März 2019 |
190302 |
ENERGIE-CHRONIK |
Das Bundeswirtschaftsministerium will bis 2021 eine Milliarde Euro an Fördergeldern bereitstellen, damit in Deutschland eine eigenständige Batteriezellfertigung zur Ausrüstung von Elektroautos entsteht. Im Februar hatte es deshalb die einschlägigen Branchen aufgefordert, bis Mitte März ihr Interesse zu bekunden und erste Vorschläge zu unterbreiten. Dieser Aufruf sei ein "voller Erfolg" gewesen und zeuge von der "Aufbruchstimmung" in der Industrie, erklärte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) am 18. März. "Über 30 Unternehmen aus der gesamten Wertschöpfungskette haben ihr Interesse hieran bekundet: von Automobilherstellern und -zulieferern, Batterieherstellern, Chemie-Unternehmen bis hin zu Rohstoff- und Recyclingunternehmen, auch mit Unterstützung von Forschungsinstituten."
Die nun eingereichten Projektskizzen der Unternehmen will das Ministerium "mit Hochdruck prüfen". Anschließend sollen die Interessenten ihre Anträge in einer zweiten Stufe weiter konkretisieren. Dabei werde es auch um die Bildung von Konsortien gehen. Parallel werde die Förderung mit der Europäischen Kommission besprochen, um baldmöglichst mit Projekten beginnen zu können.
Altmaier hatte seine Kampagne im Herbst vorigen Jahres gestartet. Er knüpfte dabei an die "Europäische Batterie-Allianz" (EBA) an, die im Oktober 2017 von dem für die "Energieunion" zuständigen EU-Kommissar Maros Sefkovic aus der Taufe gehoben wurde. Diese Schöpfung machte zunächst einen eher papierenen Eindruck (180701). Das begann sich im Oktober 2018 zu ändern, als die EU-Kommission erstmals über konkrete Fortschritte beim Aufbau einer eigenständigen europäischen Batterieproduktion berichten konnte (siehe PDF). Zugleich sprach sich das Bundeswirtschaftsministerium auf einer EBA-Sitzung am 15. Oktober in Brüssel für die Ansiedlung einer Batteriezellfertigung in Deutschland aus und stellte dafür seine Unterstützung in Aussicht. Schon Anfang September hatte Altmaier anläßlich eines Besuchs in Polen mit seiner Amtskollegin Jadwiga Emilewicz über eine Kooperation im Bereich Batteriezellen gesprochen, die in der Lausitz oder im angrenzenden Westpolen angesiedelt werden könnte. Ferner vereinbarte er anläßlich der 6. "Friends-of-Industry"-Konferenz, die am 18. Dezember in Paris stattfand, mit seinem französischen Amtskollegen Bruno Le Maire gemeinsame Anstrengungen zur Batteriezellfertigung. Zu dieser Konferenz treffen sich seit 2013 die Wirtschaftsminister von 17 EU-Staaten einmal jährlich, um Probleme der europäischen Industriepolitik zu erörtern. In ihrer Abschlusserklärung unterstrichen sie ebenfalls die Bedeutung einer europäischen Batteriezellfertigung.
Am 12. November folgten rund 600 Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik der Einladung des Ministeriums zu einer zweitägigen "Vernetzungskonferenz Elektromobilität 2018" in Berlin, die mit Vorträgen, Podiumsdiskussionen und international besetzten Fachforen sowie einer Ausstellung über neueste Entwicklungen auf dem Gebiet der Elektromobilität informierte. Zu den Teilnehmern gehörten auch EU-Kommissar Maros Sefkovic und Minister Altmaier. Beide stellten dabei ein Thesenpapier zur industriellen Batteriezellfertigung in Deutschland und Europa vor. Es enthält das Ziel, bis zum Jahr 2030 rund 30 Prozent der weltweiten Nachfrage nach Batteriezellen aus deutscher und europäischer Produktion zu beliefern. Das Bundeswirtschaftsministerium sagte in dem Papier zu, bis 2021 eine Milliarde Euro "für die Förderung von Batteriezellproduktion in Europa" bereitzustellen (siehe PDF).
Altmaier argumentiert damit, dass die Batteriezellen beim Elektroauto rund ein Drittel der Wertschöpfung ausmachen. Bisher sind es jedoch fernöstliche Produzenten, die sich am erfolgreichsten auf diesem Gebiet betätigen. Zu nennen wären hier vor allem Unternehmen wie Panasonic (Japan), LG Chem, Samsung SDI und SK Innovation (Südkorea) oder CATL, Lishen und BYD (China). Zusammen beherrschen sie rund 80 Prozent des Weltmarktes und rüsten ungefähr neun von zehn Elektroautos mit Lithium-Ionen-Zellen aus. In Europa werden diese Zellen allenfalls noch zu fertigen Batterien zusammengefügt. Sogar ein potenter Batteriehersteller und Autozulieferer wie Bosch hat vor dieser überlegenen Konkurrenz kapituliert und vor einem Jahr wissen lassen, dass er seine Pläne zur Entwicklung einer neuen Generation von Lithium-Ionen-Akkus und sogenannter Feststoff-Batterien nicht weiter verfolgen werde (180701). Andernfalls müsse er zwanzig Milliarden Euro investieren, um mit einem technisch überlegenen Produkt einen Marktanteil von zwanzig Prozent zu erringen.
Diese zwanzig Milliarden an erforderlichen Investitionen stehen nach wie vor im Raum, wenn Altmaier nun glaubt, mit einer Förderung von einer Milliarde die bei der Industrie bestehenden Hemmschwellen überwinden zu können. Im Raum steht dabei auch noch der Mißerfolg jenes Förderungspakets, das vor zehn Jahren ebenfalls eine schwarz-rote Bundesregierung beschloss, um das Elektroauto voranzubringen. Mit 500 Millionen Euro hatte es immerhin einen halb so großen Umfang (090310). Schon damals ging es hauptächlich darum, die verfügbaren Batteriesysteme leistungsfähiger zu machen und die Abhängigkeit von asiatischen Lieferanten zu mildern. Für Abhilfe sorgen sollte ein Industriekonsortium, dem unter anderen BASF, Bosch, Daimler und Evonik angehörten. Die Firma Li-Tec bzw. Litarion – ursprünglich ein Gemeinschaftsunternehmen von Daimler und Evonik – entwickelte und produzierte dann im sächsischen Kamenz tatsächlich auch Zellen und Batterien, mit denen unter anderem der "Smart" ausgerüstet wurde. Wirtschaftlich konnten sich die qualitativ hochwertigen Zellen aber nicht gegen die Konkurrenz durchsetzen. Daimler schloß deshalb 2015 diese Produktion und baute stattdessen in Kamenz die Batteriemontage aus. Die dafür verwendeten Zellen bezieht die Daimler-Tochter Accumotive aus Fernost.
Gescheitert ist auch die im Mai 2017 gegründete TerraE Holding GmbH, in der sich Maschinen- und Anlagenbauer, Zellverarbeiter und Chemiefirmen zusammengeschlossen hatten, um bis 2028 eine Zellfertigung mit einer Kapazität von 34 Gigawattstunden aufzubauen. Das Projekt geriet nicht über Ansätze hinaus, weil es den Beteiligten an der erforderlichen Fähigkeit oder Bereitschaft zur Finanzierung eines solchen Milliardenvorhabens fehlte. Schon Anfang 2018 war konkret nur noch von der Entwicklung einer "konkurrenzfähigen Produktionseinheit mit einer Produktionskapazität von 6 Gigawattstunden" die Rede, die mit Förderung des Bundesforschungsministeriums "die Grundlage für den Aufbau einer Großserienfertigung von Lithium-Ionen-Zellen in Europa schaffen" sollte. EU-Kommissar Maros Sefkovic lobte das Projekt und versprach weitere Unterstützung durch die von ihm gegründete "Europäische Energie-Allianz". Wenige Monate später zogen die Gesellschafter aber endgültig den Stecker und überließen die Firma dem Batteriehersteller BMZ. Der hat Ende 2018 den Geschäftsbetrieb wieder aufgenommen und gehört nun mit TerraE zu den Anwärtern für die von Altmaier in Aussicht gestellten Fördergelder.
Der Autohersteller BMW hat seine Elektrofahrzeuge bisher mit Batterien von Samsung bestückt. Für künftige Modelle will er Batterien des chinesischen Unternehmens CATL verwenden, mit dem er im Juli vorigen Jahres einen Liefervertrag im Umfang von vier Milliarden Euro abschloss. Die Chinesen wollen zur Deckung des Bedarfs ein neues Werk in der Nähe von Erfurt errichten (180701). Dessen jährliche Produktion wurde zunächst mit bis zu 14 Gigawattstunden beziffert. Dann war von 60 GWh die Rede. Im Februar ließ CATL verlauten, dass im Jahr 2025 sogar mit einer Nachfrage von 100 GWh zu rechnen sei. Als Grund wurden strengere Vorgaben für den CO2-Ausstoß von Fahrzeugen genannt. Man kann darin aber auch eine Reaktion auf die Bemühungen Altmaiers sehen, eine europäische Konkurrenz gegen die erdrückende Übermacht aus Fernost aufzubauen.
Ordnungspolitische Bauchschmerzen verspürt Altmaier bei seinen Plänen offenbar nicht. In seinen "Thesen zur industriellen Batteriezellfertigung in Deutschland und Europa" heisst es dazu: "In der sozialen Marktwirtschaft ist es primär die Aufgabe privater Unternehmen, neue Technologien und damit auch eine industriell wettbewerbsfähige Batteriezellproduktion zu entwickeln, aufzubauen und marktfähig zu machen. Aufgabe des Staates ist es, hierfür notwendige Rahmenbedingungen zu schaffen und zeitlich begrenzte Anschubhilfe zu leisten."