März 2024 |
240306 |
ENERGIE-CHRONIK |
Mit dieser Grafik veranschaulicht der Verein "Sanktionsfrei", dass Einkommensschwache weniger als Gutverdienende zu CO2-Emissionen durch Sprit, Heizöl oder Gas beitragen, aber besonders hart von der CO2-Bepreisung betroffen werden. Deshalb sei vor allem für sie eine Kompensation in Form des "Klimagelds" nötig. |
Der Bundesrat hat die Bundesregierung am 22. März aufgefordert, noch in diesem
Jahr "die rechtlichen und technischen Voraussetzungen zur Auszahlung des
Klimageldes im Wege von Direktzahlungen an Privatpersonen zu schaffen".
Das Auszahlen des Klimageldes solle im Jahr 2025 beginnen, um die Bürger von
den Kostensteigerungen aufgrund steigender CO2-Preise bei Energie und Treibstoffen
zu entlasten. Dabei müsse sichergestellt sein, dass die Auszahlung in automatisierter
Weise durch den Bund erfolge, anstatt die Behörden und Stellen der Länder damit
zu betrauen.
Schon bei der Auszahlung von Entlastungshilfen im Zuge der Corona- und dann
der Energiekrise habe sich gezeigt, dass es an einem Auszahlungsmechanismus
fehle, heißt es in der Entschließung, die auf Antrag der Länder Bremen, Mecklenburg-Vorpommern
und Thüringen zustande kam. Ohne einen solchen Mechanismus gestalteten sich
die Prozesse zur gezielten Entlastung aufwändig, kompliziert und hätten häufig
unerwünschte Mitnahmeeffekte. Daher müsse schnellstmöglich ein Auszahlungssystem
entwickelt werden, damit dieses im nächsten Jahr für Zahlungen genutzt werden
könne.
Einen Tag zuvor hatte am 21. März ein breites ökosoziales Bündnis die sofortige Einführung des Klimagelds gefordert. Zugleich wurde die beispielhafte Auszahlung von jeweils 139 Euro an tausend Personen angekündigt, die Bürgergeld, Grundsicherung oder Wohngeld beziehen. Damit soll demonstriert werden, das ein Betrag in dieser Höhe jeder Person in Deutschland als Ausgleich für die CO₂-Bepreisung der vergangenen Jahre zustehe. Das Geld wird vom Verein "Sanktionsfrei" und 14 weiteren Organisationen aufgebracht. Der 2015 gegründete Verein setzt sich für eine menschenwürdige Grundsicherung ein. Zu den ihn unterstützenden Umwelt- und Sozialverbänden gehören unter anderen der Paritätische Gesamtverband, BUND, attac, Oxfam, Fridays for Future, Campact, Robin Wood, Klima-Allianz und Glücksspirale. "Die Klimawende ist kein Luxusprojekt. Sie gelingt nur, wenn sie sozial gerecht gestaltet wird", sagte der Geschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Ulrich Schneider, bei einer Pressekonferenz in Berlin.
Das Bündnis verweist auf die Ankündigung im Koalitionsvertrag, die Belastung durch die neu eingeführte CO2-Bepreisung sozial auszugleichen. Das Geld dafür sei auch vorhanden. Stattdessen gebe die Bundesregierung die Milliarden, die auf diese Weise jährlich in den "Klima- und Transformationsfonds" fließen, zu großen Teilen für die Wirtschaft aus. "Wer wenig verdient oder Bürgergeld bezieht, lebt schon heute konform mit dem 1,5 Grad Ziel von Paris", erklärte die "Sanktionsfrei"-Gründerin Helena Steinhaus. "Diese Menschen verursachen die wenigsten Emissionen, aber tragen die höchste Last der Transformation. Das ist in jeder Hinsicht ungerecht. Diese Menschen müssen wir entlasten."
Der Konflikt um das von der Ampelkoalition versprochene Klimageld spitzt sich damit zu. Dieser "soziale Kompensationsmechanismus" wurde im Koalitionsvertrag vom November 2021 vorgesehen. Er sollte für einkommensschwache Bürger die Belastung durch den CO2-Preis für Sprit, Heizöl und Gas mildern, die durch das im November 2019 beschlossene "Brennstoffemissionshandelsgesetz" entstand (191103) und durch die ein Jahr später erfolgte Anhebung der CO2-Preise noch stark erhöht wurde (201005). Die Bundesregierung hat aber bisher nichts unternommen, um dieses Vorhaben in Angriff zu nehmen, obwohl die alten hohen Sätze – nur unterbrochen von einer zwölfmonatigen Absenkung um 5 Euro – ab 2024 unverändert wieder in Kraft gesetzt wurden (231201).
In einem Interview mit der "Berliner Morgenpost" hatte im Mai 2022 der Bundesminister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil (SPD), einen Vorschlag für die Ausgestaltung des Klimagelds angekündigt: "Ich will das in die Koalition einbringen, weil ich als Sozialminister eine Verantwortung habe, auch wenn die Federführung eher beim Finanzminister und beim Klimaminister liegt." Der Vorschlag sehe vor, das Klimageld einmal im Jahr auszahlen. Es solle Menschen zugutekommen, die als Alleinstehende weniger als 4000 Euro brutto und als Verheiratete zusammen weniger als 8000 Euro brutto im Monat verdienen – also denjenigen, die normale und geringe Einkommen haben. Über die genaue Staffelung und den Umfang müsse man noch sprechen.
Getan hat sich allerdings nichts. Stattdessen ließ die Regierung spätestens nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom November vorigen Jahres (231101) erkennen, dass sie sich die hohen Einnahmen aus der CO2-Bepreisung nicht durch eine Erstattung schmälern lassen möchte. In diesem Jahr werden 45 Euro und im nächsten 55 Euro pro Emissionszertifikat in den "Klima- und Transformationsfonds" (KTF) fließen (231201). Im vergangenen Jahr, als der Preis erst 30 Euro betrug, kamen so rund 18,4 Milliarden Euro dem KTF zugute. Hochgerechnet bis Ende 2025 ergäben sich somit weitere 61,3 Milliarden Euro und damit ziemlich genau den Betrag, der mit dem Karlsruher Urteil dem KTF entzogen wurde.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) erklärte in einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (14.1.) eindeutig, dass es in dieser Legislaturperiode nicht zu einem Klimageld kommen werde. Ähnlich äußerte sich der für Wirtschaft und Klima zuständige Minister Robert Habeck (Grüne) in einem Interview mit dem "Handelsblatt" (18.12.). Er machte dabei geltend, dass mit der Streichung der EEG-Umlage und deren künftigen Finanzierung aus dem KTF "faktisch ein Klimageld über den Strompreis" gezahlt werde. "Fast alle Einnahmen aus dem CO2-Preis fließen also an die Menschen zurück", behauptete er.
Den Einwand des Interviewers, dass das Klimageld im Koalitionsvertrag ausdrücklich "über die Abschaffung der EEG-Umlage hinaus" vorgesehen wurde, ließ Habeck nicht gelten. Er interpretierte den fraglichen Passus des Vertrags vielmehr so, dass ein Klimageld nur dann für notwendig erachtet worden sei, "wenn die CO2-Preise über den Preispfad der Großen Koalition hinaus steigen" würden. (Siehe hierzu Wortlaut des Textes im Koalitionsvertrag.) Da der von der Vorgänger-Regierung übernommene Preispfad bis Ende 2025 gilt, würde diese Lesart bedeuten, dass die Ampel die Einführung des Klimagelds erst für die folgende Legislaturperiode geplant habe. – Und auch das nur unter der Voraussetzung, dass die bisherige Belastung noch höher würde, wenn ab 2026 die CO2-Zertifikate nicht mehr zum Festpreis verkauft, sondern per Auktion innerhalb einer Preisspanne von 55 bis 65 Euro versteigert werden.
Das sehen viele freilich ganz anders. Dazu gehört nun auch der Bundesrat mit seiner Forderung, das Klimageld bereits 2025 auszuzahlen. Dagegen will die Bundesregierung, wie ihr Sprecher Steffen Hebestreit am 15. Januar erklärte, allenfalls die technische Machbarkeit solcher Auszahlungen ermöglichen, und auch das erst bis 2027 (gerade so, als ob sie noch eine weitere Legislaturperiode im Amt bleiben würde). Sie macht sich demnach anscheinend die Sichtweise Habecks zueigen, wonach das Klimageld von vornherein gar nicht für die erste Phase des Brennstoffemissionshandelsgesetzes gedacht gewesen sei, in der die Zertifikate, die zur Emission einer Tonne CO2-Äquivalent berechtigen, jedes Jahr schrittweise von 10 auf 55 Euro verteuert werden.
Der Lesart von Habeck widerspricht, dass die Grünen bereits in ihrem Sofortprogramm für den Klimaschutz vom Juni 2019 die Einführung eines Festpreises von 40 Euro pro Tonne CO2-Äquivalent im Wärme- und Verkehrsbereich mit der Rückzahlung eines "Energiegelds" von jährlich 100 Euro pro Person kombinieren wollten, zuzüglich einer Absenkung der Stromsteuer auf das zulässige EU-Mindestniveau (190605). Generell wurde damals von allen Seiten immer wieder hervorgehoben, dass die geplante "CO2-Lenkungsabgabe" nicht zu staatlichen Mehreinnahmen führen dürfe, sondern den Bürgern durch direkte Rückzahlung eines bestimmten Betrags oder auf andere Weise erstattet werden soll. Die gleichzeitige Forderung nach einem schnellstmöglichen Wegfall von Umlagen und Steuern auf Strom (200603, die schließlich zur völligen Abschaffung der EEG-Umlage (220703) und zur Minimierung der Stromsteuer für die Industrie (231202) führte, wurde ebenfalls mit Erfordernissen des Klimaschutzes begründet, aber nicht in einen direkten Finanzierungszusammenhang mit den Einnahmen aus der CO2-Bepreisung gebracht.
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