Oktober 2015 |
151011 |
ENERGIE-CHRONIK |
Die Stadtwerke Kassel senken ihre Wasserpreise rückwirkend vom 1. Januar 2008 bis zum 31. März 2012 um zwanzig Prozent. Insgesamt müssen sie ihren Wasserkunden 17,8 Millionen Euro erstatten oder ersatzweise an das Land Hessen abführen, falls die damaligen Kunden nicht mehr zu ermitteln sind. Ein entsprechender Vergleich zwischen der Städtische Werke AG und dem Land wurde Anfang September bekanntgegeben.
Die Landeskartellbehörde hatte 2007 auf Betreiben des damaligen Wirtschaftsministers Alois Rhiel (CDU), der sich vor allem als Kämpfer gegen steigende Strompreise profilierte (060411, 071106), mehrere Verfahren gegen kommunale Wasserversorger eingeleitet. Gegen die Kasseler Städtische Werke AG erließ sie dabei eine Preissenkungsverfügung in Höhe von 37 Prozent (081119). Mit einer Beschwerde beim Oberlandesgericht erreichten die Stadtwerke das vorläufige Ruhen des Verfahrens. Im Februar 2010 bestätigte der Bundesgerichtshof aber eine vergleichbare Preissenkungsverfügung gegen die Stadtwerke Wetzlar, womit die Erfolgschancen einer juristischen Auseinandersetzung ganz erheblich sanken (100212).
Nachdem es in den nun aufgenommenen Verhandlungen mit der Kartellbehörde zu keiner Einigung kam, stimmte die Stadtverordnetenversammlung am 27. Februar 2012 der Umwandlung der Wasserversorgung in den städtischen Eigenbetrieb "Kasselwasser" zu, der am 1. April 2012 seine Tätigkeit aufnahm. Kasselwasser ist aber nur für die Abwasserbeseitigung zuständig. Die Wasserversorgung blieb weiterhin bei der Städtischen Netz- und Service GmbH (NSG), die diese Aufgabe nun im Auftrag des Eigenbetriebs Kasselwasser besorgt. Die Wasserrechnungen sind seitdem "Gebühren", die von der Landeskartellbehörde nicht überprüft werden dürfen, und werden von der Kämmerei der Stadt Kassel verschickt.
Diese Art der "Rekommunalisierung" einer an sich schon kommunalen Sparte – auch die NSG ist eine hundertprozentig kommunale GmbH – diente erklärtermaßen dem Zweck, weitere Preissenkungsverfügungen durch die Landeskartellbehörde zu verhindern. "Eine erzwungene Absenkung der Preise um 37 Prozent hätte einen nachhaltigen Betrieb der Wassergewinnungs- und Wasserverteilungsanlagen ausgeschlossen", hieß es dazu im Geschäftsbericht 2013 der Kasseler Verkehrs- und Versorgungs-GmbH (KVV), die als Holding der Stadt Kassel mit 75,1 Prozent an der Städtischen Werke AG beteiligt ist (die restlichen 24,9 Prozent liegen bei der ebenfalls kommunalen Thüga).
In derselben Weise haben auch andere hessische Kommunen, deren Preise beanstandet wurden, die Wasserversorgung wieder zu Eigenbetrieben gemacht, die ihre Rechnungen nun als Gebührenbescheide verschicken: In Wiesbaden gibt es seit 1.1.2012 die "Wasserversorgungsbetriebe der Landeshauptstadt Wiesbaden (WLW)", in Eschwege seit 1.7.2012 den "Wasserversorgungsbetrieb Eschwege", in Wetzlar seit 1.1.2011 die "Wasserversorgung Wetzlar" und in Gießen seit 1.1.2011die "Mittelhessischen Wasserbetriebe (MWB)".