Oktober 2023 |
231008 |
ENERGIE-CHRONIK |
Wegen eines plötzlich auftretenden Druckabfalls musste die Gaspipeline "Balticconnector" zwischen Finnland und Estland am 8. Oktober stillgelegt werden. Ursache war ein Leck im finnischen Abschnitt der 77 Kilometer langen Pipeline durch den Finnischen Meerbusen der Ostsee. Der Betreiber Gasgrid und und die Regierung in Helsinki stellten fest, dass dieses Leck durch eine Beschädigung von außen entstanden sein musste. Da es keine hinreichenden Hinweise auf eine Sprengstoff-Explosion gab, wurde inoffiziell über einen möglichen Anschlag spekuliert, der mittels eines Ankers oder anderem schweren Gerät durchgeführt wurde. Als Hauptverdächtiger galt das benachbarte Russland. Kremlchef Putin behauptete indessen, dass ihm die Existenz der Gaspipeline bisher nicht einmal bekannt gewesen sei.
War es nur Fahrlässigkeit, dass der Anker eines chinesischen Frachters den "Balticconnector" beschädigte? Dieses Foto des finnischen Grenzschutzes entstand in etwa sechzig Meter Tiefe. Foto: Rajavartiolaitos
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In der zweiten Oktober-Hälfte stellte sich dann heraus, dass die vermutete Beschädigung durch einen Anker zutrifft, aber möglicherweise nicht absichtlich zustande kam. Die finnischen Behörden fanden einige Meter neben der zerstörten Pipeline einen sechs Tonnen schweren Anker, der kilometerlange Schleifspuren auf dem Meeresboden hinterlassen hatte, bevor er sich sich in der Pipeline verhakte. Das Beweisstück konnte dem chinesischen Frachter "NewNew Polar Bear" zugeordnet werden, der zum fraglichen Zeitpunkt die Pipeline überquerte. Östlich der Pipeline fanden sich schmalere Schleifspuren, die offenbar von der Ankerkette stammten, die weiterhin lose über den den Meeresgrund gezogen wurde. Auch die gleichzeitig entdeckte Beschädigung eines Datenkabels könnte durch die Ankerkette verursacht worden sein.
Das unter der Flagge Hongkongs fahrende Container-Schiff wurde später im russischen Hafen Petersburg ohne Anker am linken Bug gesichtet. Versuche zur Kontaktaufnahme mit dem Kapitän sind nach Angaben der finnischen Behörden gescheitert, weil keine Antwort kam. Als das Schiff bei der Rückfahrt erneut den finnischen Meerbusen passierte, sei eine zwangsweise Untersuchung nicht möglich gewesen, da es lediglich die finnische Wirtschaftszone und nicht die Hoheitsgewässer durchfahren habe.
Zur Aufklärung des Sachverhalts haben sich die finnischen Behörden deshalb an das chinesische Außenministerium gewandt. Dieses erklärte sich grundsätzlich bereit, in Übereinstimmung mit dem internationalen Recht die nötige Unterstützung anzubieten. Zugleich verband es diese Zusage mit der Hoffnung, "dass sich die relevanten Parteien an die Prinzipien Objektivität, Fairness, Unbefangenheit und Professionalität halten werden, um so bald wie möglich die Wahrheit herauszufinden".
Die Reparatur des "Balticconnector" dürfte mehrere Monate dauern. Die Pipeline wurde 2020 in Betrieb genommen und mit Unterstützung der EU gebaut, die zwei Drittel der Kosten übernahm. Mit einer Kapazität von täglich sieben Millionen Kubikmeter dient sie vor allem der Gasversorgung Finnlands, kann aber auch in Richtung Estland betrieben werden. Die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen beziehen das Gas ihrerseits über den schwimmenden Flüssiggas-Terminal im Ostsee-Hafen von Klaipeda, der Anfang 2015 in Betrieb genommen wurde (150105).
Seit dem Überfall auf die Ukraine und dem nachfolgenden Stopp der Importe aus Russland sind die baltischen Staaten bei der Gasversorgung ganz auf den Flüssiggas-Terminal im litauischen Hafen Klaipeda angewiesen. Zugleich ist seitdem der "Balticconnector" für Finnland die einzige Leitung, über die es Gas importieren kann. Trotzdem bedeutet der aktuelle Ausfall der Pipeline keine Versorgungskrise, denn der schwimmende Flüssiggas-Terminal Inkoo in Südfinnland verfügt über ausreichende Kapazitäten, um auch im Winter das benötigte Gas zu liefern. Erdgas hat nur einen vergleichsweise geringen Anteil an der finnischen Energieversorgung.