Mai 2020 |
200504 |
ENERGIE-CHRONIK |
Im März 2019 erreichte das EEG-Konto einen Rekordstand von sechs Milliarden Euro. Bis April 2020 blieb davon noch etwa ein Fünftel übrig, obwohl die EEG-Umlage, die in den Jahren 2018 und 2019 zum ersten Mal leicht rückläufig war, inzwischen wieder erhöht wurde. Das weitere Absinken bis tief in die roten Zahlen ist absehbar. |
Die zeitweilige Hoffnung auf eine kontinuierliche Verringerung der EEG-Kosten wird sich zumindest vorerst nicht erfüllen. Sie gründete vor allem darauf, dass ab 2021 für die ersten EEG-Anlagen die Förderung endet, die anfangs höher war als heute. Zum Beispiel waren vor zwanzig Jahren die Förderbeträge für Solarstrom mehr als fünfmal so hoch wie heute. Die Initiative Agora Energiewende ging deshalb im August 2019 davon aus, dass zwar 2020 die Umlage weiter steigen und für 2021 rund 7 Cent pro Kilowattstunde betragen werde. Damit sei dann aber der Kostengipfel erreicht. In den folgenden Jahren werde die Umlage allmählich wieder sinken (190804). Inzwischen hat sich das EEG-Konto aber derart ungünstig entwickelt, das beispielsweise E.ON-Chef Johannes Teyssen am 12. Mai vor einer "Explosion der EEG-Umlagekosten auf möglicherweise bis zu 8 ct/kWh" warnte. Die Initiative Agora Energiewende erwartet sogar "ein Rekordhoch von etwa 8,6 Cent", sofern nicht rechtzeitig Entlastungsmaßnahmen greifen. Ein wesentlicher, aber nicht der alleinige Grund dafür ist die Coronavirus-Krise.
Noch ungewiß ist, wieweit sich der reale Anstieg der EEG-Kosten auf den Stromrechnungen niederschlagen wird. Auf Drängen des Bundesrats haben im Dezember 2019 die Vertreter der Großen Koalition im Vermittlungsausschuss einer nachträglichen Erhöhung der CO2-Preise im "Brennstoffemissionshandelsgesetz" zugestimmt. Zugleich wurde beschlossen, die damit erzielten Einnahmen zweckgebunden zur Senkung der EEG-Umlage zu verwenden (191202). Am 25. Mai verabschiedete das Bundeskabinett zwei Gesetzesvorlagen, mit denen diese Vereinbarungen durch entsprechende Änderungen des Brennstoffemissionshandelsgesetzes und der Erneuerbare-Energien-Verordnung umgesetzt werden. Die Billigung durch den Bundestag soll noch vor dem 15. Oktober erfolgen, an dem die Übertragungsnetzbetreiber offiziell die EEG-Umlage für das kommende Jahr bekanntgeben. Falls der von ihnen prognostizierte Finanzbedarf die Stromrechnung nicht zusätzlich belasten sollte, wäre das allerdings noch lange kein Grund zum Jubeln, denn die reale EEG-Umlage wird in jedem Falle höher sein. Die Verbraucher werden sie auch in voller Höhe zahlen müssen – entweder über die Stromrechnung oder über die CO2-Steuer.
Die Schutzmaßnahmen gegen die Ausbreitung der Corona-Pandemie haben im April den deutschen Stromverbrauch gegenüber demselben Zeitraum des Vorjahres um rund sieben Prozent verringert (200401). Daraus ergab sich ein bisher beispielloser Tiefstand der Großhandelspreise am Spotmarkt, wo der Durchschnittspreis für die Megawattstunde auf 14,51 Euro (base) bzw. 17,09 Euro (peak) sank (siehe Phelix). Derartige Extremwerte gab es noch nie seit Beginn der Börsennotierung. Wie die bisherigen Erfahrungen zeigen, werden die Verbraucher davon aber keineswegs profitieren, sondern die Leidtragenden sein, weil die Stromvertriebe regelmäßig nur eine Erhöhung der staatlichen Belastungen des Strompreises an die Kunden weiterreichen (141005, 120806). Schon vor der Corona-Krise drohte deshalb über die EEG-Umlage ein Anstieg der Strompreise, der die Schmerzschwelle noch deutlicher als bisher überschreitet – was dann auch zur Bereitschaft der Großen Koalition beigetragen hat, einer Zweckbindung der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung zur Senkung der EEG-Umlage zuzustimmen.
Der Anstieg der EEG-Kosten kommt dadurch zustande, dass wegen der gesunkenen Großhandelspreise am Spotmarkt die Ausgleichszahlungen steigen, die den "Direktvermarktern" von EEG-Strom in Form der "Marktprämie" gewährt werden. Zugleich sinken die Einnahmen, welche die Übertragungsnetzbetreiber aus dem Zwangsverkauf jenes Teils des EEG-Stroms erzielen, der aus kleinen Anlagen stammt und weiterhin mit festen Einspeisesätzen vergütet wird. Schon 2019 waren die Großhandelspreise deutlich niedriger als im Vorjahr. Das erklärt, weshalb der im März 2019 erreichte Rekordstand des EEG-Kontos schneller abschmolz, als aufgrund der geringfügigen Absenkung der EEG-Umlage um 0,387 Cent/kWh zu erwarten gewesen wäre, und weshalb in der zweiten Jahreshälfte der sonst übliche Wiederanstieg weitgehend ausblieb (siehe Grafik). In diese bereits vorhandene Bresche schlug dann ab März 2020 der Preisverfall infolge der Corona-Krise. Der saisonale Wiederanstieg des EEG-Kontos ab dem dritten Quartal, der in den Vorjahren regelmäßig bis zum Frühjahr dauerte, brach deshalb schon im Februar ab und ging unvermittelt in den Absturz über.
Die Kritik an der vor zehn Jahren eingeführten neoliberalen Umgestaltung der EEG-Förderung (091201, 100407) wird inzwischen lauter. Im April unternahmen die beiden Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck einen bemerkenswerten Vorstoß, indem sie in der "FAZ am Sonntag" vorschlugen, die derzeit 6,756 Cent/kWh betragende EEG-Umlage um fünf Cent bzw. rund 76 Prozent zu senken (200413). In einem Interview mit demselben Blatt, das am 17. Mai erschien, kritisierte der E.ON-Chef Johannes Teyssen das "misslungene System der Finanzierung der Erneuerbaren", das "nicht in homoöpathischen Dosen, sondern radikal" reformiert werden müssen. Wörtlich fuhr er fort:
"Das System mit der EEG-Umlage war noch nie wetterfest. Jetzt, in der Krise, scheitert es komplett. Der Strompreis an der Börse ist wegen der Krise niedrig, die Erneuerbaren aber bekommen ihren garantierten Preis. Das heißt: Die Differenz steigt gewaltig, die Ausgleichskosten explodieren – und damit die EEG-Umlage. Das trifft jeden Haushalt, jeden Gewerbetreibenden. Damit würgen wir den Aufschwung nach Corona ab, bevor er überhaupt beginnen kann. Die EEG-Umlage muss abgeschafft werden. Falls das nicht sofort machbar ist, dann muss sie zumindest gesenkt werden, mit einer dauerhaften Obergrenze von 5 Cent."
Da die Erfüllung der jeweils auf zwanzig Jahre garantierten Förderzusagen sowie die Notwendigkeit einer weiteren Förderung der EEG-Stromerzeugung nicht zur Debatte stehen können, laufen beide Vorschläge auf eine mehr oder weniger weitgehende Umschichtung der EEG-Kosten in den Staatshaushalt hinaus. Einen ersten Schritt in dieser Richtung unternimmt die Große Koalition mit der zweckgebundenen Verwendung der Einnahmen aus dem "Brennstoffemissionshandelsgesetz", die letztendlich auf Drängen der Grünen zustande kam (191202). Diese Zweckbindung war auch überfällig, um die neue Klimaschutzmaßnahme im Verkehrs- und Gebäudebereich kostenneutral zu gestalten. Sie ändert jedoch nichts am realen Anstieg der EEG-Kosten und an der Gesamtbelastung der Verbraucher, die nun einen Teil der realen EEG-Umlage über die CO2-Preise zahlen. Weitere Maßnahmen zur Senkung der extrem hohen staatlichen Belastung der Strompreise bleiben deshalb erforderlich. Zum Beispiel wäre es nur angemessen, die Stromsteuer bis auf den EU-weit vorgeschriebenen Mindestsatz abzuschaffen und die Mehrwertsteuer für Stromrechnungen zu halbieren. Denselben Effekt hätte es, wenn die mit beiden Steuern erzielten Einnahmen in entsprechender Höhe zur Senkung der EEG-Umlage verwendet würden.
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