Juni 2017 |
170604 |
ENERGIE-CHRONIK |
In seiner letzten Sitzung vor der Bundestagswahl verabschiedete der 18. Bundestag am 30. Juni das sogenannte Netzentgeltmodernisierungsgesetz (NEMoG), das seit Anfang des Jahres dem Parlament vorlag (170105). Die Modernisierung beschränkt sich dabei auf einen zögerlichen Abbau der sogenannten "vermiedenen Netzentgelte", welche die Höhe der Netzentgelte in sehr unterschiedlichem Maße beeinflussen. Die angestrebte Vereinheitlichung der Netzentgelte wird dagegen über eine entsprechende Verordnungsermächtigung der Bundesregierung übertragen und damit in die Zukunft verschoben. Das Gesetz sei "bestenfalls ein Reförmchen", räumte sogar der SPD-Sprecher Johann Saathoff in der Bundestagsdebatte ein.
Der neue § 120 im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) streicht ab 2020 die "vermiedenen Netzentgelte" für Wind- und Solarstromanlagen. Dabei handelt es sich um Pseudo-Vergütungen, die ohnehin nicht an die Betreiber ausgezahlt werden. Sie gehen aber in die Netzentgelte ein und belasten besonders die ostdeutschen Stromverbraucher (siehe Hintergrund). Neun Bundesländer unter Führung des sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich (CDU) haben deshalb kräftigen Druck auf die Regierungskoalition ausgeübt, damit wenigstens diese bescheidene Änderung zustande kommt. Noch Mitte Juni hatte es nämlich so ausgesehen, als ob der Gesetzentwurf an der Uneinigkeit von Union und SPD scheitern würde.
Ferner entfällt die Vergütung für solche Kraftwerke, deren Netzeinspeisung seit Anfang 2016 von der Höchst- auf die Hochspannungsebene verlagert wurde. Diese Regelung zielt auf Kraftwerksbetreiber, die ihre Anlage nur deshalb "umgehängt" haben, um ebenfalls von den Prämien für dezentrale Einspeisung profitieren zu können.
Entgegen dem ursprünglichen Gesetzentwurf (161110) werden die "vermiedenen Netzentgelte" nicht bis 2030 generell abgeschafft, sondern ab 2018 generell auf dem Stand von 2016 eingefroren. Nur für neue Anlagen wird die Prämie ab 2023 gestrichen. Am Besitzstand der bisherigen Nutznießer ändert sich also nur wenig. Das freut insbesondere die Stadtwerke und andere Betreiber von (Block)-Heizkraftwerken, die der Ansicht sind, sie hätten eine Art Gewohnheitsrecht auf diese zusätzliche Prämie, obwohl die damit angeblich bezweckte Förderung der dezentralen Einspeisung schon immer nur ein Vorwand war (siehe Hintergrund). Im Jahr 2015 summierten sich diese Prämien auf insgesamt 1,8 Milliarden Euro, wovon mehr als 700 Millionen Euro auf die Betreiber von KWK-Anlagen entfielen.
Der neue § 24 Abs. 4 sowie der ebenfalls neu eingefügte § 24a des Energiewirtschaftsgesetzes ermächtigen die Bundesregierung zur bundesweiten Vereinheitlichung der Netzentgelte per Verordnung mit Zustimmung des Bundesrats. Damit wird diese Reform auf die nächste Legislaturperiode verschoben. Außerdem bleibt es einer künftigen Regierung überlassen, ob und wann sie von dieser Ermächtigung Gebrauch macht. Die derzeitige Bundesregierung wird die Verordnung sicher nicht mehr auf den Weg bringen.
Das "Gesetz zur Modernisierung der Netzentgeltstruktur" streicht nebenbei den § 13k EnWG, der den Übertragungsnetzbetreibern die Errichtung von "Netzstabilitätsanlagen" erlaubte. Ersatzweise dürfen sie künftig nach § 11 Abs. 3 EnWG "besondere netztechnische Betriebsmittel vorhalten, um die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems bei einem tatsächlichen örtlichen Ausfall eines oder mehrerer Betriebsmittel im Übertragungsnetz wieder herzustellen". Ein vollwertiger Ersatz ist das jedoch nicht, da nun mit dem Betrieb "Dritte zu beauftragen" sind. Sie dürfen die Netzstabilitätsanlagen bzw. Regelkraftwerke also nicht in eigener Regie betreiben. Diese Änderung erfolgte aufgrund der umfangreichen Beschlußempfehlung, die der zuständige Ausschuß für Wirtschaft und Energie erst kurz vor der Sitzung vorlegte. Angeblich dient sie dem Zweck, einen "diskriminierungsfreien Zugang zum Auftragsvolumen der Übertragungsnetzbetreiber" zu gewährleisten.
Ein weiterer problematischer Punkt des jetzt beschlossenen Gesetzes sind die Kosten für den Netzanschluß von Offshore-Windparks: Diese werden ab 2019 aus den Netzkosten herausgenommen und in den Belastungsausgleich nach § 17f EnWG überführt. Das heißt, daß sie in die sogenannte Offshore-Haftungsumlage miteingehen und mit dieser über die Netzentgelte auf die Letztverbraucher abgewälzt werden. Diese Umlage erfolgt allerdings nicht gleichmäßig: Die Großstromverbraucher, die bereits in vielfältiger Weise begünstigt werden (170410), werden auf diese Weise ein weiteres Mal zum Nachteil der kleineren Stromkunden entlastet. Das ist vom Gesetzgeber auch ausdrücklich so vorgesehen.