Februar 2021

210210

ENERGIE-CHRONIK


Frankreich verlängert Laufzeit seiner ältesten Reaktoren von 40 auf 50 Jahre

Die französische Atomaufsicht "Autorité de sûreté nucléaire" (ASN) erteilte jetzt grundsätzlich die Erlaubnis, die Laufzeit der 32 ältesten Reaktoren von 40 auf 50 Jahre zu verlängern. In einem vom 23. Februar datierten Schreiben an den KKW-Betreiber Electricité de France (EDF) stimmte sie den Maßnahmen zu, die dieser in Abstimmung mit der Behörde vorgeschlagen hatte und hielt sie für geeignet, "das Sicherheitsniveau der 900-MW-Reaktoren näher an das der dritten Generation heranzuführen".

Österreich sieht weiterhin grundlegende Defizite

Zuvor hatte die Behörde vom 3. Dezember bis zum 22. Januar eine öffentliche Anhörung zu den "generischen Anforderungen" durchgeführt, denen die Baureihe der 900-MW-Reaktoren insgesamt zu genügen hat, bevor die Anlagen bei der jeweils anstehenden Verlängerung ihrer Laufzeit nochmals einzeln überprüft werden. Das österreichische Umweltbundesamt war dabei der Ansicht, dass grundlegende Defizite bei den 900-MW-Reaktoren weiterhin bestehen bleiben. Die bedeutendste Schwachstelle stelle die Verwundbarkeit der Brennelementlagerbecken dar, welche nur durch relativ dünn ausgeführte Wände geschützt seien.

Greenpeace Frankreich sieht ebenfalls grundlegende Sicherheitsanforderungen nicht erfüllt. In Wirklichkeit werde der vorgesehene Zeitplan für die Umsetzung der Anforderungen nicht von Sicherheitsaspekten, sondern von den Bedürfnissen der EDF diktiert, erklärte die Organisation am 25. Februar. Die kurze Frist zwischen Abschluss der öffentlichen Anhörung und Bekanntgabe der Entscheidung bestätige zudem, dass die Konsultation rein formal gewesen sei.

Grundsätzlich wäre sogar eine Verlängerung bis 60 Jahre möglich

Insgesamt wurden in Frankreich seit den siebziger Jahren 58 Druckwasserreaktoren errichtet. Die 34 ältesten verfügten über eine Leistung von jeweils etwa 900 MW, gefolgt von 20 Reaktoren im Bereich von 1300 MW und den vier neuesten mit jeweils rund 1500 MW. Nach der Abschaltung des bislang ältesten Kernkraftwerks Fessenheim (200616) sind von den 900-MW-Reaktoren noch 32 in Betrieb. Diese werden in den nächsten Jahren alle die Betriebszeit von 40 Jahren erreichen, für die sie ausgelegt wurden. Es gibt aber keine gesetzliche Begrenzung der Laufzeit, sondern nur die im Abstand von zehn Jahren vorgeschriebenen Sicherheitsüberprüfungen, die ab der vierten Überprüfung unter Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt werden müssen. Insofern wäre sogar eine weitere Verlängerung der Laufzeiten bis auf 60 Jahre möglich.

EPR-Fiasko verhinderte Ersetzung der ältesten Reaktoren

Ursprünglich sollten die 900-MW-Druckwasserreaktoren der "ersten Generation" durch neue Kernkraftwerke des Typs EPR (1600 MW) ersetzt werden (041006). Das scheiterte aber an den zahllosen technischen Problemen und Kostensteigerungen, die sich bei den meisten EPR-Projekten im Ausland und auch beim bisher einzigen inländischen Projekt am Standort Flamanville ergaben (siehe Hintergrund, August 2020). Deshalb greift man nun auf die Verlängerung der Laufzeiten für die ältesten und unsichersten Reaktoren zurück, anstatt diese stillzulegen.

Kernkraftgegner warnen vor Inangriffnahme von sechs weiteren EPR in Frankreich

Parallel dazu will die EDF an drei Standorten im Abstand von vier Jahren mit dem Bau von jeweils zwei neuen EPR beginnen, die binnen zwanzig Jahren fertig werden sollen und mit einer Leistung von insgesamt 9.600 Megawatt ältere Reaktoren ersetzen könnten. Die Kosten dafür werden mit insgesamt 46 Milliarden Euro veranschlagt, was ungefähr 7,7 Milliarden pro Block entspräche. Der französische Rechnungshof bezweifelte indessen, dass Zeitplan und Kosten realistisch sind (200806). Die Anti-Kernkraft-Organisation "Sortir du nucléaire" rief am 29. Januar zum Widerstand gegen dieses Vorhaben auf: "Es wäre ökonomisch ein Fass ohne Boden und ökologischer Unsinn, Frankreich mit dem Bau von sechs Reaktoren für weitere Jahrzehnte in eine nukleare Sackgasse zu zwingen."

 

Links (intern)