Juni 2016 |
160603 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die deutschen Schiefergas-Ressourcen rangieren im internationalen Vergleich erst an 27. Stelle. Sie sind aber groß genug, um auch hierzulande die Begehrlichkeit von Gasförderern wie Exxon (141009) zu wecken. Die Lobby argumentiert dabei gern mit der unbedeutenden inländischen Gasförderung, deren anhaltender Rückgang per Fracking zumindest kompensiert werden könne. Grafik: Bundesanstalt für Geowissenschaften
und Rohstoffe (BGR)
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Kurz vor der Sommerpause hat der Bundestag das geplante Fracking-Gesetz (141104) überraschend doch noch auf die Tagesordnung gesetzt und am 24. Juni verabschiedet. Die Union akzeptierte nun auch ein weitgehendes Verbot für "unkonventionelles Fracking", das sie bisher abgelehnt hatte. Den Anstoß zu der parlamentarischen Eile gab die wachsende Besorgnis, daß das im Koalitionsvertrag vom November 2013 vereinbarte Gesetz (131101) in dieser Legislaturperiode überhaupt nicht mehr zustande kommen und insofern dasselbe Schicksal erleiden könnte wie vor drei Jahren der Gesetzentwurf der schwarz-gelben Koalition (130606). Vor allem die Gasförderer, das Land Niedersachsen und die Kommunalverbände hatten aus jeweils unterschiedlichen Motiven auf die Verabschiedung des Gesetzentwurfs gedrängt.
Das Fracking-Gesetz besteht aus zwei Artikeln zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes und des Bundesbergbaugesetzes, die vom Bundestag am 7. Mai 2015 in erster Lesung behandelt wurden. Ursprünglich sollte das Gesetz am 5. Juli 2015 endgültig vom Parlament beschlossen werden. Dazu kam es aber nicht, weil die SPD Änderungen verlangte und die Union diese nicht akzeptieren wollte. Vor allem ging es darum, ob "unkonventionelles Fracking" durch mehrheitliche Entscheidung einer Experten-Kommission erlaubt werden dürfe. Da sich die Koalitionäre nicht einigen konnten, lag der Gesetzentwurf seitdem auf Eis.
In der nunmehr verabschiedeten Fassung enthält das Wasserhaushaltsgesetz ein generelles Verbot des "unkonventionellen Fracking" in Schiefer-, Ton-, Mergel- oder Kohleflözgestein. Im Regierungsentwurf war dies nur bis zu einer Tiefe von 3.000 Meter unter Normalnull vorgesehen. Ausgenommen sind lediglich insgesamt vier Probebohrungen zur wissenschaftlichen Klärung der Frage, wie sich diese umstrittene Technologie tatsächlich auf den Untergrund und den Wasserhaushalt auswirkt. Im ursprünglichen Regierungsentwurf war die Zahl dieser Probebohrungen nicht begrenzt. Hinzu sollte über ihre Zulässigkeit eine Expertenkommission entscheiden. Dagegen muß jetzt auch die betroffene Landesregierung zustimmen. Der Kommission verbleibt jetzt nur noch die Aufgabe, einen Bericht an den Bundestag zu erstellen. Das Parlament soll dann 2021 erneut über die Fracking-Regelung befinden.
Weiterhin erlaubt bleibt das "konventionelle Fracking" zur Erhöhung der Ausbeute bei üblichen Bohrungen. Im Unterschied zum "unkonventionellen Fracking" sind dabei die Kohlenwasserstoffe nicht fest mit dem Muttergestein verbunden und müssen nicht erst aufwendig aus diesem herausgelöst werden. Vielmehr wird umliegendes Gestein mit Wasserdruck und einem Chemikaliengemisch so durchlässig macht, daß eingeschlossenes Gas oder Öl entweichen kann. Aber auch hier gibt es Einschränkungen: Ausdrücklich ausgenommen sind Einzugsgebiete eines Mineralwasservorkommens, einer Heilquelle oder einer "Stelle zur Entnahme von Wasser zur Herstellung von Lebensmitteln".
Aufgrund der jetzt beschlossenen Regelung wird es in Deutschland wahrscheinlich zu keinem "unkonventionellen Fracking" kommen, auch nicht zu den prinzipiell möglichen vier Probebohrungen. Die Annahme des Gesetzentwurfs erfolgte mit den Stimmen der Unionsparteien und der SPD. Die Oppositionsparteien Linke und Grüne lehnten ihn ab und forderten ein komplettes Fracking-Verbot.
Niedersachsen verfügt von allen Bundesländern über das größte Potential für die Förderung von Schiefergas (grün) oder Schieferöl (rot) per Fracking. Grafik: BGR
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Die Gasförderer hatte sich in den letzten Jahren mit weiteren Anträgen auf "konventionelles Fracking" zurückgehalten, um die Verabschiedung des Gesetzes abzuwarten und die öffentliche Diskussion nicht weiter anzuheizen, in der zwischen beiden Fracking-Arten oft nicht unterschieden wird. Nachdem der Gesetzentwurf aber seit einem Jahr im Parlament schmorte, drohten sie nun damit, ihre Anträge nach altem Recht genehmigen zu lassen. Auf dem Verbandstag des Bundesverbands Erdgas, Erdöl und Geoenergie (BVEG) am 15. Juni in Hannover forderte der BVEG-Vorsitzende Martin Bachmann "ein Ende des Stillstands beim Einsatz von Hydraulic Fracturing in der etablierten Gasförderung". Die Branche habe "fünf Jahre freiwillig auf die Bearbeitung von Anträgen für konventionelle Erdgasförderprojekte mit der etablierten Methode des Hydraulic Fracturing verzichtet, um die Verabschiedung der neuen Fracking-Gesetzgebung zu ermöglichen". Trotzdem scheine sich nun der Bundestag erneut in die Sommerpause zu verabschieden, ohne über den Gesetzentwurf zu beschließen.
Unterstützung erhielt die Branche vom niedersächsischen Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD): "Danke, daß Sie bereit waren, in einem Moratorium abzuwarten; ich glaube aber, daß diese Zeit jetzt abgelaufen ist", sagt Lies in einer Videobotschaft zum BVEG-Verbandstag. Falls weiterhin keine Regelung auf Bundesebene zustandekomme, werde man das Fracking-Problem "auf Länderebene vernünftig lösen und umsetzen".
Der Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie (BVEG) trägt diesen Namen erst seit dem jüngsten Verbandstag am 15. Juni in Hannover. Zuvor hieß er Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung (WEG). Auf Nachfrage stellte er klar, daß der Zusatz "Geoenergie" auf die "breite Untertagekompetenz" der 90 Mitgliedsfirmen inklusive Fracking verweisen soll. Indessen sei nicht beabsichtigt, damit auch die Geothermie zu vereinnahmen.
Für die kommunalen Spitzenverbände stand dagegen die Sorge um das Trinkwasser im Vordergrund, als sie auf eine Verabschiedung des beschlossenen Gesetzentwurfs drängten, der gegenüber der derzeitigen Rechtslage zumindest eine Verbesserung bedeutete. Der Deutsche Städtetag, der Landkreistag, der Städte- und Gemeindebund und der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) befürchteten, daß Fracking-Anträge aufgrund der geltenden Rechtslage und damit unter lascheren Bedingungen genehmigt werden, wenn es zu einer weiteren Verzögerung der Neuregelung kommt. Anfang Mai richteten sie deshalb einen gemeinsamen Appell an die Bundestagsausschüsse für Umwelt, Wirtschaft und Kommunales: "Ein weiteres Abwarten kann zu ernsten Konsequenzen für die Kommunen und die kommunalen Trinkwasserversorgungsunternehmen führen."