August 2020

200809

ENERGIE-CHRONIK


 


Das Kleinwasserkraftwerk Rechtenstein an der Donau wirkt für eine Anlage dieser Kategorie schon recht imposant. Die elektrische Leistung seiner vier Turbinensätze wird aber von einer modernen Windkraftanlage mit 3,5 MW um das zehnfache übertroffen. Da Windstrom nur fluktuierend anfällt, während Wasserkraft einigermaßen kontinuierlich zur Verfügung steht, schneiden Wasserkraftwerke beim Vergleich der jährlich erzeugten Kilowattstunden mit der installierten Leistung allerdings besser ab. Trotzdem sieht der WWF bei derartigen Flußverbauungen die Nachteile überwiegen – und erst recht bei Verbauungen von kleineren Flüssen und Bächen, die allenfalls Leistungen im zwei- oder einstelligen Kilowattbereich erbringen.
Foto: Leuschner

Wasserkraftwerksbetreiber empören sich über WWF-Studie

Mit einer geharnischten Presseerklärung reagierten die Vereinigung Wasserkraftwerke in Bayern (VWB) und der Landesverband Bayerischer Wasserkraftwerke am 21. August auf einen "Hintergrundbericht zum Zustand der Fließgewässer in Bayern", den die Umweltorganisation WWF am 19. August veröffentlichte (siehe PDF). "Wir sind fassungslos ob der einseitigen Darstellung und der pauschalen Schuldzuweisung durch den WWF", erklärte der VBW-Vorsitzende Fritz Schweiger zu der 78 Seiten umfassenden, sehr detaillierten Studie, die unter dem Titel "Lasst den Flüssen ihren Lauf" auch die Absicht der bayerischen Landesregierung kritisiert, die jährliche Stromerzeugung aus Wasserkraft bis 2022 um rund eine Terawattstunde auszubauen. Die Landesregierung will dazu ein spezielles Förderprogramm für Kleinwasserkraftwerke starten und außerdem eine höhere Förderung dieser Wasserkraft-Kategorie durch das EEG erreichen.

WWF fordert, Kleinwasserkraftanlagen zurückzubauen anstatt sie zu fördern

Der WWF ist dagegen der Ansicht, dass gerade die kleinen Wasserkraftanlagen nicht gefördert, sondern zurückgebaut werden müssten, weil die Verbauung unzähliger Fließgewässer energiewirtschaftlich kaum etwas bringe, aber verhängnisvolle ökologische Folgen habe. Er rechnet vor, dass ein Windrad mit einer installierten Leistung von 3 MW rund 60 entsprechende Kleinstwasserkraftwerke ersetzen könne.

Die nach der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) berichtspflichtigen Fließgewässer in Bayern seien zusammengenommen ca. 28.000 Kilometer lang. Damit blockiere rechnerisch alle 500 Meter eine Barriere den Weg der Flusslebewesen und den Durchgang des Sediments. Zu den Querbauwerken zählten Wehre, Abstürze, Absturztreppen, Verrohrungen, Durchlässe, Sohlrampen und Sohlgleiten. Bei deren Bewertung werde weder die abwärts gerichtete Fischdurchgängigkeit noch die Durchgängigkeit für Sedimente berücksichtigt. Vor allem die 6.590 Wehre würden neben der Unterbrechung der Durchgängigkeit zusätzlich den Rückstau von Wasser bewirken und den Transport der Sedimente aufhalten. Häufig seien diese Wehre mit Wasserkraftnutzungen verbunden, was die Verletzung oder gar Tötung von Fischen an Rechen oder Turbinen zur Folge habe.

3.500 Kleinstanlagen tragen nur mit 0,3 Prozent zur bayerischen Stromerzeugung bei

Nach Angaben der Umweltschützer sind in Bayern 4.268 Wasserkraftwerke amtlich erfasst. Von diesen Anlagen zählen ca. 95 Prozent als Kleinwasserkraftanlage, weil sie über weniger als 1 MW installierte Leistung besitzen. Sie erbringen ca. 9 Prozent der bayerischen Stromerzeugung aus Wasserkraft und 1,5 Prozent der gesamten bayerischen Stromerzeugung. Bei vier Fünftel der Anlagen ist die installierte Leistung geringer als 100 kW. Diese ca. 3.500 Kleinstanlagen tragen nur 0,3 Prozent zur bayerischen Stromerzeugung bei. Trotzdem – so der WWF – zerteilt jedes dieser Wasserkraftwerke einen Lebensraum in oftmals nicht verbundene Einzelteile, denn schätzungsweise 90 Prozent der Wehre an den Kraftwerken sind noch immer nicht durchgängig für flussaufwärts wandernde Fische.

Der WWF hält es deshalb für sinnvoll, "obsolete und ineffektive Kraftwerke zurückzubauen", anstatt die weitere Verbauung und ökologische Verschlechterung von Fließgewässern noch zu fördern, wie das die bayerische Landesregierung vorhat (die sich andererseits hartnäckig gegen den Ausbau der effizienteren Windkraft sträubt). Außerdem werde die Rentabilität der Kleinwasserkraft im Zuge des Klimawandels noch weiter sinken.


Die bislang noch lebendig dahinrauschende Saalach dient dem WWF als eines der Beispiele für geplante Verbauungen. Die grenznahe Strecke gehört zu den ganz wenigen Flusskilometern, die in Bayern noch einen "sehr guten ökologischen" Zustand erreichen. Dennoch soll in Unken (Österreich) ein Stauwehr entstehen, welches das Saalach-Wasser durch einen sechs Kilometer langen Tunnel über die
Grenze nach Bayern leitet, ehe es bei Schneizlreuth (Bayern) durch zwei Turbinen über
32 Meter hinab wieder in die Saalach stürzt. Der enorme Aufwand würde eine elektrische Leistung von gerade mal 9,6 MW erbringen. "Einer der extrem seltenen, noch wilden Flussabschnitte in Bayern würde so zur Restwasserstrecke degradiert", heißt es in der Studie. "Vermutlich würde sich dieses Restwasser auf sieben Flusskilometern Länge für viele Fischarten nicht mehr als Lebensraum eignen, zu einer Degradation der Auenvegetation führen und sich darüber hinaus auch nicht mehr zum Kajakfahren eignen."
Foto: WWF

Branche sieht Staat in der Pflicht, die Wehre durchlässiger zu machen

In ihrer Stellungnahme legen die Wasserkraftwerksbetreiber Wert auf die Feststellung, dass sich von 57.000 Querbauwerken lediglich 4.000 an Wasserkraftanlagen befinden würden. Diese könnten somit nicht die alleinige Ursache für die mangelhafte Qualität und Durchgängigkeit von 85 Prozent der bayerischen Flussgewässer sein (was die Studie allerdings auch nicht behauptet). "Die übrigen Querbauwerke, immerhin rund 93 Prozent der Wehre in Bayern, befinden sich im Eigentum des bayerischen Staates", erklärte der Verbandsvorsitzende Schweiger. "Hier ist der Staat in der Verantwortung, für die Durchgängigkeit zu sorgen." Zudem seien die Wehre nicht ohne Grund gebaut worden, sondern dienten beispielsweise dem Hochwasserschutz und der Grundwasserstabilisierung.

Dass rund 4000 Kleinwasserkraftwerke gerade mal 1,5 Prozent zur bayerischen Stromerzeugung beitragen, will der VBW-Vorsitzende Fritz Schweiger nicht bestreiten. Trotzdem werde die "sogenannte kleine Wasserkraft" zu Unrecht gern klein geredet. "Immerhin erzeugen die Anlagen über eine Milliarde Kilowattstunden Strom im Jahr. Damit kann rechnerisch der Strombedarf aller Haushalte in der Oberpfalz gedeckt werden."

 

Links (intern)