
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Ebenfalls kurz vor Jahresende wurde der chinesische Frachter "Yi Peng 3" verdächtigt, am 17. und 18. November zwei Glasfaserkabel unterbrochen zu haben, die Schweden mit Litauen und Finnland mit Deutschland verbinden. In beiden Fällen hatte der chinesische Frachter die betroffenen Leitungen zum Zeitpunkt des Ausfalls passiert. Die Beschädigung erfolgte außerhalb der Hoheitszonen der betroffenen Ostsee-Anrainerstaaten. Die schwedische Regierung hatte China deshalb gebeten, die "Yi Peng 3" zur näheren Untersuchung in schwedische Hoheitsgewässer fahren zu lassen. In Peking zeigte man sich indessen nur eingeschränkt kooperationsbereit, indem das Schiff vorläufig im Kattegat zwischen Dänemark und Schweden vor Anker ging, jedoch außerhalb der jeweiligen 12-Meilen-Zone blieb.
Erst nach wochenlangen diplomatischen Verhandlungen bekamen am 19. Dezember finnische, deutsche, schwedische und dänische Polizisten die Erlaubnis zu einem Besuch an Bord. Auf Einladung einer chinesischen Havariekommission, die nach internationalem Seerecht gebildet wurde und für die Untersuchung des Vorfalles zuständig ist, durften sie dort Ausrüstungsgegenstände und Unterlagen in Augenschein nehmen sowie Fragen an die Besatzungsmitglieder stellen. Ob sie dabei wirklich "wertvolle Fakten erhalten" haben, wie ein schwedischer Sprecher meinte, wird sich noch herausstellen müssen. Eigenständige Untersuchungen durften die Polizisten jedenfalls nicht durchführen. Außerdem hatte die Besatzung fünf Wochen Zeit, um Spuren zu beseitigen. Immerhin konnte die Einladung zu dem fünfstündigen Besuch an Bord als diplomatische Geste gewertet werden, dass das Regime in Peking nicht als dienstbereiter Gehilfe des Kremls gesehen werden will, sondern eher von einer umgekehrten Rollenverteilung ausgeht.
Schon vor über einem Jahr hatte das in Hongkong registrierte Container-Schiff "New New Polar Bear" ein Leck im finnischen Abschnitt der 77 Kilometer langen Gaspipeline "Balticconnector" verursacht – anscheinend versehentlich durch einen sechs Tonnen schweren Anker, der kilometerlange Schleifspuren auf dem Meeresboden hinterließ, bevor er sich sich in der Pipeline verhakte und auch noch ein Datenkabel beschädigte (231008). Das chinesische Außenministerium hatte damals zugesichert, auf Grundlage des internationalen Seerechts bei der Aufklärung zu kooperieren. Was dann folgte, war lediglich ein Bericht in der "South China Morning Post", der im August 2024 erschien. Demnach räumten die chinesischen Behörden zwar ein, dass die Beschädigung der Pipeline durch das chinesische Schiff verursacht wurde. Zugleich behaupteten sie aber, die Untersuchung habe eindeutig bewiesen, dass dies die Folge eines schweren Sturms gewesen sei – also von höherer Gewalt, ohne dass eine böse Absicht oder auch nur Fahrlässigkeit vorgelegen hätte. Anscheinend wollte Peking damit allen Betroffenen signalisieren, dass es zwecklos sei, weiterhin einen Schadensersatz zu erwarten.
Nach der Beschädigung der beiden Datenleitungen durch den chinesischen Frachter "Yi Peng 3" schlug der polnische Ministerpräsident Donald Tusk am 27. November eine gemeinsame Überwachung der Ostsee durch die Marine der westlichen Anrainerstaaten vor. Für den Luftraum gebe es bereits das "Baltic Air Policing", sagte Tusk vor einem Treffen der nordischen und baltischen Regierungschefs in Stockholm. Er werde die Partner von der Notwendigkeit überzeugen, eine analoge "Marineüberwachung" zur Kontrolle und Sicherung der Ostsee-Gewässer einzuführen.
Diese Absicht unterstützen auch die Betreiber von Offshore-Windparks. "Polen
hat gerade eine Polizei-Mission für die Ostsee vorgeschlagen; ich denke, das
geht in die richtige Richtung", erklärte am 22. Dezember der Geschäftsführer
des Bundesverbands Windenergie Offshore (BWO), Stefan Thimm, gegenüber der Deutschen
Presse-Agentur. "Wir müssen dafür sorgen, dass staatlich legitimierte Einsatzkräfte
die Meere überwachen und so die Sicherheit erhöhen. Das werden nicht die Offshore-Windpark-Betreiber
tun können." Die Betreiber seien grundsätzlich bereit, die für die Überwachung
der Anlagen notwendigen Daten zu teilen. "Aber was wir nicht leisten können,
ist, die Windkraftanlagen zu schützen. Wir haben keine bewaffneten Truppen.
Unsere Service-Techniker werden nicht an der Waffe ausgebildet – das wollen
wir auch nicht."