Mai 2017

170615

ENERGIE-CHRONIK


"Grünes Band" erschwert HGÜ-Trasse durch Thüringen, blockiert sie aber nicht

Die geplanten Schutzmaßnahmen zur Erhaltung der ehemaligen innerdeutschen Grenze als "Grünes Band" sind kein unüberwindbares Hindernis für die geplante Trassierung der Gleichstrom-Hochspannungsleitung "Südlink" durch Thüringen. Eine Unterquerung des geschützten Streifens durch Stromtrassen bleibt möglich, sofern seine Oberfläche dabei nicht beschädigt wird oder die Naturschutzbehörde eine Ausnahmegenehmigung erteilt. Dies erklärte das Umweltministerium in Erfurt zu Berichten, wonach die rot-grüne Landesregierung mit einem jetzt vorgelegten Gesetzenwurf den Bau der HGÜ-Trasse durch Thüringen "blockieren" wolle.

Der Grenzstreifen, mit dem sich einst die DDR gegen die Bundesrepublik abschottete, ist fast 1.400 Kilometer lang. Mehr als die Hälfte davon – 763 Kilometer – liegen in Thüringen, wo er die Landesgrenze zu Bayern, Hessen und Niedersachsen bildet. Seit vielen Jahren gibt es Bestrebungen, ihn als Mahnmal und in Jahrzehnten gewachsenes Biotop unter besonderen Schutz zu stellen. Vor allem der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat sich dafür eingesetzt, diesen staatlichen Grundbesitz nicht an private Eigentümer zu verkaufen, sondern möglichst komplett zu erhalten. Die Verwirklichung des Vorhaben ist bisher in Thüringen am weitesten gediehen und Bestandteil des Koalitionsvertrags zwischen Linken und SPD.

Strom-Autobahn darf Grenzstreifen nur ohne Beschädigung der Oberfläche unterqueren

 

Der favorisierte Vorschlagskorridor für die Abschnitte C und D von "Südlink" führt bisher durch Thüringen (lila). Dabei muß an mindestens zwei Stellen das "Grüne Band" der ehemaligen innerdeutschen Grenze unterquert werden, ohne es zu beschädigen. Alternativ wäre auch eine Trassierung durch Hessen möglich (blau).

Der Gesetzentwurf zur Schaffung des Nationale Naturmonuments "Grünes Band Thüringen" wurde am 13. Juni vom Kabinett verabschiedet und soll nach den Sommerferien dem Landtag zugeleitet werden. Unter anderem verbietet er es, im Bereich des Grünen Bands "ober- und unterirdische Leitungen aller Art zu errichten, zu verlegen oder wesentlich zu verändern". Davon ausgenommen ist lediglich "eine vollständige Unterquerung, bei der keine Schäden an der Oberfläche entstehen". Ferner kann die Obere Naturschutzbehörde eine Ausnahmegenehmigung erteilen.

Daß die thüringische Landesgrenze nur "unterquert" werden darf, stört die Planer sicher nicht weiter, da ohnehin Erdverkabelung vorgesehen ist. Schwieriger wird die Auflage zu erfüllen sein, die Oberfläche nicht zu beschädigen. Mit Horizontalbohrmaschinen ist dies aber technisch lösbar. Eventuell könnte die Naturschutzbehörde auch eine offene Bauweise mit anschließender Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes genehmigen. Eine direkte Nutzung des Grenzstreifens für die geplante Strom-Autobahn ist in den Planungen nicht beabsichtigt. Es geht allein um solche Stellen, wo die HGÜ-Trasse ihn queren muß, um von Niedersachsen nach Thüringen oder von dort nach Bayern zu gelangen.

Grünes Band ist seit 2014 Bestandteil des Koalitionsvertrags

"Thüringen will Stromautobahn-Ausbau blockieren / Neues Gesetz zum Schutz der alten DDR-Grenze soll Leitungsbau verbieten - Bundesregierung ist alarmiert" – Unter dieser Überschrift hatte die "Frankfurter Allgemeine" am 10. Juni über den Gesetzentwurf berichtet, der die ehemalige innerdeutsche Grenze unter besonderen Schutz stellt. Nach der Verabschiedung durch das Kabinett folgte am am 14. Juni ein weiterer Bericht unter der Überschrift "Thüringen blockiert Stromtrasse".

Auf Nachfrage wies das Landesumweltministerium den Vorwurf zurück, die HGÜ-Trasse Südlink blockieren zu wollen. Allerdings sei "ein ausgewogener Netzausbau eine Frage der Gerechtigkeit" und es gelte, "eine überproportionale Belastung der hier lebenden Menschen abzuwenden". Die Überlegungen zum Schutz des Grenzstreifens gebe es seit 25 Jahren. Die jetzige Landesregierung habe schon mit dem Koalitionsvertrag im Jahr 2014 entsprechende Pläne vorgelegt. Dagegen habe der Netzbetreiber Tennet seine Pläne für die Trassenführung von "Südlink" erst im vergangenen Jahr konkretisiert. Der Vorwurf des Vorschiebens von Naturschutzgründen könne insofern nicht greifen. Es treffe allerdings zu, daß die Bundeswirtschaftsministerin Zypries (SPD) Bedenken geäußert habe. Aus den Bundesministerien für Umwelt und Verkehr seien dagegen positive Stellungnahmen gekommen.

Das Projekt "Südlink" besteht aus zwei HGÜ-Trassen, die von Brunsbüttel nach Großgartach bzw. von Wilster nach Grafenrheinfeld führen. Sie verlaufen dabei größtenteils parallel. Das gilt auch für die Abschnitte C und D von Niedersachsen nach Bayern, die entweder Nordhessen oder Thüringen durchqueren. Die bisherigen Planungen sehen unterschiedliche Trassen-Varianten vor, die ungefähr zehnmal die thüringische Landesgrenze berühren. Am Ende werden zumindest zwei Querungen übrigbleiben – falls die Planer nicht doch noch auf Nordhessen ausweichen.

 

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