Juni 2022 |
220605 |
ENERGIE-CHRONIK |
Diese Grafik des Bundeskartellamts zeigt, wie die Mineralölkonzerne die Spritpreise zum 1. Juni zwar senkten, die Steuerersparnis aber nicht in vollem Umfang weitergaben. Anschließend haben sie die Preise sofort wieder erhöht, ohne dass der Rohölpreis dafür Veranlassung gab. |
Die Mineralölkonzerne haben die zum 1. Juni in Kraft getretene Senkung der Steuern auf Benzin und Diesel (220508) nur teilweise weitergegeben. Stattdessen haben sie einen erheblichen Teil der Einsparung, die den von exorbitant gestiegenen Spritpreisen belasteten Autofahrern zugute kommen sollte, zur weiteren Erhöhung ihrer Gewinnmargen verwendet. Dies bestätigt ein Bericht, den das Bundeskartellamt am 10. Juni vorlegte (PDF).
Theoretisch hätte die steuerliche Entlastung den Liter Benzin (Super E5) um 35,2 Cent und den Liter Diesel um 16,7 Cent verbilligen müssen. Tatsächlich kam es zum Stichtag 1. Juni zu einer Preissenkung, die aber nur 27 Cent bei Super E5 und etwa 11 Cent bei Diesel betrug. Außerdem stiegen die Spritpreise danach sofort wieder deutlich an, ohne dass es zu einer entsprechenden Erhöhung der Roh?ölpreise gekommen wäre (siehe Grafik).
Dieses Verhalten der Mineralölkonzerne war zu erwarten gewesen, da sie schon im März den Anstieg der Spritpreise in bislang unerreichte Rekordhöhen genutzt hatten, um ihre Gewinnmargen zu verdoppeln (220304). Dennoch löste es große Empörung aus, die auch Politiker veranlasste, die Forderung nach einer nachträglichen Gewinnabschöpfung oder sogar kartellrechtlichen Zerschlagung der Mineralölkonzerne aufzugreifen.
"Es ist offenbar das eingetreten, wovor viele Experten gewarnt hatten", erklärte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. "Die Mineralölkonzerne streichen den Profit ein, die Verbraucherinnen und Verbraucher merken nichts von der Steuersenkung." Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken verwies darauf, dass die dreimonatige Senkung der Sprit-Besteuerung von den Steuerzahlern selber finanziert werden muss und rund drei Milliarden Euro kostet. Es "stinke zum Himmel", dass die Mineralölkonzerne diesen Rabatt nicht voll weitergeben.
"Gewinn ist Gewinn" überschrieb dagegen die FAZ am 7. Juni einen Kommentar von Heike Göbel, in dem sich die Frontfrau der neoliberalen Wirtschaftsredaktion vehement gegen eine Gewinnabschöpfung wandte, weil es zu den marktwirtschaftlichen Prinzipien gehöre, "Gewinne gleich zu behandeln und nicht nach Branchen zu diskriminieren". An dieser Sichtweise war sicher richtig, dass die Mineralölkonzerne ihre Zusatzgewinne nicht mit vorgehaltenem Revolver erpressten, sondern mit Zapfpistolen, die von den Verbrauchern freiwillig und in voller Kenntnis der damit verbundenen Kosten in die Tankstutzen gesteckt wurden. Immerhin druckte das Blatt dann aber doch den Brief eines Lesers, der die Sachlage ganz anders beurteilte: "Die Konzernherren verhalten sich wie Reiche, die einem Armen das Carepaket stehlen, das jemand aus sozialer Verantwortung ihm vor die Tür gelegt hat. Ein derartiger Gewinn ist gemeiner Diebstahl."
An sich gibt es im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) schon jetzt den Paragraphen 34, der in solchen Fällen eine "Vorteilsabschöpfung" durch die Kartellbehörde ermöglichen soll. Er setzt allerdings den Nachweis eines vorsätzlichen oder zumindest fahrlässigen Verhaltens voraus, der in der juristischen Praxis schwer zu erbringen sein dürfte. Im exklusiven Kreis der Mineralölkonzerne bedarf es keiner formalen Absprachen, um das im Stundentakt wechselnde Preisniveau an den Tankstellen mit kleineren Abweichungen im Gleichtakt schwingen zu lassen. Habeck will deshalb die im Koalitionsvertrag vereinbarte Reform des Kartellrechts noch in diesem Jahr in Angriff nehmen, damit schon der objektive Tatbestand oligopolistischer Strukturen mit nachteiligen Auswirkungen auf Verbraucherpreise und Wettbewerb das kartellrechtliche Eingreifen ermöglicht, ohne dass den Beteiligten konkrete Preisabsprachen nachgewiesen werden müssen. Auch FDP-Finanzminister Christian Lindner stellte seine Unterstützung des Vorhabens in Aussicht. Dazu hat er auch allen Grund, weil die missglückte Idee mit dem Carepaket für die Autofahrer vor allem von seiner Partei kam und er seinem für das Kartellamt zuständigen Ministerkollegen Habeck damit ein böses Ei ins Nest gelegt hat.