August 2021 |
210805 |
ENERGIE-CHRONIK |
Zu den Geschädigten der spanischen Solarstrompolitik gehört die Steag, die 2012 von der insolventen Solar Millennium AG (111213) deren 26-Prozent-Anteil am solarthermischen Kraftwerk Arenales erwarb und die Betriebsführung übernahm. Die Anlage in Andalusien erbringt mit 158 Reihen von Rinnenkollektoren, deren Spiegel dem Lauf der Sonne nachgeführt werden, eine elektrische Leistung von 50 MW. Zudem verfügt sie über einen Wärmespeicher, der auch nach Sonnenuntergang eine Stromproduktion ermöglicht. Es hätte sich um ein lukratives Geschäft gehandelt, wenn die Regierung nicht 2013 die Abschaffung der garantierten Einspeisungsvergütungen verfügt hätte. Nun mußte die Steag 60 Millionen Euro in den Wind schreiben. Im Januar 2015 reichte sie deshalb Klage beim ICSID-Schiedsgericht in Washington ein. Foto: Steag |
In einem seit Anfang 2015 anhängigen Rechtsstreit um Kürzungen der spanischen Solarförderung hat das ICSID-Schiedsgericht bei der Weltbank in Washington am 17. August dem deutschen Energieunternehmen Steag einen Schadenersatzanspruch von 27,7 Millionen Euro zuerkannt. Das Verfahren ist damit nach sechseinhalb Jahren abgeschlossen. Es ist jedoch fraglich, ob die Steag die genannte Summe tatsächlich bekommt, da die Entscheidung aufgrund der umstrittenen "Energie-Charta" zustande kam, die Spanien sowie die meisten anderen EU-Staaten nicht mehr als Rechtsgrundlage akzeptieren wollen (190107).
Möglicherweise wird der Konflikt stattdessen auf dieselbe Weise gelöst wie in dem ähnlich gelagerten aber anders entschiedenen Verfahren, das die Stadtwerke München, RWE, die Rheinenergie und sechs weitere Unternehmen ebenfalls in Washington angestrengt hatten. Nachdem diese Klage Ende 2019 mit einem für die Kläger negativen Schiedsspruch endete, akzeptierten sie ein Kompromissangebot, das die spanische Regierung im November 2019 allen ausländischen Investoren machte, wenn sie ihre wegen der Solarkürzungen eingereichten Klagen zurückziehen oder auf den Vollzug von bereits erwirkten Entschädigungsansprüchen verzichten. Als Gegenleistung wird dann den rund 45 in Frage kommenden Unternehmen die Rendite von 7,389 Prozent, die für die erste Regulierungsperiode (2014 - 2019) galt, um zwölf Jahre verlängert. Andernfalls müssen sie sich mit der auf 7,09 Prozent abgesenkten Rendite der zweiten Regulierungsperiode (2020 - 2025) begnügen.
Dieses Angebot bedeutet rein rechnerisch wohl eine gewisse Einbuße gegenüber
dem Entschädigungsanspruch, den ICSID der Steag zuerkannt hat. Es ist aber
insofern recht attraktiv, als es eine relativ hohe Rendite bis ans Ende der
dritten Regulierungsperiode im Jahre 2031 garantiert und zugleich alle juristischen
Unsicherheiten beseitigt. Aufgrund des "Achmea"-Urteils des Europäischen
Gerichtshofs vom März 2018 (190107) dürfte
es nämlich sehr schwierig sein, Entschädigungsansprüche auf dem
nationalen Rechtsweg durchzusetzen, die ICSID auf Grundlage der "Energie-Charta"
zuerkannt hat. Allerdings ist nicht bekannt, ob auch die Steag dieses Angebot
akzeptiert hat, das bis Ende 2020 befristet war.
Die drei "Andasol"-Kraftwerke in der Provinz Granada – hinten sieht man die Sierra Nevada – waren die größte Hinterlassenschaft der Solar Millennium AG, die 2011 Pleite machte (111213). Die Anlagen wären aber durchaus rentabel zu betreiben gewesen. Die Stadtwerke München kauften sich deshalb mit 48,9 Prozent bei Andasol 3 ein, während RWE und RheinEnergie 25,1 Prozent übernahmen. Die restlichen 26 Prozent teilten sich Ferrostal und Kleinanleger. Die drei nahezu baugleichen Anlagen verfügen zusammen über eine Leistung von bis zu 150 MW. Sie wird von Dampfkraftwerken erzeugt, die ihre thermische Energie von Rinnenkollektoren beziehen (siehe ENERGIE-WISSEN). |
Für die Stadtwerke München und die acht anderen Kläger kam das Angebot dagegen zum passenden Zeitpunkt, nachdem das Schiedsgericht in seiner am 2. Dezember 2019 zugestellten Entscheidung die geltend gemachte Verletzung von Artikel 10 der Energie-Charta nicht zu erkennen vermochte. Zusätzlich zu den Abschreibungen auf die drei solarthermischen "Andasol"-Kraftwerke, die sie bereits getätigt hatten – bei den SWM waren es 64 und bei der Rheinenergie 17 Millionen Euro – mussten sie nun auch noch dem spanischen Staat rund 2,4 Millionen Euro an Anwaltskosten sowie 362 237 Dollar an Gerichtskosten zahlen. Hinzu kamen natürlich noch die eigenen Anwalts- und Gerichtskosten. Das erklärt vielleicht, weshalb über den Abschluss dieses Verfahrens so gut wie nicht berichtet wurde. Auch im Geschäftsbericht 2020 der SWM findet man dazu nur zwei Sätze: "Für das solarthermische Kraftwerk Andasol 3 in Spanien erging im Klageverfahren gegen den spanischen Staat wegen dessen rückwirkender Maßnahmen zur Reduktion der Einspeisevergütung ein ablehnendes Urteil. Der Kraftwerksbetrieb läuft technisch solide und ist unter den angepassten Rahmenbedingungen auch wirtschaftlich stabil."
Spanien hatte zunächst recht üppige Vergütungen für Solarstrom angeboten, der in diesem Land nicht nur mittels Photovoltaik-Anlagen, sondern auch mit solarthermischen Rinnenkollektoren sehr günstig erzeugt werden kann. Unter der Last der Finanzkrise, die dem Staatshaushalt ein Milliardendefizit bescherte, verfügte dann aber die Regierung des Sozialisten Zapatero zum Jahresende 2010 kräftige Abstriche an der Solarförderung. Im Sommer 2013 beseitigte die Regierung des konservativen Ministerpräsidenten Rajoy das bisherige System der garantierten Vergütungen sogar ganz. Stattdessen wurde ab 2014 nur noch eine Verzinsung von 7,5 Prozent auf die Anfangsinvestition gewährt, was vielen Investoren die Bilanz verhagelte. Neben finanziellen Nöten spielte bei dieser Kürzung sicher auch eine Rolle, dass es die Konservativen für opportun hielten, die Solarstromerzeugung zu bremsen. Die Rechtsunsicherheit, die sich mit diesen rückwirkenden Gesetzesänderungen offenbarte, schreckte verständlicherweise neue Investoren ab, weshalb die Errichtung von Solaranlagen in Spanien weitgehend zum Erliegen kam.