Mai 2020 |
200503 |
ENERGIE-CHRONIK |
Zehn kommunale Energieversorger haben am 27. Mai beim Gericht der Europäischen Union in Luxemburg (EUG) beantragt, die Genehmigungen für nichtig zu erklären, mit denen die EU-Kommission und das Bundeskartellamt im Februar 2019 dem RWE-Konzern den Erwerb des Erneuerbaren-Geschäfts von E.ON und Innogy sowie die kapitalmäßige Verflechtung mit E.ON durch eine Beteiligung von 16,7 Prozent erlaubt haben (190202). Die relativ späte Einreichung ihrer Klage begründen sie damit, dass der vom 26. Februar 2019 datierte Freigabebeschluss erst am 4. April dieses Jahres in einer für die Öffentlichkeit bereinigten – und außerdem nur in Englisch verfügbaren – Fassung im EU-Amtsblatt veröffentlicht wurde (siehe PDF). Voraussichtlich werden die Kläger auch die Entscheidung angreifen, mit der die EU-Kommission ein halbes Jahr später den zweiten Teil des Tauschgeschäfts mit der Übernahme, Zerschlagung und Aufteilung der RWE-Tochter Innogy durch E.ON genehmigte (190901).
In ihrem "Gemeinsamen Standpunkt zum RWE-E.ON-Deal" (PDF) stellen die Kläger fest, dass RWE und E.ON sich darauf geeinigt haben, den Wettbewerb miteinander aufzugeben und sich den Markt stattdessen aufzuteilen (180301). Dadurch entstünden zwei unterschiedlich fokussierte, aber miteinander verflochtene Unternehmen, die jeweils ihren Teil der energiewirtschaftlichen Wertschöpfungsstufen zu Lasten des Wettbewerbs dominieren. RWE werde der mit Abstand größte Erzeuger und Großhändler von Strom sein, der sein konventionelles Erzeugungsportfolio mit einem großen und weiter wachsenden Erneuerbaren-Energien-Portfolio kombinieren kann. Dies verschaffe RWE zusätzliche Einflussmöglichkeiten auf den Erzeugerwettbewerb und die Großhandelspreise. E.ON hingegen werde jeweils mit Abstand der größte Betreiber von Verteilnetzen, der größte Versorger mit den meisten Kunden und das Meteringunternehmen mit den meisten Daten. Gleichzeitig werde der RWE-Konzern, der schon jetzt über mehrere hundert Beteiligungen mit allen Bereichen der Energiewirtschaft verflochten sei, der größte und einflussreichste Einzelaktionär von E.ON.
Dieser "Deal" bedeute erhebliche Nachteile für den Wettbewerb und damit für alle Verbraucher. Mit ihren drei Entscheidungen zur Freigabe der Fusion im Februar und September 2019 hätten die EU-Kommission und das Bundeskartellamt "den Weg freigemacht für zwei nationale Champions zu Lasten des Mittelstandes". Zugleich hätten sie die Liberalisierung des Energiemarktes und den dort geschaffenen Wettbewerb zunichte gemacht, "den so viele kleinere Akteure in den letzten zwei Jahrzehnten gegen den Widerstand der Großkonzerne, allen voran RWE und E.ON, miterkämpft haben".
Zu den Klägern gehören die Stadtwerke Frankfurt (Mainova), Leipzig, Dresden und Schwäbisch Hall sowie die kommunalen Regionalversorger TEAG (Thüringen) und GGEW (Bergstraße), die bereits im August an die EU-Kommission appelliert haben, das zwischen RWE und E.ON vereinbarte Tauschgeschäft nicht oder nur mit "substanziellen" Auflagen zu genehmigen (190802). Den damaligen "Gemeinsamen Standpunkt zum Fusionskontrollverfahren E.ON / innogy" (PDF) hatten außerdem die Regionalversorger EAM (Kassel) und Entega (Darmstadt) sowie die Stadtwerke Aachen (Stawag) und Schwerin unterzeichnet, deren Firmen-Logos auf dem nunmehr formulierten "Gemeinsamen Standpunkt zum RWE-E.ON-Deal" (PDF) nicht mehr zu finden sind. Neu hinzugekommen sind dafür die Stadtwerke Hannover (enercity), Chemnitz (eins energie) und Hameln, die gesamte Unternehmensgruppe der Stadtwerke Frankfurt sowie – als elfter im Bunde - der Ökostrom-Anbieter Naturstrom AG.
Treibende Kraft des Bündnisses ist offenbar die Frankfurter Mainova, die schon im September 2019 ankündigte, rechtliche Schritte gegen die Entscheidung der EU-Kommission zu unternehmen (190901). Die anwaltliche Vertretung der Kläger hat die auf kommunale Belange spezialisierte Kanzlei Becker-Büttner-Held (BBH) übernommen.